15.02.2012

Erneuerbare Energien vs. Denkmalschutz

Steht das Denkmalschutzrecht dem Umweltschutz entgegen?

Erneuerbare Energien vs. Denkmalschutz

Steht das Denkmalschutzrecht dem Umweltschutz entgegen?

Ein harmonisches Miteinander von Klimaschutz und Denkmalschutz ist eine Frage der Abwägung. | © Unclesam - Fotolia
Ein harmonisches Miteinander von Klimaschutz und Denkmalschutz ist eine Frage der Abwägung. | © Unclesam - Fotolia

Ein harmonisches Miteinander von Klimaschutz und Denkmalschutz ist eine Frage der Abwägung.

Alternative Energieformen, allen voran die Windkraft und die Photovoltaik, sind in aller Munde. Windkraftanlagen finden sich bundesweit in Windparks unterschiedlicher Größenordnung sowie als Offshore-Installationen auf dem offenen Meer. Solaranlagen können ebenfalls frei stehend oder an und auf bestehenden Gebäuden installiert werden. Was vor vier bis fünf Jahren noch Utopie war, könnte demnächst Wirklichkeit werden: Windkraft- und Solaranlagen auf Hochhäusern, Brücken und innerstädtischen Anhöhen sollen den Strom dort erzeugen, wo er letztendlich auch massenhaft verbraucht wird. Anders als große Solarparks dient die Errichtung von Photovoltaikanlagen auf Dächern und Fassaden bestehender Gebäude oftmals der energieeffizienten Eigenversorgung von Gebäuden und Nebenanlagen. Ganz offensichtlich stößt der mit diesen Energieerzeugungsmöglichkeiten verbundene Umweltschutz jedoch an seine Grenzen: Häufig steht der Errichtung von Solar- oder Photovoltaikanlagen das Denkmalschutzrecht entgegen.

Abwägung erforderlich

„Nicht unbedingt!” meint die Rechtsprechung und betont die Notwendigkeit, im Falle widerstreitender Interessen die denkmalschutzrechtliche Bedeutung von Gebäuden einerseits ebenso zu berücksichtigen wie den ökologischen und ökonomischen Nutzen der Solaranlagen andererseits. So hat bereits Ende 2010 das VG Berlin (VG Berlin, Urt. v. 09. 09. 2010, Az.: 16 K 26.10) festgestellt, dass der Stärkung erneuerbarer Energien im Abwägungsprozess besondere Gewichtung zukommt. Wenn die Denkmalbehörde Genehmigungsanträge im Hinblick auf verunstaltende Wirkungen von Solaranlagen abzulehnen gedenkt, hat sie zuvor die Bedeutung und den Wert des denkmalgeschützten Gebäudes und der Dachlandschaft, die konkrete Ausgestaltung sowohl der Dächer als auch der Solaranlage und deren Einsehbarkeit und ökologischen und ökonomischen Nutzen abzuwägen. Oftmals steht bei historisch gewachsenen Strukturen ein gesamter Ortskern unter Denkmalschutz (Ensembleschutz), was bislang dazu geführt hat, dass die betreffenden Flächen für die Errichtung von Solar- oder Photovoltaikanlagen insgesamt nicht in Frage kamen. Wenn jedoch der Denkmalwert der Dachlandschaft durch die Solaranlagen nicht beeinträchtigt wird, tritt der im Grundgesetz verankerte Umweltschutz in den Vordergrund. Einschränkungen im Erscheinungsbild eines Denkmals sind unter dem Gesichtspunkt der Energieeinsparung viel eher hinzunehmen. Auch wenn das der VGH Bayern Ende 2010 (VGH Bayern, Beschl. v. 12. 10. 2010 – 14 ZB 09.1289) noch anders gesehen hat und die Frage des Umweltschutzes lediglich als eines von vielen Kriterien ansah, die die Denkmalbehörde zu berücksichtigen hat, geht nunmehr doch die Tendenz der Rechtsprechung zu einer nicht uneingeschränkt denkmalschutzfreundlichen Linie. Einschränkend hat sich das OVG Rheinland-Pfalz (OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 16. 08. 2011 – 8 A 10590/11) dahingehend geäußert, dass es bei der Frage vorrangiger denkmalschutzrechtlicher Belange maßgeblich darauf ankommt, unter welchen Gesichtspunkten die Denkmalwürdigkeit des Objekts angenommen wird. Der Ausbau erneuerbarer Energien kann dann an seine rechtlichen Grenzen geraten, wenn besonders schwerwiegende Beeinträchtigungen denkmalschutzrechtlicher Belange gegeben sind. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn eine Photovoltaikanlage aufgrund ihrer in der Umgebung historischer Bauten als besonders auffällig wahrgenommenen Ausgestaltung den optischen Eindruck des Denkmals besonders intensiv stört. Aber auch die Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz lässt erkennen, dass es keinen grundsätzlichen Vorrang des Denkmalschutzes vor dem Recht der erneuerbaren Energien (mehr) gibt.


Neues städtebauliches Erscheinungsbild

Dies bestätigt auch die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 01. 09. 2011 – 1 S 1070/11), die sich ebenfalls mit der immer häufiger werdenden Kollision von erneuerbaren Energien und Denkmalschutz befasst. Erstmals hat jedoch mit dem VGH Baden-Württemberg ein Oberverwaltungsgericht die wichtige Aussage getroffen, dass eine Photovoltaikanlage nicht per se eine Beeinträchtigung eines Denkmals bedeuten muss, sondern dass mit steigender Zahl von Photovoltaikanlagen deren Erscheinungsbild – auch auf Kulturdenkmalen – zunehmend hinzunehmen ist. Gerade bei der Bewertung der Schwere einer Beeinträchtigung des Denkmalschutzes soll es auf das Empfinden des für die Belange des Denkmalschutzes aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters entscheidend ankommen. Nach der neuen Rechtsprechung ist dies kein statischer, sondern ein dynamischer Maßstab, weil sich das Empfinden im Laufe der Zeit wandelt. Der VGH Baden-Württemberg hat die aktuelle Tendenz bestätigt, dass in den letzten Jahren Photovoltaikanlagen auf Dächern, gerade auch auf Scheunendächern, in so großer Zahl errichtet wurden, dass derartige Anlagen in ländlich strukturierten Gegenden heute zum normalen städtebaulichen Erscheinungsbild gehören. Allein dies spricht schon gegen eine per se erhebliche und empfindliche Störung des Gesamteindrucks eines Denkmals durch eine Photovoltaikanlage.

Keine Entwertung des Denkmalschutzes

Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass auch durch aktuelle Trends zum Ausbau erneuerbarer Energien der Denkmalschutz nicht völlig in den Hintergrund gerückt wird. Bauliche Anlagen in der Umgebung eines eingetragenen Kulturdenkmals bedürfen noch immer – soweit die Umgebung für dessen Erscheinungsbild von erheblicher Bedeutung ist – der Genehmigung der Denkmalbehörde. Dies gilt auch für Solar- und Photovoltaikanlagen. Soweit es im Einzelfall zu einer schweren Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds von Kulturdenkmalen kommt, werden dem Umweltschutz noch immer Grenzen aufgezeigt. Gerade wegen der Bedeutung dieser Abwägung im Einzelfall kommt es auf eine sorgfältige fachliche und rechtliche Vorbereitung der Anlagenbaumaßnahmen an.

 

Prof. Dr. Stefan Pützenbacher, Notar

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Kanzlei Kapellmann und Partner, Frankfurt am Main; Honorarprofessor für Baurecht an der Frankfurt University of Applied Sciences
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