15.12.2016

Sterben und erben

Welche Änderungen bringt die (umstrittene) Erbschaftsteuerreform?

Sterben und erben

Welche Änderungen bringt die (umstrittene) Erbschaftsteuerreform?

In der praktischen Anwendung des Erbschaftssteuergesetzes bleiben viele Fragen offen. | © magele-picture - Fotolia
In der praktischen Anwendung des Erbschaftssteuergesetzes bleiben viele Fragen offen. | © magele-picture - Fotolia

Fast zwei Jahre dauerte der Streit um die Erbschaftsteuerreform. Mit Zustimmung des Bundesrats am 14. 10. 2016 und Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 09. 11. 2016 konnte das neue Erbschaftsteuergesetz nun doch noch verabschiedet werden. Die Reform des Erbschaftsteuergesetzes war notwendig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht Ende 2014 die bisherigen Regelungen für die Übertragung von Betriebsvermögen als zu großzügig und deshalb als verfassungswidrig angesehen hatte. Das neue Gesetz gilt rückwirkend für Erbfälle und Schenkungen ab dem 01. 07. 2016. Durch das Reformgesetz wird ausschließlich die Besteuerung von unternehmerischem Vermögen angepasst. Für die Übertragung von privatem Vermögen bleibt es bei den bisherigen Regelungen.

Grundkonzept der Verschonung bleibt erhalten

Wie bereits nach den bisherigen Regelungen kann betriebliches Vermögen auch zukünftig zu 85 Prozent oder gar zu 100 Prozent steuerfrei übertragen werden, wenn eine 5- bzw. 7-jährige Behaltensfrist eingehalten wird. Für eine Vollverschonung darf maximal 20 Prozent Verwaltungsvermögen vorhanden sein. Letzteres wurde vom Vermittlungsausschuss gefordert.

Keine Verschonung für Verwaltungsvermögen

Die Verschonung wird nur noch für das begünstigte Betriebsvermögen gewährt. Das sogenannte Verwaltungsvermögen kann anders als bisher nicht mehr in die Steuerbefreiung einbezogen werden (wobei ein Wert von 10 Prozent des Unternehmensvermögens pauschal mit begünstigt bleibt). Vielmehr unterliegt der Nettowert des Verwaltungsvermögens zukünftig in vollem Umfang der Besteuerung. Für Unternehmen mit einem hohen Bestand von Verwaltungsvermögen wird die Reform deshalb Nachteile haben. Zum nicht begünstigten Verwaltungsvermögen gehören beispielsweise an Dritte vermietete Grundstücke und das Wertpapierdepot. Finanzmittel (liquides Vermögen und Forderungen) rechnen nur hinzu, soweit ein gesetzlich definierter Überbestand besteht. Unschädlich ist danach ein Nettobestand (nach Abzug von Schulden) von 15 Prozent des Unternehmenswerts.


Auf Anregung des Vermittlungsausschusses wurden neu in den Verwaltungsvermögenskatalog aufgenommen: Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge und sonstige typischerweise der privaten Lebensführung dienende Gegenstände.

Für Altersversorgungsverpflichtungen und Grundstücke, die dem Absatz eigener Produkte dienen, wurden Erleichterungen geschaffen, indem diese ausdrücklich vom Verwaltungsvermögen ausgenommen wurden.

Erleichterungen durch Anpassung der Unternehmensbewertung

Für viele Familienunternehmen kann die Reform aufgrund der zukünftig günstigeren Bewertung zu einer geringeren Steuerlast führen. Wird der Unternehmenswert nicht aufgrund eines Gutachtens, sondern im gesetzlich vorgesehenen vereinfachten Ertragswertverfahren ermittelt, werden sich aufgrund der Senkung des Kapitalisierungsfaktors von derzeit rund 18 auf einen festen Faktor von 13,75 um fast ein Viertel geringere Unternehmenswerte ergeben.

Die geänderte Bewertung soll rückwirkend bereits zum 01. 06. 2016 zur Anwendung kommen. Hierbei hat der Gesetzgeber aber offensichtlich übersehen, dass bei Ermittlung der für die frühere Begünstigung maßgebenden Verwaltungsvermögensquote ein niedriger Unternehmenswert auch von Nachteil sein kann. Ob die rückwirkende Anwendung dieser Bewertungsregelung vor den Gerichten halten wird, ist deshalb fraglich.

Womit müssen Großerwerbe rechnen?

Die eigentlichen Verlierer der Erbschaftsteuerreform sind die sogenannten Großerwerbe. Dies sind Unternehmenserwerbe ab 26 Mio. Euro begünstigten Vermögens pro Erwerber. Erwerbe innerhalb von 10 Jahren sind einzubeziehen. Diese Erwerbe können nicht mehr in vollem Umfang von den Steuerbegünstigungen profitieren. Der Erwerber kann zwischen verschiedenen Verschonungskonzepten wählen. Es besteht die Möglichkeit, ein sogenanntes Abschlagsmodell zu beantragen, bei welchem der Prozentsatz der Steuerbefreiung bis zu einem Unternehmenserwerb von 90 bzw. 89,75 Mio. Euro stufenweise abschmilzt. Ab einem Erwerb von 90 bzw. 89,75 Mio. Euro wird kein Abschlag mehr gewährt und es fällt die volle Steuerbelastung an.

Alternativ kann der Erwerber die sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung wählen. In diesem Fall muss die Hälfte des vorhandenen und erworbenen Privatvermögens sowie des nicht begünstigten Betriebsvermögens eingesetzt werden, um die Erbschaftsteuer zu bezahlen. Nur soweit die Hälfte dieses Vermögens nicht ausreicht, kann die Erbschaftsteuer erlassen werden.

Insbesondere für Großerwerbe wird zukünftig die Steuerlast durch frühzeitige Gestaltungen deutlich reduziert werden können. In Frage kommen beispielsweise zeitlich gestaffelte Unternehmensübertragungen, die Übertragung auf mehrere Erwerber oder auch die Einbeziehung von Familienstiftungen in die Gestaltungsüberlegungen.

Sonderregelungen für Familienunternehmen

Sogenannte qualifizierte Familienunternehmen, deren Gesellschaftsverträge kumulativ Abfindungs-, Ausschüttungs- und Verfügungsbeschränkungen vorsehen, können zukünftig einen Vorababschlag von bis zu 30 Prozent auf den Unternehmenswert zusätzlich zu den bereits genannten Verschonungen erhalten. Beispielsweise müssen Ausschüttungen auf 37,5 Prozent des Gewinns nach Abzug bzw. Entnahme von Einkommensteuern begrenzt sein. Eine Übertragung von Anteilen darf nur auf Angehörige, Mitgesellschafter oder Familienstiftungen zugelassen sein. Dieser Vorababschlag ist davon abhängig, dass die gesellschaftsvertraglichen Regelungen 2 Jahre vor und 20 Jahre nach der Schenkung bestehen. Insbesondere aufgrund der langen nachlaufenden Frist wird der Vorababschlag in der Praxis voraussichtlich nur in wenigen Fällen zur Anwendung kommen.

Weitere Änderungen

Der bisher in Beteiligungsketten denkbare Kaskadeneffekt wird zukünftig dadurch vermieden, dass auch das schädliche Verwaltungsvermögen in untergeordneten Gesellschaften auf oberster Ebene konsolidiert wird und insoweit eine Begünstigung ausscheidet.

Im Erbfall sollen Investitionen von zunächst nicht begünstigtem Vermögen, die gemäß dem „vorgefassten Plan” des Erblassers innerhalb von 2 Jahren nach dessen Tod für Investitionen in begünstigtes Vermögen getätigt werden, steuerlich rückwirkend begünstigt werden.

Im Erbfall kann eine Stundung der Erbschaftsteuer auf einen Zeitraum von bis zu 7 Jahren erfolgen. Nur das erste Jahr der Stundung ist zinsfrei, für die Folgejahre fällt der gesetzlich vorgesehene Zins von 6 Prozent pro Jahr an, sodass diese Stundung in der Praxis nicht wirklich attraktiv ist.

Mit bürokratischen Änderungen müssen kleinere Unternehmen mit 6 bis 20 Mitarbeitern rechnen. Diese waren bisher vom Lohnsummennachweis während der Behaltensfrist befreit. Zukünftig müssen auch diese Unternehmen die Lohnsumme nachweisen.

Ausblick

Für Familienunternehmen und -unternehmer ist mit dem neuen Gesetz zwar im Grunde wieder Rechtssicherheit gegeben, was zu begrüßen ist. Dennoch bleiben in der praktischen Anwendung des Gesetzes viele Fragen offen. Die Finanzverwaltung hat bereits eine klarstellende Verwaltungsanweisung angekündigt.

Insgesamt ist festzustellen, dass die Änderungen viel moderater ausgefallen sind, als nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts erwartet wurde. Allerdings wird das neue Recht zukünftige Unternehmensübertragungen deutlich aufwendiger und komplizierter machen, was einen größeren Beratungs- und Gestaltungsaufwand erfordert. Insbesondere für Großerwerbe, für die die Steuerlast zukünftig erheblich steigen wird, werden gut geplante und frühzeitige Gestaltungen in Betracht gezogen werden müssen. Zudem sollten auch die Gesellschaftsverträge daraufhin überprüft werden, ob eine Anpassung in Betracht kommt, um den Vorababschlag zu erhalten.

 

Luise Uhl-Ludäscher

Steuerberaterin, CMS Hasche Sigle Partnerschaft von Rechtanwälten und Steuerberatern mbB, Berlin
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