15.10.2012

Steuern statt stochern

Der Nutzen von Kennzahlen für die Kommune

Steuern statt stochern

Der Nutzen von Kennzahlen für die Kommune

Die Steuerung über Kennzahlen hilft auch Kommunen bei der nachhaltigen Umsetzung strategischer Ziele. | © Gina Sanders - Fotolia
Die Steuerung über Kennzahlen hilft auch Kommunen bei der nachhaltigen Umsetzung strategischer Ziele. | © Gina Sanders - Fotolia

Auch wenn man Kommunen mit Wirtschaftsunternehmen nicht gleichsetzen kann, gilt auch für jene uneingeschränkt die Maxime, bei der Erbringung ihrer Leistungen auf deren Wirtschaftlichkeit zu achten. Um dies leisten zu können, bietet das doppische Rechnungslegungssystem den Städten und Gemeinden geeignete betriebswirtschaftliche Analyseinstrumente für die eigene Steuerung – insbesondere über Kennzahlensysteme.

Die Mittel, mit denen Kommunen wirtschaften, sind das Eigentum ihrer Bürger. Dementsprechend stehen sie in der Verantwortung, mit diesen ihnen anvertrauten Mitteln sorgsam und sparsam umzugehen. Nicht zuletzt findet man das Prinzip in den Gemeindeordnungen der Länder verankert, z. B. in Art.61 Abs.2 Satz 1 BayGO, §77 Abs.2 GemO BW oder §75 Abs.1 Satz 2 GO NRW. Das nötige Instrumentarium für ein solches verantwortungsvolles Wirtschaften liefert die Doppik.

Damit die Kommune aus diesen neuen Steuerungsmöglichkeiten umfassenden Nutzen ziehen kann, empfiehlt sich eine systematische Betrachtung der kommunalen Finanzen und Aufgaben mittels eines Kennzahlensystems, wie es auch verpflichtend in den neuen Haushaltsverordnungen der Bundesländer vorgesehen ist.


Dabei muss unterschieden werden zwischen internen und externen Kennzahlen. Während Erstere auf Ebene der Teilhaushalte und Produkte Auskunft über Effektivität und Effizienz der kommunalen Leistungen geben sollen, dienen Letztere dazu, im Rahmen der Jahresabschlussanalyse und Rechnungsprüfung Aussagen über die haushaltswirtschaftliche Stabilität und gesamtwirtschaftliche Ziele der Kommune im übergeordneten Kontext zu treffen. Dementsprechend sind die Adressaten der internen Kennzahlen innerhalb der Verwaltung bis hin zu Verwaltungsspitze und Rat zu finden. Demgegenüber richten sich die externen Kennzahlen vor allem an die Verwaltungssteuerung und externe Dritte.

Geeignete externe Kennzahlen für die Kommune

Bei den externen Kennzahlen werden vorzugsweise die Vermögens-, die Schulden-, die Ertrags- und die Finanzsituation der Kommune betrachtet. Dabei können Kommunen auf eine Reihe bewährter Richtlinien aus der Betriebswirtschaft zurückgreifen. Aber auch seitens der Länderministerien wurden bereits mehr oder weniger verpflichtende Kennzahlenkataloge veröffentlicht, die als Vorgabe oder zur Unterstützung dienen. Probate Kennziffern können dabei sowohl absolute Zahlen wie Summen, Differenzen oder Mittelwerte sein, aber auch Werte, die gewisse Bilanzpositionen zueinander ins Verhältnis setzen.

Eine Kennzahl, die bezüglich der Leistungsfähigkeit einer Stadt oder Gemeinde Aussagekraft besitzt, ist ihre Vermögenslage. Diese kommt insbesondere durch das Eigenkapital („Netto-Vermögen“) zum Ausdruck und gilt als wichtigster Maßstab für das nachhaltige Wirtschaften einer Kommune. Kritiker dieser Kennzahl übersehen, dass es dabei nicht so sehr auf die absolute Größe dieser Zahl ankommt, da diese in der Tat wesentlich von den in der Eröffnungsbilanz angegebenen Bewertungen abhängt. Aussagekräftig ist aber in jedem Fall die Entwicklung des Verhältnisses von Eigenkapital zu Gesamtkapital bzw. Bilanzsumme, die sog. Eigenkapitalquote, im Zeitverlauf.

Sie ist Indikator für die Nachhaltigkeit des Wirtschaftens und damit die vielzitierte „Generationengerechtigkeit“. So zeugt ein relativ gleichbleibender Wert von einem bewussten und sorgsamen Umgang der Verwaltung und der politischen Entscheidungsträger mit den ihnen anvertrauten Ressourcen. Verringert sich die Eigenkapitalquote allerdings über die Jahre hinweg kontinuierlich, so zehrt die betreffende Stadt oder Gemeinde offenbar ihre Substanz auf und lebt gewissermaßen auf Kosten der kommenden Generationen.

Zahlen machen Strukturen sichtbar

Außer der Eigenkapitalquote sind weitere wichtige Vermögenskennzahlen die Investitionsdeckung, die Abschreibungsquote, die Anlagenintensität, die Infrastrukturquote oder der Anlagendeckungsgrad. So veranschaulicht etwa die Anlagenintensität – ermittelt durch die Division des Anlagevermögens durch die Bilanzsumme – die zeitliche Bindung des eingesetzten Kapitals. Im Bereich des Fremdkapitals sind es insbesondere die Struktur und die Fristigkeit des aufgenommenen Kapitals, die Aussagen über künftige Liquiditätsbelastungen und damit mittelbar auch Aussagen über die Nachhaltigkeit des Wirtschaftens ermöglichen.

Ebenfalls wichtige Kennzahlen liefert die Ertragslage. In diesem Bereich werden Kennziffern wie die Steuer- und die Zuwendungsquote, aber auch die Intensität von Personalkosten, Sach- und Dienstleistungen, Abschreibungen, Zinslast und Ähnlichem subsumiert. Teilweise lassen sich einzelne Posten, wie etwa die Steuerquote, noch weiter herunterbrechen, falls detailliertere Informationen benötigt werden. Sinnvoll ist dies beispielsweise dann, wenn die Abhängigkeit eines Wertes von einzelnen Teilwerten untersucht werden soll. Solche Abhängigkeiten können helfen, Strukturprobleme aufzudecken, die aus der Gesamtzahl nicht ersichtlich sind.

Zur Einordnung der Leistungsfähigkeit einer Stadt oder Gemeinde können darüber hinaus auch interkommunale Vergleiche sinnvoll sein, wofür sich bilanzielle Kennzahlen sicher noch besser eignen als individuelle Produktkennziffern. Um Kennzahlen interkommunal vergleichbar zu machen, ist es in jedem Fall erforderlich, eine tragfähige relative Vergleichsbasis zu finden. Geeignet erscheinen beispielsweise auf Bezugsgruppen heruntergebrochene Kennzahlen, wie etwa das Steuereinkommen oder die Zuwendungen je Einwohner und Personalkosten pro Mitarbeiter.

Insbesondere bei der externen Betrachtung sind neben den rein finanzwirtschaftlichen Kenngrößen auch eine Reihe kommunalspezifischer, weicher Faktoren prädestiniert, Auskunft über den Erfolg einer Stadt oder Gemeinde zu geben. Dazu gehören zum einen nur schwer oder nur langfristig beeinflussbare Größen wie die Zusammensetzung der regionalen Wirtschaft und das von der geografischen Lage und der Infrastruktur, aber auch vom Image der Kommune abhängige Investitionspotenzial. Außerdem ist natürlich die demografische Entwicklung der Bevölkerung ein solcher Faktor. Ihre langfristige Entwicklung lässt unter anderem Rückschlüsse auf die Zufriedenheit der Einwohner zu, sagt also aus, ob es der Kommune dauerhaft gelingt, die Erwartungen ihrer Bürger zu erfüllen.

Die so gewonnenen Informationen dienen in erster Linie der Kommune selbst zur betriebswirtschaftlichen Steuerung der Verwaltung. Sie sind unerlässlich, um ein funktionierendes Finanzcontrolling zu ermöglichen. Daneben sind sie aber selbstverständlich auch für andere Institutionen von großem Interesse. Zu den externen Adressaten zählen vor allem die Kommunalaufsicht, aber natürlich auch die kreditgewährenden Banken, die Politik und nicht zuletzt die Bevölkerung.

Neue Steuerungsqualität durch interne Kennzahlen

Für die Steuerung innerhalb der Verwaltung und insbesondere einzelner Ämter und Produkte nicht minder interessant ist die Schaffung eines internen Kennzahlensystems. Ziel eines solchen Systems ist es, die Effektivität und Effizienz von Dienststellen, Einrichtungen und Produkten greifbar und vergleichbar zu machen. So ist es beispielsweise zu kurz gegriffen, zwei Kindertagesstätten einer Kommune nur aufgrund ihres finanziellen Ergebnisses zu vergleichen.

Vielmehr spielen zahlreiche andere, nicht finanzielle Faktoren eine Rolle, wie etwa die Anzahl der betreuten Kinder, die Größe oder die Auslastung der Einrichtung etc. Erst wenn die vorhandenen Finanzzahlen mit solchen nicht-finanziellen Größen ins Verhältnis gesetzt werden, können die Entscheider vom Amtsleiter bis hin zum Rat anhand der gewonnenen Kennzahlen qualitativ steuern.

Wenn schließlich für alle wesentlichen Bereiche in der Verwaltung Kennzahlen definiert sind, lässt sich auf dieser Basis wirklich fachlich fundiert diskutieren. So bekommen die Haushaltsplanberatungen tatsächlich einen qualitativ anderen Charakter als das althergebrachte Zuweisen finanzieller Mittel, der mit der Einführung des Neuen Kommunalen Finanzwesens beabsichtigt ist.

Aus Kennzahlen und Zielsetzung wird Steuerung

Alle Kennzahlen helfen natürlich nichts, wenn die entsprechenden Ziele fehlen: Die Frage, ob ein Kindergarten möglichst sparsam wirtschaften oder möglichst hochwertig ausgestattet individuelle Betreuung gewährleisten soll, verändert etwa die Sichtweise auf eine Kennzahl „Ergebnis pro Betreuungsplatz“ erheblich.

Somit gilt auch insgesamt: Erst wenn die Verantwortlichen in der Verwaltung Ziele definieren und vorgeben, macht die Erhebung von Kennzahlen Sinn: Dann kann die Ist-Kennzahl gemessen werden an der nach der Zielvorgabe zu erreichenden Zahl. Mit dieser Erkenntnis kann die Verwaltung dann durch gezielte Maßnahmen Rahmenbedingungen beeinflussen und effizient steuern.

In der praktischen Umsetzung wird es deshalb sinnvoll sein, dass zunächst Verwaltungsspitze und Rat festlegen, welche Oberziele verfolgt und mit welchen Kennzahlen gesteuert werden sollen, sowohl bezogen auf den Gesamthaushalt als auch auf die einzelnen Teilhaushalte und Produkte.

Sodann sind die einzelnen Ist-Kennzahlen zu erheben; für den Zeitreihenvergleich und eine Projektion in die Zukunft idealerweise auch bezogen auf vergangene Haushaltsjahre. Danach muss festgelegt werden, welche Ziel-Kennzahlen in welchen Zeiträumen erreicht werden sollen, damit von einer Zielerreichung gesprochen werden kann.

Fazit

Wichtig beim Umgang mit Kennzahlen ist in jedem Fall, dass diese nicht nur isoliert betrachtet und interpretiert werden. Ihre volle Aussagekraft erreichen sie erst durch dokumentierte Zeitreihen (quasi den „Vergleich mit sich selbst“ im Zeitablauf) oder durch interkommunale Vergleiche (bei geeigneten identischen Bezugsgrößen). Dafür ist es unabdingbar, dass sowohl die Methode zur Ermittlung der Zahlen als auch Zusammensetzung und Definition der Grunddaten immer gleich beschaffen sind.

Mit der doppischen Rechnungslegung und dem daraus resultierenden veränderten Finanzmanagement werden die Kommunen zwar nicht zu Unternehmen, sie sollen es auch nicht werden. Ihre Führung sollte sich aber dennoch ein Stück weit als Manager sehen und entsprechend unternehmerisch handeln. So müssen Verwaltungsspitze und Rat davon überzeugt werden, dass die Steuerung über Kennzahlen und Ziele in der strategischen Planung etwa bei den alljährlichen Haushaltsberatungen erheblich effizienter und zielführender ist als die althergebrachten Diskussionen über die Verteilung von Geldern auf Haushaltsstellen.

Denn der Grad, in dem dieses Umdenken vollzogen und vor allem auch dokumentiert wird, hat künftig einen verstärkten Einfluss auf die Prosperität der jeweiligen Stadt oder Gemeinde und sie erhält künftigen Generationen die Handlungsspielräume zur kontinuierlichen Fortentwicklung.

 

Dr. Bernd Eckstein

Diplomkaufmann, Leiter Vertrieb im Geschäftsfeld Public Sector der DATEV eG, Nürnberg
 

Dr. Tobias Wagner

Leiter Consulting im Geschäftsfeld Public Sector der DATEV eG, Nürnberg
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