12.11.2020

Tarifvertrag zur Regelung der Kurzarbeit im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände

TV COVID

Tarifvertrag zur Regelung der Kurzarbeit im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände

TV COVID

Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Bayern« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Bayern« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Besondere Krisensituationen wie die Corona-Virus-Pandemie erfordern besondere Lösungen. So haben die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes unter weitgehendem Verzicht auf das in der Regel übliche Verhandlungsprozedere am 30.3.2020 einen Tarifvertrag mit Laufzeit vom 1.4.2020 bis 31.12.2020 zur Regelung der Kurzarbeit im Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV COVID) abgeschlossen. Mit diesem Tarifvertrag sollen die finanziellen Einbußen Beschäftigter des öffentlichen Dienstes in Kurzarbeit durch eine Aufstockung des nach den gesetzlichen Vorschriften zustehenden Kurzarbeitergeldes abgemildert werden.

  1. Gesetzliche Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld

Nach § 95 SGB III ist der Anspruch auf Kurzarbeitergeld nur dann begründet, wenn die folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

– Erheblicher Arbeitsausfall verbunden mit Entgeltausfall (§ 96 SGB III)


– Betriebliche Voraussetzungen (§ 97 SGB III)

– Persönliche Voraussetzungen (§ 98 SGB III)

– Anzeige des Arbeitsausfalls bei der Agentur für Arbeit (§ 99 SGB III)

Es ist davon auszugehen, dass wegen der Corona-Virus-Pandemie veranlasste Maßnahmen auch im öffentlichen Dienst bzw. in kommunalen Einrichtungen und Betrieben zu erheblichem Arbeitsausfall mit Entgeltausfall und/oder zu Einbußen bei den Einnahmen i.S. des § 96 SGB III geführt haben. Nach entsprechender Anzeige mit Begründung der Maßnahmen hat die zuständige Agentur für Arbeit zu entscheiden, ob die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Leichter nachzuweisen ist die Erfüllung der betrieblichen Voraussetzungen i.S. des § 97 SGB III. Danach genügt es, wenn in dem betroffenen Betrieb oder Betriebsteil mindestens eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer beschäftigt ist. Persönliche Voraussetzung für den Erhalt von Kurzarbeitergeld nach § 98 SGB III ist eine bestehende versicherungspflichtige Tätigkeit des Beschäftigten.

Zwingend ist nach § 99 SGB III die Anzeige des Arbeitsausfalls bei der zuständigen Agentur für Arbeit mit detaillierten Angaben über die Ursache des Arbeitsausfalls, eine Belegung der Unterauslastung, Angaben zu den Produkten oder Dienstleistungen, Auftraggeber bzw. -nehmer und Angaben zur vorübergehenden Dauer der Maßnahme. Die Agentur für Arbeit prüft nach entsprechender Anzeige, ob die Maßnahme den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Erfolgt die Anerkennung, kann Kurzarbeitergeld abgerufen und somit auch die tariflich vorgesehene Aufstockung gewährt werden. Die Einschaltung der Agentur für Arbeit sollte daher rechtzeitig erfolgen und umfassend sein.

  1. Geltungsbereich des TV COVID – § 1

Die Leistungen nach dem TV COVID erhalten nur Beschäftigte, die in einem ungekündigten, versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis stehen. Der Arbeitgeber muss in Bayern ordentliches Mitglied des KAV Bayern sein. Außerdem muss auf das jeweilige Beschäftigungsverhältnis ein Tarifvertrag angewendet werden, der bei dem kommunalen Arbeitgeber gilt.

Ausnahmen vom Geltungsbereich

Nach § 1 Abs. 2 TV COVID sind von der Leistung von Kurzarbeit ausgenommen

– Auszubildende, Schülerinnen und Schüler, Dual Studierende sowie Praktikantinnen und Praktikanten,

– Ausbildende, die in der Ausbildung oder Betreuung von Auszubildenden, Studierenden oder Praktikanten tätig sind oder denen die Funktion als Ausbildende, Praxisanleitende oder Betreuende ausdrücklich übertragen wurde,

– Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis während der Kurzarbeit endet,

– Schwangere Frauen und werdende Väter, die Elterngeld in Anspruch nehmen werden, soweit der Bezug von Kurzarbeitergeld in den Bemessungszeitraum des Elterngeldes gemäß § 2 BEEG fällt,

– Beschäftigte in der Freistellungsphase des Altersteilzeitblockmodells.

Nach § 1 Abs. 3 TV COVID gilt der Tarifvertrag nicht, wenn bereits eine betriebliche Vereinbarung zur Kurzarbeit getroffen worden ist, die eine Aufstockung von mindestens 80 % des Nettomonatsentgelts vorsieht.

Ist in einer betrieblichen Vereinbarung eine Aufstockung von weniger als 80 % vorgesehen, greift der TV COVID insoweit, als eine Aufstockung des Nettomonatsentgelts i.S. des § 5 Abs. 1 TV COVID auf 80 % zu gewähren ist.

Der TV COVID gilt nach § 1 Abs. 4 TV COVID auch nicht für Beschäftigte bei Verkehrsflughäfen und anderen erfassten Unternehmen in der Luftverkehrsbranche, wenn eine Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit gilt, die bis zum 15.5.2020 vereinbart worden ist. Während der Laufzeit der Betriebsvereinbarung greift der TV COVID dann nicht, wenn auf mindestens 80 % des Nettomonatsentgelts i.S. des § 5 Abs. 1 TV COVID aufzustocken ist. Beträgt die Aufstockung weniger als die 80 %, ist die betriebliche Vereinbarung zwar weiter gültig. Ab 16.5.2020 hat jedoch eine Aufstockung auf 80 % des Nettomonatsentgelts i.S. des § 5 Abs. 1 TV COVID zu erfolgen. Auf den Abschluss betrieblicher Vereinbarungen oder deren Verlängerung ist durch die Tarifpartner auf Landesebene hinzuwirken.

Von der Einführung von Kurzarbeit werden nicht die einzelnen Beschäftigten, sondern die Betriebe, Betriebsteile und Dienststellen oder Teile derselben erfasst. Erfasst sind z.B. Regie- und Eigenbetriebe, Anstalten, Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts, kommunale Einrichtungen wie Verwaltungen, Schulen, Krankenhäuser, Kurkliniken, Kindergärten, Hallenbäder und Verkehrsbetriebe.

Bei Zweifeln darüber, ob der Betrieb oder die Dienststelle oder Teile davon von der Geltung des Tarifvertrages erfasst werden, ist vorsorglich vorab eine Klärung durch die Agentur für Arbeit herbeizuführen.

Nach Ziffer 1 (zu § 1) der Niederschriftserklärungen zum TV COVID zählen die kommunale Kernverwaltung sowie die Ordnungs- und Hoheitsverwaltung grundsätzlich nicht zum Zielbereich des TV COVID.

  1. Voraussetzungen, Einführung und Ausgestaltung der Kurzarbeit – § 2 TV COVID

Die Voraussetzungen zur Einführung von Kurzarbeit sind maßgeblich in den gesetzlichen Bestimmungen des SGB III (§§ 95 ff.) und der Kurzarbeitergeldverordnung geregelt. Liegen die Voraussetzungen vor, kann der Arbeitgeber Kurzarbeit anordnen. Die Anordnung bedarf allerdings der Beteiligung des Betriebsoder Personalrats. Im Rahmen des Anzeigeverfahrens nach § 99 SGB III ist die Beteiligung nachzuweisen bzw. eine Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung beizufügen.

Arbeitgeber und Betriebsrat bzw. Arbeitgeber und Personalrat sind gehalten, sich über die nähere Ausgestaltung der Kurzarbeit zu verständigen.

Die Einführung von Kurzarbeit, deren Umfang, Beginn und Dauer sind mit einer Frist von sieben Kalendertagen in betriebsüblicher Weise anzukündigen. Diese Frist soll den Beschäftigten die Möglichkeit geben, sich auf die geplanten Änderungen einzustellen. Die angekündigte Kurzarbeit ist dann innerhalb einer Frist von 6 Wochen einzuführen. Nach Ablauf dieser Frist ohne Einführung von Kurzarbeit oder bei einer sechswöchigen Unterbrechung durch Vollarbeit ist eine erneute Ankündigung mit Fristwahrung erforderlich.

  1. Umfang und Höchstdauer der Kurzarbeit – § 3 TV COVID

Nach § 3 TV COVID kann Kurzarbeit für die Dauer von maximal 9 Monaten bzw. bis zum 31.12.2020, dem Ablauf der Laufzeit des Tarifvertrages, eingeführt werden. Während der Kurzarbeit kann es zu einer Herabsetzung der Arbeitszeit auf null Stunden kommen.

  1. Anzeigepflicht und Information des Betriebs- oder Personalrats – § 4 TV COVID

Die Gewährung von Kurzarbeitergeld erfordert es, neben der Anzeige des Arbeitsausfalles nach § 99 Abs. 1 SGB III unverzüglich den Antrag auf Kurzarbeitergeld (KuG) und die pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für die Bezieher von Kurzarbeitergeld (Leistungsantrag) bei der zuständigen Agentur für Arbeit zu stellen. Die Unterlagen, die zum Nachweis der Forderungen bei der Agentur für Arbeit einzureichen sind, sind dem Betriebs- oder Personalrat zur Kenntnis zu geben. Für den Leistungsantrag und die Vorlage der Abrechnungslisten gilt eine Ausschlussfrist von 3 Monaten. Für den Leistungsantrag und die Abrechnungslisten sind die von der Bundesanstalt für Arbeit empfohlenen Vordrucke zu verwenden.

4 Abs. 2 TV COVID räumt dem Betriebs- oder Personalrat ein umfassendes Informationsrecht ein. Er ist wöchentlich über die Entwicklung der Lage zu informieren. Ihm ist darzulegen, weshalb Kurzarbeit in welchen Bereichen eingeführt, verändert, ausgeweitet oder beendet werden soll und weshalb welche Beschäftigte in welchen Bereichen in welcher Weise davon betroffen sind und betroffen sein werden.

  1. Aufstockung des Kurzarbeitergeldes – § 5 TV COVID

Hat die zuständige Agentur für Arbeit laut Bescheid die Kurzarbeit anerkannt, hat der Arbeitgeber das zu erwartende Kurzarbeitergeld aufzustocken. Die Aufstockung beträgt
95 Prozent
in den Entgeltgruppen 1 bis 10 (Anlage A zum TVöD), in den Entgeltgruppen S 2 bis S 16 (Anlage C zum TVöD-V/TVöD-B – S-Tabelle) und in den Entgeltgruppen P 5 bis P 13 (Anlage E zum TVöD-B/TVöD-K – P-Tabelle)
90 Prozent
in den Entgeltgruppen 11 bis 15 (Anlage A zum TVöD), in den Entgeltgruppen S 17 und S 18 (Anlage C zum TVöD-V/TVöD-B – S-Tabelle) und in den Entgeltgruppen P 14 bis P 16 (Anlage E zum TVöD-B/TVöD-K – P-Tabelle)
des bisherigen durchschnittlichen Nettomonatsentgelts abzüglich des jeweils zustehenden, monatlichen Kurzarbeitergeldes sowie des monatlichen Nettoentgelts, das zusteht, wenn die Arbeitsleistung nicht auf „null“ reduziert wurde.

(Reduziertes durchschnittliches Nettoentgelt (95 oder 90 %)
./. Kurzarbeitergeld
(./. Nettoentgelt bei reduzierter Arbeitszeit)
= Aufstockungsbetrag)

Zur Ermittlung des Aufstockungsbetrages ist das bisherige durchschnittliche Nettomonatsentgelt

maßgebend. Das Durchschnittsentgelt ist aus den letzten drei vollen Kalendermonaten vor Einführung der Kurzarbeit zu ermitteln. Zu berücksichtigen ist, dass bestimmte ausgewiesene Entgeltbestandteile unberücksichtigt bleiben. Ungekürzt weiterzuzahlen sind das Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen sowie die Jahressonderzahlung und die Sparkassensonderzahlung. Der Aufstockungsbetrag ist zusatzversorgungspflichtiges Entgelt. In der Lohn- und Gehaltsabrechnung sollen die Beträge für tarifliches Entgelt, Kurzarbeitergeld und Aufstockungsbetrag ausgewiesen sein. Der Aufstockungsbetrag ist bei Leistungen, die auf das tarifliche monatliche Entgelt abstellen, nicht zu berücksichtigen.

  1. Fälligkeit des Kurzarbeitergeldes und des Aufstockungsbetrages – § 6 TV COVID

Unabhängig von der Zahlung des Kurzarbeitergeldes durch die Agentur für Arbeit sind das Kurzarbeitergeld und der Aufstockungsbetrag zu dem Zeitpunkt zu zahlen, zu dem das monatliche tarifliche Entgelt auszuzahlen ist. Der Arbeitgeber hat ggf. insoweit in Vorleistung zu gehen.

Verweigert die Agentur für Arbeit die Zahlung des Kurzarbeitergeldes, stehen keine Leistungen nach dem TV COVID zu. Aus diesem Grunde sollte – wie bereits ausgeführt – bei der Einführung von Kurzarbeit nach Möglichkeit vorab verbindlich abgeklärt werden, ob die Maßnahmen durch die Agentur für Arbeit anerkannt werden und Kurzarbeitergeld beansprucht werden kann.

  1. Sonstige Bestimmungen

a) Betriebsbedingte Kündigungen, Wiedereinstellung – § 7 TV COVID

Nach § 7 TV COVID sind betriebsbedingte Kündigungen während der Kurzarbeit sowie bis zu 3 Monaten nach deren Beendigung ausgeschlossen. Endet ein befristeter Arbeitsvertrag wegen der Kurzarbeit bzw. wird er nicht verlängert, kann ein vorrangiger Wiedereinstellungsanspruch bei der Besetzung von Arbeitsplätzen bestehen.

b) Überstunden und Mehrarbeit – § 8 TV COVID

Während der Kurzarbeit darf der Arbeitgeber keine Überstunden oder Mehrarbeit anordnen, dulden oder billigen. Eine Abweichung ist nur in Notfällen möglich.

c) Urlaub und Arbeitszeitkonten – § 9 TV COVID

Wegen der Kurzarbeit ist eine Kürzung des Urlaubsanspruches nicht möglich. Der nach den üblichen Bestimmungen zu beantragende und zu gewährende Urlaub kann auch während der Kurzarbeit angetreten werden.

Guthaben auf Arbeitszeitkonten sind grundsätzlich vor Beginn der Kurzarbeit abzubauen, soweit gesetzliche, tarifliche oder betriebliche Regelungen dem nicht entgegenstehen. Ein Aufbau negativer Arbeitszeitsalden ist nicht möglich.

Soweit sich Beschäftigte, die Altersteilzeit im Blockmodell leisten, in der Arbeitsphase befinden, ist § 10 TV FlexAZ entsprechend anzuwenden. Dabei ist zu unterscheiden, ob mit reduzierter Arbeitszeit Teilarbeit zu leisten ist oder die Arbeitszeit auf „null“ reduziert wurde. Bei Verminderung der Arbeitszeit ist nur das verminderte Arbeitsentgelt zusatzversorgungspflichtiges Entgelt. Der Aufstockungsbetrag und das Kurzarbeitergeld sind kein Regelarbeitsentgelt i.S. des § 7 Abs. 3 Satz 2 TV FlexAZ. Wird während der Kurzarbeit kein Arbeitsentgelt erzielt, kann der Beginn der Freistellungsphase um die Hälfte der Ausfalltage während der Kurzarbeit hinausgeschoben werden.

d) Veränderung der Kurzarbeit – § 10 TV COVID

Die Beteiligungsrechte des Betriebs- oder Personalrats erstrecken sich auf Unterbrechung, Verlängerung, Beendigung oder Ausweitung der Kurzarbeit. Den Beschäftigten sind Veränderungen der Kurzarbeit anzuzeigen. Bei einer Unterbrechung, der Verlängerung oder Beendigung der Kurzarbeit beiträgt die Ankündigungsfrist 3 Arbeitstage vor dem Wirksamwerden der Maßnahme. Bei einer Ausweitung der Kurzarbeit beträgt diese Frist 7 Arbeitstage.

e) Inkrafttreten, Laufzeit, Nachwirkung – § 11 TV COVID

Der Tarifvertrag, der wegen der besonderen Situation der COVID-19-Pandemie abgeschlossen worden ist, ist am 1.4.2020 in Kraft getreten. Er hat eine Laufzeit bis zum 31.12.2020. Die Nachwirkung ist ausgeschlossen.

Hinweis:

Der KAV Bayern hat mit Rundschreiben A5/2020 vom Mai 2020 ausführliche Durchführungshinweise zur Anwendung des TV COVID veröffentlicht. In dem Rundschreiben wird auch auf Hinweise/Links der Bundesagentur für Arbeit hingewiesen, die z.B. Hilfestellung zum Antragsverfahren mit Musteranträgen und zur Ermittlung des Kurzarbeitergeldes geben.

FStBay 2020/167

Die Fundstelle Bayern

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Fachzeitschrift für die kommunale Praxis
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