13.07.2017

Garant für mehr Sicherheit

Der Gastbeitrag: Grenzkontrollen und Schleierfahndung als Erfolgsrezept

Garant für mehr Sicherheit

Der Gastbeitrag: Grenzkontrollen und Schleierfahndung als Erfolgsrezept

Fotomontage: Willkommenskultur und Grenzkontrolle – Bayern setzt auf beides. | © kamasigns - stock.adobe.com
Fotomontage: Willkommenskultur und Grenzkontrolle – Bayern setzt auf beides. | © kamasigns - stock.adobe.com

Die Redaktion des PUBLICUS dankt Herrn Staatsminister Joachim Herrmann herzlich für nachfolgenden Gastbeitrag.

Grenzkontrollen sind ein ganz zentraler Baustein für die Innere Sicherheit in Europa. Gerade beim Schutz der EU-Außengrenzen muss die EU noch erheblich nachbessern. Der EU-Außengrenzschutz ist an vielen Stellen unzureichend und die verbindlichen Schengen-Regularien werden nicht vollständig umgesetzt. Immer noch können Flüchtlinge, aber auch Kriminelle wie Drogendealer oder sogar Terroristen unregistriert und unkontrolliert die EU-Außengrenze überschreiten. Das fördert nicht nur die illegale Migration, das ist auch ein eklatantes Sicherheitsproblem! Terrororganisationen wie der ›Islamische Staat‹ nutzen diese Lücken, um gezielt Attentäter nach Europa zu schleusen, wie das beispielsweise bei Terroranschlägen in Paris deutlich wurde. Auch die Organisierte Kriminalität macht sich diese Lücken zu Nutze.

Binnengrenzkontrollen weiterhin notwendig

Kritisch sehe ich deshalb die Vorgabe der EU-Kommission, in Deutschland die Binnengrenzkontrollen bis Mitte November  2017 auslaufen zu lassen. Ob bis dahin der EU-Außengrenzschutz ausreichend ist, bleibt abzuwarten. Wir müssen jedenfalls die Binnengrenzkontrollen in Deutschland solange aufrechterhalten, wie das aus Sicherheitsgründen notwendig ist. Das habe ich auch im Juni  2017 auf der Innenministerkonferenz in Dresden deutlich gemacht und dafür breite Zustimmung bekommen. Mit den Innenministerkollegen war ich auch einig, dass wir die Flüchtlingsströme weiterhin sehr genau beobachten müssen. Sollte es zu nennenswerten Verlagerungen an andere Bereiche der Bundesgrenze kommen, müssen auch dort Grenzkontrollen verstärkt stattfinden. Denn die europäische Flüchtlingskrise ist noch nicht ausgestanden. Die Lage in Syrien sowie die Verhandlungen mit den Maghreb-Staaten stellen weiterhin nicht kalkulierbare Faktoren dar.


Derzeit führt die Bundespolizei an den drei Hauptverkehrsrouten an der deutsch-österreichischen Grenze an den Bundesautobahnen  3, 8 und 93 rund um die Uhr Kontrollen mit Unterstützung durch eine Hundertschaft der Bayerischen Bereitschaftspolizei durch. Dazu kommen lageangepasst stationäre und mobile Kontrollen der Bundespolizei an den übrigen relevanten Grenzübergängen zu Österreich. Über die Ausgestaltung der engmaschigeren Grenzkontrollen haben wir uns mit dem österreichischen Bundesinnenministerium abgestimmt. Bundespolizei, Bayerische Polizei und Österreichische Polizei arbeiten eng zusammen. Klar ist: Wir wollen an den Grenzkontrollstellen keine riesigen Staus zulasten der täglichen Pendler, Touristen und der Wirtschaft. Wir werden alles daransetzen, Verkehrsbeeinträchtigungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Deshalb werden auch weiterhin bei Grenzübertritt nicht alle Fahrzeuge kontrolliert. Wir gehen vielmehr ganz gezielt vor. Unsere Kontrollexperten der Polizei haben einen großen Erfahrungsschatz und einen guten Blick dafür, wer näher angeschaut werden sollte und wer nicht.

Wie notwendig die Binnengrenzkontrollen immer noch sind, zeigt der Blick in die aktuelle Statistik. Bundespolizei und Bayerische Polizei haben entlang bayerisch-österreichischen Grenzregion von Januar bis Mai  2017 mehr als 600  Geschleuste und knapp 200  Schleuser aufgegriffen.

Schleierfahndung hervorragende Ergänzung

Eine ganz hervorragende Ergänzung der Binnengrenzkontrollen sind verdachtsunabhängige Kontrollen der Polizei, auch ››Schleierfahndung‹ genannt. Wir haben die Schleierfahndung in Bayern  1995 als erstes Bundesland eingeführt. Sie hat sich als absolutes Erfolgsmodell bewährt. Wir setzen dabei auf zwei sogenannte ›Fahndungsschleier‹: Den ersten entlang der österreichischen und der tschechischen Grenze, wo fast 600   Beamtinnen und Beamte der Bayerischen Polizei Kontrollen durchführen. Dazu kommen Beamte von an der Grenze gelegenen Bundespolizeiinspektionen, die neben der Schleierfahndung auch weitere bundespolizeiliche Aufgaben übernehmen. In einem zweiten Fahndungsschleier können alle Polizisten der Bayerischen Polizei auf Durchgangsstraßen und in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs, wie Flughäfen oder Bahnhöfen, Schleierfahndungskontrollen durchführen. Außerdem haben wir zusätzlich Fahndungs- und Kontrollgruppen eingerichtet. Daran wird deutlich: Wir verstärken die Schleierfahndung in Bayern seit Jahren deutlich, zuletzt im Nachtragshaushalt  2016 mit 150  zusätzlichen Stellen. Heute verfügen nahezu alle bayerischen Verkehrspolizeiinspektionen sowie die Einsatzabschnitte des Polizeipräsidiums München über spezialisierte Fahndungseinheiten.

Jährlich rund 20.000 Aufgriffe

Die bayernweiten Aufgriffe unserer Schleierfahnder stiegen von knapp 19.400  Fälle im Jahr  2012 auf über 38.100  Aufgriffe im Jahr  2015 kontinuierlich an. 2016 hatten wir bayernweit knapp 21.200  Fälle, wobei der Rückgang maßgeblich auf die Wiedereinführung der Grenzkontrollen und den damit verbundenen Rückgang bei den Aufgriffen Illegaler zurückzuführen ist.

Ausbau der Schleierfahndung in ganz Deutschland

Die Schleierfahndung in Bayern ist ein absolutes Erfolgsrezept für mehr Sicherheit. Deshalb brauchen wir sie dringend in ganz Deutschland, um Kriminellen und Terroristen das Handwerk zu legen. Da gibt es für mich kein »Wenn« und »Aber«. Bislang haben die Landespolizeien nur in 13 der 16  Bundesländer dieses wichtige Fahndungsinstrument. Nordrhein-Westfalen plant jetzt zumindest, eine ›strategische Fahndung‹ einzuführen. In Berlin und Bremen gibt es diese wichtige Polizeimaßnahme aber immer noch nicht. Das ist aus meiner Sicht eine eklatante Sicherheitslücke, die unbedingt geschlossen werden muss. Verschärft wird die Problematik durch die Vorgabe der EU-Kommission, in Deutschland die Binnengrenzkontrollen bis Mitte November  2017 auslaufen zu lassen und diese beispielsweise schrittweise durch Schleierfahndung zu ersetzen. Vor allem müssen wir bundesweit die Schleierfahndung in den Grenzregionen weiter ausbauen. Dazu gehört auch die Schleierfahndung auf den Verkehrswegen von internationaler Bedeutung und bei Einrichtungen des internationalen Verkehrs wie beispielsweise im Umfeld von Flughäfen, Bahnhöfen und Rastanlagen. Das betrifft ebenso die Hauptrouten von illegaler Migration und internationaler Kriminalität. In Bayern sind unsere Schleierfahnder in diesen Bereichen schon hochengagiert unterwegs.

Fazit

Die Grenzfreiheit der Schengenstaaten ist eine der wichtigsten Errungenschaften Europas. Ein Europa ohne Grenzen funktioniert aber nur, wenn es keine Abstriche bei der Sicherheit der Menschen gibt, die hier leben. Die noch nicht ausgestandene Flüchtlingskrise, internationale Verbrecherorganisationen und auch Terroristen stellen unsere Sicherheitsbehörden vor enorme Herausforderungen und verunsichern die Bevölkerung. Gleichzeitig haben wir aber teilweise noch enorme Defizite beim Schutz der EU-Außengrenzen. Wir können das alleine durch unsere Schleierfahndung in Bayern nicht ausgleichen. Daher sind bis auf Weiteres auch Binnengrenzkontrollen an Deutschlands Grenzen zwingend notwendig –  für ein Europa als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts!

 

Joachim Herrmann

Bayerischer Staatsminister des Innern,
für Bau und Verkehr, München
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