30.11.2020

Wissenschaftliche Mitarbeit in einer Großkanzlei

in Zeiten von Corona

Wissenschaftliche Mitarbeit in einer Großkanzlei

in Zeiten von Corona

Ein Beitrag aus »Der Wirtschaftsführer« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Der Wirtschaftsführer« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Seit April 2019 bin ich wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Praxisgruppe Steuern im Düsseldorfer Büro von Baker McKenzie. Hier beschäftigen wir uns schwerpunktmäßig mit dem internationalen Steuerrecht, vor allem mit Verrechnungspreisen.

Was sind Verrechnungspreise? Tauschen einzelne Teile eines Konzerns untereinander Leistungen aus, müssen die Entgelte so bemessen werden, wie sie fremde Dritte vereinbart hätten. Sie müssen also einem Fremdvergleich standhalten (arm’s length principle). Dieses als Transfer Pricing bezeichnete Tätigkeitsfeld verläuft genau an der Schnittstelle zwischen Jura und Ökonomie. Daher gibt es sowohl Juristen als auch Ökonomen im Team. Diesen interdisziplinären Austausch finde ich persönlich sehr bereichernd.

Meine typische Arbeitswoche

Zu meinen Aufgaben gehören im Wesentlichen Recherchen zu rechtlichen Problemstellungen. Zudem entwickle ich Textbausteine für Gutachten, Schriftsätze etc. Weiterhin habe ich die Freiheit, unternehmerische Projekte zu initiieren. So war es mir z. B. möglich, unseren teaminternen Onboarding-Prozess neu zu gestalten. Wer neu bei uns im Team anfängt, erhält nun einen individualisierten Onboarding-Ordner mit allen fachlichen und organisatorischen Infos, die das Anbordkommen so einfach wie möglich machen sollen.


Meine Arbeitswoche beginnt mit einem Montagsmeeting, in dem wir besprechen, was in der Woche anliegt. Da sich unsere Projekte schnelllebig weiterentwickeln, treffen wir uns jeden Morgen zu einem Fünfminutenmeeting. Anschließend ist jeder im Bilde, wer gerade woran arbeitet. In regelmäßigen Abständen veranstalten wir außerdem Team Lunches, in denen aktuelle Entwicklungen wie Gesetzesinitiativen oder Rechtsprechung diskutiert und von Fachveranstaltungen berichtet und organisatorische Dinge besprochen werden.
Zudem schalten wir uns regelmäßig mit den Steuerrechtlern aus den anderen deutschen Büros zu einer Videokonferenz zusammen. Über Videokonferenzen erhalten wir einen Einblick in aktuelle Entwicklungen aus anderen Praxisgruppen.
Auch fernab der Juristerei wird es in der Mittagspause nie langweilig. Das Büro bietet ein abwechslungsreiches Sportprogramm an, bestehend aus Cross-Fit, Yoga und einer Laufrunde um den (Medien-)Hafen. Jeden Sommer findet zudem der Fluency Cup statt. Bei diesem Fußballturnier treffen sich die Kolleginnen und Kollegen aller Kontinente für ein Wochenende, um in Teams gegeneinander anzutreten. Letztes Jahr war auch ich in Warschau mit von der Partie. Dieses Jahr sollte das Turnier auf Mallorca stattfinden.

Und dann kam Corona

Während des Lockdowns gab es CrossFit im Live-Stream zum Mitmachen. Auch der Team Lunch, das Fünfminuten- und das Montagsmeeting wurden kurzerhand digitalisiert. Unsere Projekte liefen weitestgehend unverändert weiter. Wir arbeiteten nur an einem anderen Ort: im Homeoffice.

Schon vor Zeiten von Corona verfügte die Kanzlei über mehrere Chat- und Videokonferenz- Programme. In Deutschland wurde eine umfangreiche StayConnected- Kampagne ins Leben gerufen. Fast täglich fanden per Zoom diverse Weiterbildungsangebote statt. Von Business English und Cross-Cultural Interaction über Leadership bis zu Project Management und Legal Tech war für jeden etwas dabei.

Einige Anwältinnen und Anwälte schilderten ihre persönlichen Erfahrungen zum LL.M.-Studium, Secondment oder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Die Repetitorien für Referendare gingen ebenfalls online an den Start. Ein Repetitor brachte uns über Zoom das materielle Zivilrecht im Assessorexamen näher. Das dazugehörige Skript gab es vorab in bewährter Printform.

Unsere HR-Abteilung erkundigte sich nach unserem Wohlergehen im Homeoffice. Wöchentlich fand ein virtueller Coffee in New York für Law Clerks statt; also für Praktikanten, Referendare und wissenschaftliche Mitarbeiter. Der Name rührt daher, dass die Konferenzräume im Frankfurter Büro nach Städten benannt sind und das Get-together vor Corona im Raum New York stattfand. Passend dazu erhielten wir von den sog. Law Clerk Beauftragten per Post eine kleine kulinarische Aufmerksamkeit. Zuletzt wurde sogar ein Pub Quiz veranstaltet.

Career Mentorship Program

Gleichzeitig bin ich auch Mentee der Kanzlei. Im Rahmen des Career Mentorship Program fördert die Kanzlei Nachwuchsjuristinnen und -juristen während ihrer Ausbildung. Das Programm besteht u. a. aus Seminaren und weiteren Formaten. So nahm ich selbst noch vor einiger Zeit an einem Rhetoriktraining teil; in Frankfurt und face-to-face. Das war natürlich vor dem Lockdown.

Während der Coronakrise absolvierte ich gemeinsam mit einer Kollegin aus Frankfurt und einer Kollegin aus München über eine digitale Lernplattform einen zehnwöchigen Englischkurs bei einer Sprachtrainerin aus England.

Zum Mentorenprogramm gehört auch das Summer Camp, das jedes Jahr in einer anderen europäischen Metropole stattfindet. Letztes Jahr standen u. a. ein Workshop zur Entscheidungsbaum-Software des Start-ups BRYTER und unter dem Titel „Be your own Brand“ ein Coaching zum Selbstmarketing auf der Agenda. Das Summer Camp 2020 war diesmal aufgrund der aktuellen Situation ein virtuelles Camp. Auf der Agenda standen diesmal ein Mocktail-Workshop und ein abwechslungsreiches Quiz.

Zu einem Mentee gehört per definitionem auch ein Mentor. Dieser ist persönlicher Ansprechpartner für alle Fragen zur Vorbereitung auf das Examen, das Referendariat, die Doktorarbeit, das LL.M.- Studium, den Berufseinstieg oder was auch immer gerade ansteht.

Meine Mentorin ist eine Senior Associate aus dem Tax Team. Das ist für beide Seiten praktisch. Weil wir täglich zusammenarbeiten, kennt sie meine Ausgangssituation und Ziele sowie meine Stärken und Schwächen besonders gut. Wir befinden uns im ständigen Austausch.

Ausblick

In einer der StayConnected-Sessions wurde ich auf ein Projektmanagementtool aufmerksam. Aktuell arbeite ich daran, dieses Tool in unserem Team zu implementieren, damit wir unser Fristen und Auslastungsmanagement noch präziser steuern können. Die Krise hat uns außerdem gezeigt: Notebook und Headset erleichtern unsere Arbeit ebenso wie ein modernes Dokumentenmanagementsystem inklusive eines benutzerfreundlichen Akten- und Knowledge-Managements. Unter Beachtung der Hygienevorschriften des Smart Restart-Konzepts kommt langsam wieder Leben in die Büros. Dennoch dürfte uns die Flexibilität, tageweise aus dem Homeoffice oder von wo auch immer zu arbeiten, sicher langfristig erhalten bleiben. Diese Agilität ist heute ein Erfolgsfaktor, sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch in der Krise.

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag entstammt aus dem »Der Wirtschaftsführer für junge Juristen«.

Um den Wirtschaftsführer auch unterwegs bequem lesen zu können, finden Sie hier unsere »Wirtschaftsführer-App«.

 

Maximilian Cleve

wiss. Mitarbeiter, Baker McKenzie, Düsseldorf
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