15.12.2016

Sorgfalt und Augenmaß entscheiden

Korruptionsbekämpfung bei Behörden und öffentlichen Unternehmen

Sorgfalt und Augenmaß entscheiden

Korruptionsbekämpfung bei Behörden und öffentlichen Unternehmen

Sorgfalt und Augenmaß sind auch bei der Korruptionsbekämpfung entscheidend. | © HLPhoto - Fotolia
Sorgfalt und Augenmaß sind auch bei der Korruptionsbekämpfung entscheidend. | © HLPhoto - Fotolia

Immer neue Compliance-Richtlinien und Compliance-Systeme führen im öffentlichen Sektor eher zu mehr Bürokratie als zu effektiver Korruptionsbekämpfung. Die eigentlich originäre Aufgabenerfüllung wird von Kontroll- und Überwachungsaufgaben überlagert.

Ein Grund für diesen Eindruck ist, dass in Wahrheit bestimmte Grundsätze der Korruptionsprävention schon seit Jahrzehnten in der Verwaltung und in öffentlichen Unternehmen gelebt werden. Dazu gehören das Mehr-Augen-Prinzip, das Transparenzgebot und das Verbot der Annahme von Vorteilen.

Zu viele Compliance-Maßnahmen schaden oft eher, als dass sie nützen. Das Motto „viel hilft viel“ wirkt im Bereich der Korruptionsprävention schnell kontraproduktiv. Ein Wirrwarr von Informationszetteln, Belehrungsbögen und Checklisten erzeugt buchstäblich Verwirrung. Statt Akzeptanz entsteht Ablehnung bei den Mitarbeitern.


Diese unerwünschten Folgen lassen sich vermeiden, wenn die Verantwortlichen drei elementare Grundsätze nicht aus dem Blick verlieren:

1. Angemessenheit des Compliance-Systems an konkrete Bedürfnisse, Vorschriften und Ziele

2. Sorgfältige Etablierung und laufende Anpassung

3. Die Güte eines Compliance-Systems zeigt sich daran, dass es die Arbeit erleichtert.

Insbesondere das Führungspersonal sollte sich im Klaren darüber sein, dass die Einführung eines Compliance-Systems trotz eines anfänglich intensiven und später regelmäßigen Aufwandes auch zu einer Haftungsentlastung führt. Ein eingeführtes und regelmäßig angewendetes Compliance-System ermöglicht den Nachweis, dass den Überwachungs- und Kontrollpflichten ordnungsgemäß nachgekommen wurde.

Regelungskomplexe und Rechtsquellen der Compliance

In der Kommunalverwaltung wird unter dem Begriff „Compliance“ das Einhalten von Regeln zur Korruptionsbekämpfung zusammengefasst. Im deutschen Recht finden sich Compliance-Vorschriften im Strafgesetzbuch, in den Beamtengesetzen, in Richtlinien, Verwaltungsvorschriften sowie in den Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst. Im Strafgesetzbuch sind in dem Abschnitt „Straftaten im Amt“ u. a. die Straftatbestände „Vorteilsannahme“ (§ 331 StGB, „Bestechlichkeit“ (§ 332 StGB), „Vorteilsgewährung“ (§ 333 StGB) und „Bestechung“ (§ 334 StGB) geregelt.

Beispiel für „Bestechlichkeit“ gemäß § 332 StGB, die mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft wird:

Ein Entsorgungsunternehmen lädt einen Bürgermeister in die VIP-Lounge eines Bundesliga-Clubs ein, nachdem es erfahren hat, dass die Stadt einen großen Auftrag für die Entsorgung von Papier, Pappe und Karton vergibt. Anschließend vergibt die Stadt den Entsorgungsauftrag auf das überteuerte Angebot des Entsorgungsunternehmens. Der Bürgermeister hatte an der Zuschlagsentscheidung maßgeblich mitgewirkt und gegen § 97 Abs. 5 GWB verstoßen. („Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt.“)

Zu beachten ist die Amtsträgereigenschaft, die zu einer Strafschärfung führt. „Amtsträger“ sind Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst. Dazu gehören auch Geschäftsführer von Kommunal-AGs und GmbHs: beispielsweise die Vorstände der Stadtwerke AG oder der örtlichen Verkehrsgesellschaft, die den Bus- und Bahnverkehr betreibt. Ferner Geschäftsführer und Mitarbeiter kommunaler Wohnungsbaugesellschaften, Geschäftsführer einer kommunalen Fernwärmeversorgungs-GmbH oder der ehrenamtliche Vorsteher eines Zweckverbands „Gewerbe- und Industriegebiete“.

Vorschriften für die öffentliche Verwaltung

Die Antikorruptionsmaßnahmen in der Bundesverwaltung sind in der „Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung“ vom 30. 07. 2004 geregelt. Für NRW beispielsweise gilt der „Runderlass Korruptionsbekämpfung NRW vom 20. 08. 2014“. Die Broschüre „Regelungen zur Integrität“ des Innenministeriums und die Website enthalten weitergehende Empfehlungen und Verwaltungsvorschriften. Dazu zählen die Handreichung zur Feststellung besonders korruptionsgefährdeter Arbeitsgebiete, die Handreichung zur Umsetzung der Rotation in besonders korruptionsgefährdeten Bereichen und ein FAQ zum Umfang mit Geschenken. Diese Dokumente können entsprechend für die Kommunalverwaltung eingesetzt werden.

Das Verbot der Annahme von Geschenken ist in § 42 BeamtStG geregelt. Neben Geldzahlungen und Sachwerten kommen auch andere Leistungen in Betracht: Der Gebrauch oder Verbrauch von Gegenständen (Kfz, Baumaschinen oder Benzin); Gutscheine, Tickets oder Vorzugspreise. Mehr Informationen im „Rundschreiben zum Verbot der Annahme von Belohnungen oder Geschenken in der Bundesverwaltung“ vom 08. 11. 2004.

Beamten- und arbeitsrechtliche Konsequenzen bei Korruption

Bei einer Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten endet das Beamtenverhältnis mit der Rechtskraft des Urteils (§ 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). In allen Fällen von Korruption, auch unterhalb der Strafbarkeitsschwelle, ergeben sich disziplinar- und arbeitsrechtliche Konsequenzen. Für Dienstvergehen kommen auf Grundlage der Landesdisziplinargesetze unterschiedlich gravierende Disziplinarmaßnahmen in Betracht. Dazu gehören der Verweis (schriftlicher Tadel eines bestimmten Verhaltens), die Geldbuße, die Kürzung der Dienstbezüge, die Zurückstufung (Versetzung in ein Amt derselben oder einer gleichwertigen Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt) und im schweren Fall die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

Bei Arbeitnehmern ist bei schuldhafter Pflichtverletzung zu prüfen, ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt. In weniger schwerwiegenden Fällen kommen arbeitsrechtliche Maßnahmen wie eine Abmahnung in Betracht.

Maßnahmen der Korruptionsprävention

Die Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung lassen sich im Wesentlichen sechs Bereichen zuordnen:

a) Feststellung korruptionsgefährdeter Arbeitsbereiche

b) Mehr-Augen-Prinzip

c) Transparenz

d) Personalauswahl und Personalrotation

e) Dienst- und Fachaufsicht

f) Anzeige- und Genehmigungspflicht von Nebentätigkeiten.

 

a) Feststellung korruptionsgefährdeter Arbeitsbereiche

Korruptionsgefährdete Bereiche sind insbesondere dort anzunehmen, wo Einfluss auf Aufträge, Fördermittel oder auf Genehmigungen, Gebote oder Verbote genommen werden kann. § 19 KorruptionsbG NRW verpflichtet die Leiterinnen und Leiter der öffentlichen Stellen, entsprechend dem Grad der Korruptionsgefährdung Maßnahmen zur Prävention zu treffen. Vergleichbare Regelungen finden sich in allen Landesgesetzen.

b) Mehr-Augen-Prinzip

Die Beteiligung bzw. Mitprüfung durch mehrere Beschäftigte und Organisationseinheiten ist in gefährdeten Bereichen sicherzustellen. § 20 KorruptionsbG NRW sieht beispielsweise vor: „Die Entscheidung über die Vergabe von Aufträgen, deren Wert 500 € ohne Umsatzsteuer übersteigt, ist von mindestens zwei Personen innerhalb der öffentlichen Stelle zu treffen.”

c) Transparenz

Das Transparenzgebot wird insbesondere durch Zuständigkeitsregelungen, Trennung der Verfahrensabläufe, Berichtswesen, Vorgangskontrolle und Dokumentation gewährleistet. Vergleiche dazu Nr. 2.2 Runderlass Korruptionsbekämpfung NRW vom 20. 08. 2014.

d) Personalauswahl- und Personalrotation

In korruptionsgefährdeten Arbeitsgebieten ist das Personal mit besonderer Sorgfalt auszuwählen und darf nicht länger als 5 Jahre ununterbrochen eingesetzt werden. Straf- oder disziplinarrechtliche Ermittlungen, nicht geordnete Verhältnisse oder soziale Probleme wie Alkohol-, Drogen- oder Spielsucht sind zu berücksichtigen. Mehr dazu in den „Empfehlungen zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung“ vom 09. 12. 2012, zu Nr. 4.

e) Dienst- und Fachaufsicht

In korruptionsgefährdeten Arbeitsgebieten sind Dienst- und Fachaufsicht verpflichtet, geeignete Kontrollmechanismen umzusetzen. Diese reichen von der Vorgangskontrolle bis hin zur Einrichtung einer Innenrevision.

f) Anzeige-/ Genehmigungspflicht von Nebentätigkeiten

Nebentätigkeiten sind gemäß § 40 Beamtenstatusgesetz, §§ 49 ff. Landesbeamtengesetz NRW und § 3 Abs. 3 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst anzeige- bzw. genehmigungspflichtig.

 

Dr. Michael Terwiesche

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Düsseldorf
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