27.07.2017

Wo soll die Reise hingehen?

Zukunftsthemen der Public Corporate Governance

Wo soll die Reise hingehen?

Zukunftsthemen der Public Corporate Governance

Was macht die gute Leitung und Kontrolle von Unternehmen im öffentlichen Sektor aus? | © svort - stock.adobe.com
Was macht die gute Leitung und Kontrolle von Unternehmen im öffentlichen Sektor aus? | © svort - stock.adobe.com

Corporate Governance‹ ist ein schillernder Begriff, der immer häufiger nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern auch im öffentlichen Sektor diskutiert wird. Wer auf eine einheitliche Begriffsdefinition hofft, wird jedoch enttäuscht. Es geht hier vielmehr um einen Sammelbegriff für eine Vielzahl von Themen, die eine ›gute‹ Leitung und Überwachung von Unternehmen gewährleisten sollen. ›Gut‹ heißt dabei je nach Perspektive etwas anderes; die moderne Corporate Governance bezieht dabei in der Regel auch Aspekte der sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen mit ein.

Steuerung im öffentlichen Sektor

Im öffentlichen Sektor stellt sich diesbezüglich insbesondere die Frage, wie wir die aus der Kernverwaltung ausgegliederten und durch öffentliche Unternehmen erbrachten Aufgaben im Interesse der Gesellschafter, welche letztendlich die Bürger sind, steuern können. Steuerungsprobleme können beispielsweise dann auftreten, wenn Geschäftsführer zu große Managementautonomie genießen oder gar opportunistisch im Eigeninteresse agieren. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, rücken immer häufiger Themen der Public Corporate Governance, also der erfolgreichen Leitung und Überwachung öffentlicher Unternehmen, in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion.

Viele Städte haben dafür Regelwerke, sogenannte Public Corporate Governance Kodizes, formuliert. Inhaltlich ist hierin und in den Gemeindeordnungen beispielsweise spezifiziert, dass öffentliche Unternehmen auch dann Aufsichtsräte einrichten sollen, wenn es das Gesellschaftsrecht nicht erfordert. Diesen (fakultativen) Aufsichtsräten obliegt es, die Tätigkeiten der Geschäftsführung im Sinne der Anteilseigner zu kontrollieren und ihnen beratend zur Seite zu stehen. Welche Managemententscheidungen konkret der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen, kann jedoch von Gesellschaft zu Gesellschaft variieren und wird in der Regel in der Satzung festgelegt. So wird beispielsweise nicht allen Aufsichtsräten einer GmbH die Kompetenz übertragen, über die Höhe und Ausgestaltung der Managementgehälter zu entscheiden. Dies obliegt in einigen GmbHs dem höchsten Organ, der Gesellschafterversammlung. Wie wir in PUBLICUS Ausgabe 3.2017 berichteten, sind Vergütungssysteme wichtige Steuerungsinstrumente. Je nach Güte der Ausgestaltung können sie für die Gesellschaft positive als auch negative Managementanreize setzen.


Um gemeinschaftlich diese aktuellen Themen der Public Corporate Governance zu diskutieren und voranzubringen, luden Prof. Dr. Michèle Morner von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und Prof. Dr. Ulf Papenfuß von der Zeppelin Universität in Friedrichshafen Experten aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Beratung zur 5. Speyerer Tagung zu Public Corporate Governance ein. Der Beitrag fasst die wesentlichen Erkenntnisse der Zukunftsthemen

  • Public Corporate Governance Kodizes
  • Aufsichtsratsarbeit
  • Vergütungssysteme

zusammen und zeigt Entwicklungsmöglichkeiten für die kommenden Jahre auf.

Status quo und Entwicklungspotenziale für Public Corporate Governance Kodizes

Etliche deutsche Städte verfügen mittlerweile über einen Public Corporate Governance Kodex – Tendenz steigend. Fraglich ist jedoch, ob es überhaupt sinnvoll und wünschenswert ist, dass jede Stadt ›ihr eigenes Süppchen kocht‹ und versucht ›das Rad immer wieder neu zu erfinden‹, wenn es um die Entwicklung eines Kodex geht. Wenngleich es bei den Kodizes von Bund, Kommunen und Ländern inhaltliche Schnittmengen gibt und meist die gleichen Themen diskutiert werden, gibt es doch erhebliche qualitative Unterschiede, wie diese Themen angegangen werden. Beispielsweise weichen Kodizes hinsichtlich der maximalen Anzahl an Aufsichtsratsmandaten, die eine Person innehaben sollte, erheblich voneinander ab. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Sinnhaftigkeit solcher festen Obergrenzen fehlt, zumal einzelne Kodizes Ausnahmen für sogenannte ›geborene‹ Aufsichtsratsmitglieder wie den/die Oberbürgermeister/in zulassen.

Musterkodex statt Flickenteppich

Es wäre daher überlegenswert, diesen Flickenteppich an Regelwerken in einem Musterkodex zusammenzusetzen. Um solch einen Kodex entwickeln zu können, wurde, wie in den vergangenen Tagungsjahren, auch in diesem Jahr über das Einrichten einer Expertenkommission nach privatwirtschaftlichem Vorbild diskutiert. Eine derartige Expertenkommission könnte beispielweise aus Entscheidungsträgern in öffentlichen Unternehmen, Verwaltung und Wissenschaft bestehen, die sich regelmäßig über ›Best-Practice‹-Beispiele austauscht und diese in einen Musterkodex einbindet.

Dieser Musterkodex sollte aber allenfalls eine Unterstützung für Bund, Länder und Kommunen darstellen und darf nicht unreflektiert ›kopiert‹ werden. Denn wie sich beispielsweise auch bei der Leitbildentwicklung in Städten zeigt, liegt die Stärke solcher Dokumente weniger in dem Dokument selbst, sondern in der Tatsache, dass es mit möglichst allen Beteiligten entwickelt wurde und gemeinschaftlich getragen wird. Ein Musterkodex sollte also nur eine Orientierungshilfe darstellen und an die Bedürfnisse der Beteiligten angepasst werden können.

Status quo und Entwicklungspotenziale der Aufsichtsratsarbeit

Neben Regelungen zu Mandatsobergrenzen gibt es viele weitere, den Aufsichtsrat betreffende Themen, die in Kodizes niedergeschrieben sind. So sehen viele Regelwerke beispielsweise vor, dass Aufsichtsräte regelmäßig an Weiterbildungsveranstaltungen teilnehmen, die Güte ihrer Arbeit in sogenannten Aufsichtsratseffizienzprüfungen überprüfen und über die zur Ausübung des Mandats erforderlichen Fähigkeiten, Kenntnisse und fachlichen Erfahrungen verfügen.

Wie die Diskussion auf der Tagung zeigt, liegt eine der Kernproblematiken guter Aufsichtsratsarbeit insbesondere in der mangelnden betriebswirtschaftlichen, juristischen und branchenspezifischen Qualifikation der Mandatsträger. Nur wenige der durch die Bürger gewählten Stadträte, die dann wiederum als Stadtratsmitglieder Aufsichtsratsmandate annehmen, sind natürlich Wirtschaftsprüfer oder Juristen. In den kommenden Jahren wäre es daher wichtig, sich vermehrt Gedanken darüber zu machen, was wir von unseren demokratisch gewählten Stadtratsmitgliedern erwarten wollen und können.

Richten wir an unsere Aufsichtsräte neben ihrer politischen Rolle auch die Erwartung, dass sie auf Augenhöhe mit der Geschäftsführung über betriebswirtschaftliche Sachverhalte diskutieren und den jährlich vortragenden Wirtschaftsprüfer auch tatsächlich umfassend verstehen, dann müssen wir die aktuellen Besetzungsstrategien überdenken. In vielen Fällen schicken die Parteien bereits ihre besten und engagiertesten Leute ins Rennen um die Mandate. Letztendlich entscheiden jedoch die Bürger, welche Personen sie in den Stadtrat wählen und wer demzufolge überhaupt an den Start geht, wenn es um Mandatsneubesetzungen geht.

Es gilt daher in den kommenden Jahren vermehrt darüber nachzudenken, ob umfassende Aufsichtsratsschulungen, Effizienzprüfungen und Mandatsbetreuungen seitens des Beteiligungsmanagements bei gegebener Aufsichtsratsbesetzung genügen, um eine Professionalisierung herbeizuführen oder ob es gegebenenfalls sinnvoll ist, vermehrt auf externen Sachverstand zu setzen ( wie bei einzelnen Gesellschaften bereits der Fall ), um vermeintliche Defizite auszugleichen.

Zuletzt müssen wir uns jedoch bewusst sein, dass in vielen öffentlichen Aufsichtsräten das Mandat im Vergleich zur Privatwirtschaft den Charakter eines Ehrenamtes hat, bei dem allenfalls Aufwandsentschädigungen gezahlt werden. Die Hauptmotivation, ein solches Mandat anzunehmen, liegt wohl folglich bei vielen Mandatsträgern weniger in den finanziellen Anreizen, sondern in der als wichtig erachteten Tätigkeit begründet. Ob wir zu diesen ehrenwerten Motiven auch genügend externe Fachleute für den Aufsichtsrat gewinnen können, bleibt zu diskutieren.

Status quo und Entwicklungspotenziale für Vergütungssysteme

Während, wie beschrieben, bei den Aufsichtsräten die Höhe der Mandatsvergütung in vielen Gesellschaften überschaubar ist, haben Geschäftsführergehälter einen größeren Stellenwert in der Public Corporate Governance-Diskussion.

Zunächst stellt sich hierbei immer die Frage der Angemessenheit von Geschäftsführergehältern. Ist es noch angemessen, wenn die Geschäftsführer städtischer Beteiligungen mehr verdienen als der Oberbürgermeister derselben Stadt? Auf der anderen Seite: Finden wir überhaupt passende Kandidaten für die Leitung öffentlicher Unternehmen, wenn wir nicht danach schauen, was marktüblich ist und es verpassen, uns danach zu richten?

Aber auch die Wahl des Vergütungssystems ist wichtig, wenn wir Geschäftsführer nicht durch falsch gesetzte Anreize zu opportunistischem Verhalten verleiten wollen. Neben Fixvergütungen beinhalten Vergütungssysteme von Geschäftsführern immer häufiger variable Vergütungsbestandteile. Inspirieren lässt man sich hierbei, wie allzu oft, von Praktiken der Privatwirtschaft. Doch woran bemisst man die Leistung des Geschäftsführers im öffentlichen Sektor? Die Möglichkeiten der Leistungsmessung scheinen keine Grenzen zu kennen. Wir können auf Basis der finanziellen Leistung des Gesamtunternehmens oder einzelner Bereiche variabel Vergütungen bemessen. Wir können Individualleistungen und Teamleitungen als Grundlagen nehmen. Wir können gestaffelte Auszahlungen in Form von Bonus-Malus-Systemen vornehmen.

Die Wahl eines geeigneten Vergütungssystems ist nicht leicht. Für den öffentlichen Sektor müssen wir uns bewusst machen, dass eine leistungsorientierte Vergütung, welche ausschließlich an finanziellen Kennzahlen bemessen wird, wohl kaum zweckdienlich sein kann. Wir sollten in den kommenden Jahren daher kritisch hinterfragen, wo variable Vergütung überhaupt sinnvoll ist und wie sie konkret umgesetzt werden kann. Wichtig wäre hierfür, dass Städte Geschäftsführer- und Aufsichtsratsgehälter entsprechend offenlegen, um eine bessere Vergleichbarkeit zu schaffen und gegenseitiges Lernen zu ermöglichen. Bislang veröffentlichen nicht alle Städte einen jährlichen Beteiligungsbericht, in denen Geschäftsführer- und Aufsichtsratsvergütungen ausgewiesen sind. Und auch solche Städte, die einen Beteiligungsbericht veröffentlichen, weisen diese nicht immer aus. Mehr Transparenz wäre daher für die kommenden Jahre wünschenswert.

Fazit

Die diesjährige Tagung zeigt, dass es für die Bereiche Public Corporate Governance Kodex, Aufsichtsratsarbeit und Vergütung erhebliche Entwicklungspotenziale gibt, die es lohnt, in den kommenden Jahren anzugehen. Public Corporate Governance Kodizes stellen eine wichtige Leitplanke für gute Leitung und Aufsicht öffentlicher Unternehmen dar. In ihnen werden beispielsweise auch Themen der Geschäftsführer- und Aufsichtsratsvergütung, aber auch der Aufsichtsratsarbeit thematisiert. Folglich könnte eine Expertenkommission auch dazu dienen, neben dem Entwickeln eines Musterkodexes auch Public Corporate Governance-Themen im Allgemeinen zu diskutieren. Die jährlichen Diskussionen im Rahmen der Speyerer Tagung zu Public Corporate Governance zeigen immer wieder, wo die Reise hingehen könnte. Inzwischen hat sich die Tagungsreihe zu einer wichtigen Plattform für Experten aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Beratung etabliert. Die 6. Speyerer Tagung zu Public Corporate Governance findet am 16. und 17.  April  2018 an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer statt.

 

Dipl.-Hdl. Bettina Klimke-Stripf

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften, Speyer
 

Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner

Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften, Speyer Wissenschaftliches Institut für Unternehmensführung und Corporate Governance (wifucg), Berlin
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