15.10.2012

Zukunftsfähige Energienetzinfrastruktur

Geplante Änderungen der Anreizregulierungsverordnung

Zukunftsfähige Energienetzinfrastruktur

Geplante Änderungen der Anreizregulierungsverordnung

Geplante Änderungen der AregV – Verbesserungen des Investitionsrahmens für den Netzausbau. | © photlook - Fotolia
Geplante Änderungen der AregV – Verbesserungen des Investitionsrahmens für den Netzausbau. | © photlook - Fotolia

In der Diskussion um die Energiewende ist zutreffenderweise nicht mehr nur von einem erforderlichen Netzaus-, sondern auch vom Umbau der Energieversorgungsnetze die Rede. Dieser betrifft insbesondere Verteilnetze, die bereits jetzt nicht mehr nur die klassische Verteilfunktion früherer Tage wahrnehmen, sondern beachtliche Mengen an Strom aus dezentralen Erzeugungsanlagen in ihr Netz aufnehmen müssen. Deren Entwicklung hin zu sogenannten Smart Grids – d. h. intelligenten Netzen – ist selbstverständlich nicht zum Nulltarif zu haben.

Verteilnetzbetreiber müssen in den nächsten Jahren erhebliche Summen in ihre Netze investieren, um den stetig steigenden Anforderungen gerecht werden zu können. Auf Dauer möglich und zumutbar ist dies nur, wenn die zeitnahe Refinanzierung der Investitionen gesichert ist. Die Erkenntnis, dass der aktuelle Regulierungsrahmen diesen Anforderungen nicht gerecht wird, ist mittlerweile auch in der Politik angekommen.

Eckpunktepapier des BMWi

Ende April diesen Jahres hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) ein Eckpunktepapier zur „Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für eine zukunftsfähige Energienetzinfrastruktur“ veröffentlicht. Zutreffend verweist das BMWi darin auf die erforderlichen Investitionen auf allen Netzebenen in den kommenden Jahren, die ein attraktives Investitionsklima voraussetzen.


Ein solches setze wiederum voraus, „dass Netzbetreiber Kosten für effiziente Investitionen innerhalb des Regulierungsrahmens zeitnah refinanzieren können.“ Einen Schwerpunkt bei den notwendigen Änderungen der Regulierungsbedingungen sieht das BMWi in der Beseitigung des Zeitverzuges, dem die Refinanzierung von Investitionen bislang derzeit überwiegend unterliegt.

Gesetzentwurf zur Neuregelung energiewirtschaftlicher Vorschriften

Von den im Eckpunktepapier angekündigten Maßnahmen hat die Bundesregierung nunmehr zunächst die Einführung einer Haftungsbegrenzung für Übertragungsnetzbetreiber in Angriff genommen und beabsichtigt hierbei auch diverse Änderungen an der Anreizregulierungsverordnung (ARegV). Schwerpunkt des Referentenentwurfes eines Dritten Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 15. 08. 2012 ist, neben der Einführung einer Haftungsbeschränkung für den Fall der verzögerten Errichtung und dem Betrieb von Anbindungsleitungen zu Offshore-Windparks sowie deren Finanzierung durch eine sogenannte Offshore-Umlage, insbesondere die Einführung eines verbindlichen Offshore-Netzentwicklungsplans. Dieser soll zukünftig verbindliche Vorgaben für den koordinierten und effizienten Ausbau eines Offshore-Netzes enthalten. Die Übertragungsnetzbetreiber werden ferner verpflichtet, die Anbindungskosten im Wege einer Wälzung der Kosten zu gleichen Teilen zu tragen. Der finanzielle Ausgleich untereinander soll gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 15 ARegV-E als dauerhaft nicht beeinflussbarer Kostenanteil privilegiert werden; mit der Folge einer ohne Zeitverzug eintretenden Erhöhung der Erlösobergrenzen sowie der hieraus gebildeten Netzentgelte der Übertragungsnetzbetreiber. Neben den damit im Zusammenhang stehenden Folgeänderungen insbesondere des § 4 ARegV enthält der Referentenentwurf vom 15.08.2012 darüber hinaus Änderungen zur Verbuchung und zum Ausgleich des Regulierungskontos nach § 5 ARegV. Zwar finden sich diese Änderungen nicht im aktualisierten Entwurf vom 24.08.2012, der eine Begrenzung der jährlichen Belastung der Letztverbraucher durch die Umlage eingeführt hat, mangels Begründung und dem Umstand, dass bereits eine Verbändeanhörung stattgefunden hat, kann indes von einem redaktionellen Versehen ausgegangen werden.

Mutmaßliche Änderungen beim Regulierungskonto

Anstelle der bisherigen Ermittlung des Saldos des Regulierungskontos im letzten Jahr der Regulierungsperiode soll zukünftig eine jährliche Ermittlung durch die Regulierungsbehörden erfolgen. Der Saldo des letzten abgeschlossenen Kalenderjahres soll anschließend annuitätisch über die jeweils drei folgenden Kalenderjahre durch Zu- oder Abschläge auf die Erlösobergrenze verteilt werden. Dies führt zu einem Wegfall der bislang vorhandenen Regelung zum vorgezogenen Ausgleich im Falle einer Abweichung der erzielten von den zulässigen Erlösen nach § 5 Abs. 3 ARegV, der entgegen der gesetzlichen Intention vielmehr zu stark schwankenden Netzentgelten führt.

Die Neuregelung würde eine Verbesserung im Vergleich zum bisherigen System darstellen. Positiv zu bewerten ist insbesondere der Umstand, dass entstandene Salden zeitnah über eine Anpassung der Erlösobergrenzen in den Folgejahren ausgeglichen werden. Dadurch wird die Gefahr reduziert, dass es aufgrund von Sondereffekten – wie etwa einem außergewöhnlich warmen Winter – zu Liquiditätsengpässen beim Netzbetreiber kommen kann. Kritisch ist indes die geplante Neuregelung des § 5 Abs. 4 Satz 1 ARegV-E zu sehen, wonach die Regulierungsbehörden den Saldo – entgegen der Grundregel – nicht jährlich, sondern weiterhin am Ende der Regulierungsperiode ermitteln und durch gleichmäßige Zu- und Abschläge über die Erlösobergrenzen der darauf folgenden Regulierungsperiode verteilen können. Indem es in das Ermessen der Regulierungsbehörden gestellt wird, letztendlich über die Abwicklungsmodalitäten zu entscheiden, wird der eigentliche Gesetzeszweck – die bestehenden Vorgaben verlässlicher zu gestalten und zu vereinfachen – geradezu konterkariert. Die zur Begründung geäußerten Bedenken des Gesetzgebers, der Regulierungsbehörde die Möglichkeit zu geben, auf eine fehlerhafte Ermittlung der einzustellenden Erlöse und Kosten durch einzelne Netzbetreiber im Einzelfall reagieren zu können, rechtfertigen das Entstehen einer derartigen Rechtsunsicherheit für die Netzbetreiber nicht.

Einführung einer „Kapitalkosten-Regulierung“?

Neben der gleichwohl überwiegend positiv zu bewertenden geplanten Verordnungsänderung ist indes fraglich, ob diese und weitere im Eckpunktepapier vorhandenen Ansätze einer bloßen Nachjustierung diverser Stellschrauben in der ARegV – etwa bei den Instrumenten Erweiterungsfaktor und Investitionsmaßnahme – ausreichen, um den im Zuge der Energiewende erforderlichen Umbau der Verteilnetze hin zu Smart Grids zu bewerkstelligen. Vielmehr sollte verstärkt über einen „großen Wurf“, wie etwa die Einführung einer sogenannten Kapitalkosten-Regulierung, nachgedacht werden. Durch die hierdurch erfolgende Regulierung der kalkulatorischen Kosten würden sich die Investitionsbedingungen der Netzbetreiber entscheidend verbessern. Denkbar wäre eine jährliche Anpassung der Erlösobergrenzen entsprechend der Entwicklung der kapitalgebundenen Kosten. Dies hätte zur Folge, dass sich das Investitionsklima aufgrund des auf jede Investition folgenden sofortigen Kapitalrückflusses erheblich verbessern würde. Ein solcher Ansatz ist einfach und gerecht: Die bisherigen Instrumente wie der Erweiterungsfaktor und Investitionsmaßnahmen wären bei einer solchen Lösung überflüssig. Ein Nachjustieren an diesen Instrumenten würde den Verwaltungsaufwand und die Komplexität des bestehenden Systems der Anreizregulierung weiter erhöhen.

Darüber hinaus ist es eine verbraucherfreundliche Lösung. Die Verlierer einer solchen Regulierung werden die Netzbetreiber sein, die nur unzureichend in ihre Netze investieren. Der Verbraucher zahlt dabei keinen Cent zu viel: Nur wer tatsächlich in neue Technologien investiert, kann seine Erlösobergrenzen erhöhen; der Nutzen der Anlagen steht dem Verbraucher unmittelbar zur Verfügung. Diskussionen um das Volumen zukünftiger Investitionsmaßnahmen würden obsolet: Die Regulierung wäre just an den tatsächlich erforderlichen und effizient ausgeführten Investitionen orientiert.

 

Stefan Missling

Rechtsanwalt, Partner Becker Büttner Held, Berlin
n/a