15.10.2012

Kindergarten ist steuerpflichtig!

BFH-Urteil: Kommunaler Kindergarten als Betrieb gewerblicher Art

Kindergarten ist steuerpflichtig!

BFH-Urteil: Kommunaler Kindergarten als Betrieb gewerblicher Art

Der BFH dehnt die KSt-Pflicht auf Felder aus, in denen die Kommune als Wettbewerber zu Privaten auftritt. | © VRD - Fotolia
Der BFH dehnt die KSt-Pflicht auf Felder aus, in denen die Kommune als Wettbewerber zu Privaten auftritt. | © VRD - Fotolia

Mit dem Urteil vom 12. 07. 2012 (Az. I R 106/10) greift der BFH den Wettbewerbsgedanken, der ihm im Umsatzsteuerrecht vom Eu GH aufgetragen wurde, bei der Besteuerung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) auf und überführt ihn ins Körperschaftsteuerrecht. Betreibt eine Gemeinde eine Kindertagesstätte („Kita“), handelt es sich demnach regelmäßig um einen sog. Betrieb gewerblicher Art (BgA), der der Körperschaftsteuer unterfällt.

FG Düsseldorf: „Kita“ als Hoheitsbetrieb

Im Streitfall unterhielt eine nordrhein-westfälische Stadt als Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe eigene Kindertagesstätten (Kindergärten). Der Aufnahme der Kinder lag ein privatrechtlich ausgestalteter Mustervertrag zu Grunde; die Eltern hatten entsprechend § 90 SGB VIII in der für das Streitjahr 2005 maßgebenden Fassung i.V.m. § 17 des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder vom 29. 10. 1991 (GV.NW 1991, 380) gestaffelte Beiträge zu den Jahresbetriebskosten zu entrichten. Die Elternbeiträge wurden von der jPdöR durch Verwaltungsakt festgesetzt und in den kommunalen Haushalt eingestellt.

Das Finanzamt war in Übereinstimmung mit den einschlägigen Verwaltungsanweisungen (koordinierter Ländererlass, z. B. OFD Hannover vom 12. 10. 2004, DB 2004, 2612) der Auffassung, dass es sich bei den betreffenden Kindergärten der jPdöR um einen Betrieb gewerblicher Art handelt. Dementsprechend setzte es unter Ansatz eines geschätzten Steuerbilanzgewinns von 5.000 € die Körperschaftsteuer für das Streitjahr auf 291 € fest.


Die Vorinstanz, das Finanzgericht Düsseldorf, sah in der Kita noch einen steuerfreien Hoheitsbetrieb. Es begründete seine Entscheidung vom 02. 11. 2010 mit dem sozialgesetzlichen Auftrag in § 24 SGB VIII , wonach alle Kinder, für deren Wohl eine Förderung in Tageseinrichtungen oder in Tagespflege erforderlich ist, eine entsprechende Hilfe erhalten sollen. Die Kreise und kreisfreien Städte als primäre Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 69 Abs 1 Satz 2 SGB VIII i.V.m. dem einschlägigen Landesrecht) müssten darauf hinwirken, dass für jedes Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr an bis zum Schuleintritt ein Kindergartenplatz zur Verfügung steht.

BFH: „Kita“ als Betrieb gewerblicher Art

Den BFH „beeindruckte“ der sozialpolitische und sozialrechtliche Förderungsauftrag nicht (PM des BFH Nr 67/2012). Denn das Unterhalten einer Kita ist im Wettbewerb mit freigemeinnützigen und privatgewerblichen Anbietern gleichartiger Leistungen nicht jPdöR als Trägern öffentlicher Gewalt eigentümlich und vorbehalten, mithin kein Hoheitsbetrieb i.S.v. § 4 Abs 5 KStG. Kennzeichnend dafür wäre die Erfüllung spezifisch öffentlich-rechtlicher Aufgaben, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind, staatlichen Zwecken dienen und zu deren Annahme der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist.

Wettbewerbsrelevanter Anbieter- wie Nachfragermarkt führt zum Betrieb gewerblicher Art

Demgegenüber ist eine Ausübung öffentlicher Gewalt ausgeschlossen, soweit sich die jPdöR durch ihre Einrichtungen in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr einschaltet und eine Tätigkeit ausübt, die sich ihrem Inhalt nach von der Tätigkeit eines privaten gewerblichen Unternehmens nicht wesentlich unterscheidet. Dann bewegt sich die jPdöR in Bereichen der unternehmerischen Gewerbeausübung, in denen – so die ständige Rechtsprechung (z. B. BFH v. 07. 11. 2007, BStBl II 2009, 248, öffentliche Toilettenanlage; v. 25. 01. 2005, BStBl II 2005, 501, Vermessungs- und Katasteramt; v. 29. 10. 2008, BStBl II 2009, 1022, und v. 17. 03. 2005, BFH / NV 2005, 1135, beide zu Krematorien) – private Unternehmen durch den tatsächlichen oder auch nur potenziellen Wettbewerb mit (grundsätzlich nicht steuerpflichtigen) Körperschaften des öffentlichen Rechts ihrerseits nicht benachteiligt werden dürfen.

Ausschlaggebend für die Körperschaftsteuer ist im Streitfall somit allein, dass die jeweiligen Kindergarten- und Kita-Betreiber unter den entsprechenden fachlichen wie personellen Voraussetzungen tatsächlich wie potenziell in gleicher oder jedenfalls vergleichbarer Weise auftreten und ihr Angebot dem gleichen „Kundenkreis“ anbieten. Alle Leistungserbringer – gleichgültig, ob öffentlich-rechtlicher oder privater Natur – agieren im selben Umfeld und auf derselben schuldrechtlichen Basis gegenüber den Erziehungsberechtigten, die ihre Kinder der Obhut der Kindergärten und Kindertagesstätten anvertrauen. Zumal bei Kitas ein einschlägiger wettbewerbsrelevanter Anbieter- wie Nachfragermarkt besteht, unterliegt eine jPdöR insoweit als sog. Betrieb gewerblicher Art (BgA) i.S.d. § 4 Abs 1 KStG der Körperschaftsteuerpflicht.

Festsetzung der Elternbeiträge durch Verwaltungsakt steht einer Einnahmeerzielungsabsicht nicht entgegen

Die Annahme eines BgA scheitert ebenso wenig an der hierfür notwendigen Einnahmeerzielungsabsicht. Die zur Finanzierung der Kitas eingeforderten Elternbeiträge sind als Gegenleistung für die individuelle Inanspruchnahme der Kitas anzusehen, ungeachtet dessen, dass die Beiträge im Rahmen eines hoheitlichen Beitragserhebungsverfahrens durch Verwaltungsakt festgesetzt werden. Ohne Bedeutung ist auch, falls die Beiträge nach sozialen Gesichtspunkten und nach sozialer Bedürftigkeit gestaffelt und begrenzt sind (§ 90 SGB VIII ), als solche an eine zentrale kommunale Stelle abgeführt werden und erst mittelbar den jeweiligen Kitas zugutekommen. Nach allem gebe es aus Sicht des BFH keinen Grund, die kommunalen Kitas steuerlich zu bevorzugen.

Folgen für die Praxis

Die vom BFH ausgesprochene Körperschaftsteuerpflicht wird jPdöR in Bezug auf ihre Kitas nur in begrenztem Maße treffen. Weit überwiegend dürften kommunale Kinderbetreuungseinrichtungen dauerdefizitär sein, sodass keine Ertragsteuern zu zahlen sind. Im Übrigen hat der Senat das FG Düsseldorf angewiesen, im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob die jPdöR mit ihrem BgA „Kita“ die tatbestandlichen Erfordernisse der Gemeinnützigkeit gemäß §§ 51 ff. AO , konkret § 52 Abs 2 Nr 4 und 7 AO , erfüllt. Wäre dies zu bejahen, gilt nach § 5 Abs 1 Nr 9 KS tG bzw. § 3 Nr 6 GewStG hinsichtlich der Körperschaft- bzw. Gewerbesteuer ohnehin eine Steuerbefreiung. Umsatzsteuerlich greift die Steuerbefreiung nach § 4 Nr 23 und Nr 25 UStG, womit einerseits die Elternbeiträge umsatzsteuerfrei sind, andererseits der jPdöR der Vorsteuerabzug aus den Investitionen und dem Betrieb der Kita verwehrt bleibt.

Das Urteil vom 12. 07. 2012 dehnt jedoch die Körperschaftsteuerpflicht von jPdöR implizit auf alle Betätigungsfelder aus, mit denen die Kommune in (nennenswertem) Umfang als wirtschaftlicher Wettbewerber zu privaten Betrieben auftritt!

 

Martin Kronawitter

Dipl.-Bw. (FH) / Dipl.-Vw. / Dipl.-Hdl., Untergriesbach
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