15.12.2016

Haftungsrisiken für handelnde Beamte?

Sicherheitskonzepte für Großveranstaltungen schaffen Transparenz (1)

Haftungsrisiken für handelnde Beamte?

Sicherheitskonzepte für Großveranstaltungen schaffen Transparenz (1)

Des einen Freud, des anderen Leid: die Besuchermassen auf Weihnachtsmärkten. | © Jürgen Fälchle - Fotolia
Des einen Freud, des anderen Leid: die Besuchermassen auf Weihnachtsmärkten. | © Jürgen Fälchle - Fotolia

Die allgemeine Sicherheitslage hat sich in den vergangenen 18 Monaten in Deutschland dramatisch verändert. Damit einhergehend sind die Anforderungen an qualifizierte Sicherheitskonzepte für Großveranstaltungen erheblich gestiegen.

Nicht selten werden diese Großveranstaltungen von kommunalen Trägern veranstaltet und verantwortet. Sollte es zu Sach- und/oder Personenschäden im Zusammenhang mit den Sicherheitskonzepten bei diesen Veranstaltungen kommen, stellen sich eine Reihe konkreter Haftungsfragen für die handelnden Beamten, die wir im nachstehenden Beitrag kurz umreißen wollen. Im Wesentlichen sind dies die Fragen der zivilrechtlichen (Beamten-)Haftung (Teil 1), etwaige strafrechtliche Risiken für vermeintliches Fehlverhalten sowie dienst und disziplinarrechtliche Konsequenzen (Teil 2).

Zivilrechtliche Haftung

Im Bereich der zivilrechtlichen Haftung stellt sich die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Haftung der handelnden Personen im Wege der Amtshaftung von einer staatlichen Körperschaft übernommen wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass primärer Anspruchsgegner bei Sach- oder Personenschäden im Zusammenhang mit Veranstaltungen der Veranstalter selbst ist. Dieser hat die organisatorische Sachherrschaft über die Veranstaltung inne. Im Verhältnis zum Veranstalter ist sodann die deliktische Haftung nach §§ 823 ff. BGB von der vertraglichen Haftung zu unterscheiden, wobei Letztere eine schuldrechtliche Beziehung zwischen dem Veranstalter und den geschädigten Personen voraussetzt. Kommunale Veranstaltungen wie beispielweise Weihnachtsmärkte oder Jahrmärkte sind jedoch ganz überwiegend öffentliche Einrichtungen, bei denen keine, auch keine konkludente geschlossene privatrechtliche Vereinbarung der Besucher mit dem Veranstalter zustande kommt.


Im Rahmen der deliktischen Haftung setzt die bereits erwähnte Sonderregelung der Beamtenhaftung (§ 839 BGB) voraus, dass ein Beamter (im haftungsrechtlichen Sinne) vorsätzlich oder fahrlässig eine ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt. Verursacht jemand, der nicht Beamter im haftungsrechtlichen Sinne ist, oder ein Beamter außerhalb seiner Amtspflichten schuldhaft einen Schaden, dann haftet er wie jeder andere Bürger nach § 823 ff. BGB.

Wesentliches Kriterium zur Beurteilung der Frage, ob ein handelnder Amtsträger im Rahmen seiner Amtspflichten gehandelt hat, sind Unterlagen, die seine konkreten Amtspflichten beschreiben. Dies können arbeitsvertragliche Vereinbarungen, konkrete Arbeitsplatzbeschreibungen sowie dienstliche Anweisungen und allgemeine Beschreibungen – etwa in Organigrammen – sein. Für die Prüfung der Voraussetzungen kann weiter von Relevanz sein, ob die handelnden Personen über ihre eigentliche Vergütung/Alimentation hinaus eigenwirtschaftliche Interessen mit der Veranstaltung verfolgen. Dies kann beispielsweise dann angenommen werden, wenn sie vom wirtschaftlichen Erfolg der Veranstaltung persönlich profitieren.

Ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Prüfung der Beamtenhaftung ist die Drittgerichtetheit der jeweiligen Amtspflicht. Der Geschädigte hat nur dann einen Amtshaftungsanspruch, wenn die verletzte Amtspflicht gerade auch ihm gegenüber bestand. Im Zusammenhang mit den erwähnten Veranstaltungen sind dies vor allem Verkehrssicherungs- und Gefahrenabwehrpflichten, die regelmäßig drittbezogen sind. Derlei Amtspflichten dienen grundsätzlich dazu, Schadenereignisse wie die im Sicherheitskonzept befürchteten zu vermeiden. Potenziell Geschädigte dürften mithin ganz regelmäßig in den geschützten Personenkreis der hiermit verbundenen Amtspflichten fallen.

Eine diffizile Prüfung ist sodann bei der Frage notwendig, inwieweit der konkrete Amtsträger schuldhaft seine Amtspflichten verletzt hat. Die vorsätzliche Begehung ausgeklammert, ist dabei vor allem der anzulegende Sorgfaltsmaßstab bei der Beurteilung eines etwaigen Fahrlässigkeitsvorwurfs von Relevanz. Hier ist auf einen pflichtgetreuen Durchschnittsbeamten abzustellen, der die zur Führung seines Amtes notwendigen Rechts- und Verwaltungskenntnisse besitzt. Teilweise werden gewisse subjektive Elemente der Vorwerfbarkeit auch bereits auf der Tatbestandebene der Amtspflichtverletzung gewürdigt – insbesondere bei den im Rahmen von Sicherheitskonzepten relevanten Planungsfehlern. In diesen Fällen wird der Behörde bzw. den handelnden Amtsträgern angelastet, sie hätten es versäumt, eine bestimmte Gefahrensituation aufzuklären bzw. konkrete Gefahrenpotenziale zu berücksichtigen, die ihnen bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Sicher besteht insoweit keine uferlose Prüfungspflicht „ins Blaue hinein”; verfügbare Quellen und Informationen müssen aber ausgeschöpft werden. Außerdem sind Erfahrungswerte aus vorangegangenen Veranstaltungen zu berücksichtigen.

Im Zusammenhang mit größeren Veranstaltungen stellt bei der Prüfung des Sorgfaltsmaßstabs jedes einzelnen Beamten das Zusammenwirken mit anderen Stellen eine weitere Schwierigkeit dar. Grundsätzlich trägt jeder Beamte selbst die persönliche Verantwortung für die Wahrnehmung seiner Amtsgeschäfte. Dies gilt auch beim Zusammenwirken mehrerer – oder gar vieler – Amtsträger. Jeder einzelne Amtsträger muss mithin selbst vor einer Entscheidung die Sachlage in eigener Verantwortung prüfen und handelt schuldhaft, wenn er dabei die gebotene eigene Nachprüfung im Vertrauen darauf unterlässt, dass schon eine mit dem Sachverhalt unter anderen Gesichtspunkten befasste Stelle die auftauchenden Fragen ausreichend geprüft hat. Es ist sogar entschieden, dass eine eigene selbstständige Prüfung sich auch nicht dadurch erübrigt, dass die vorgesetzte Dienstbehörde des Beamten sein Verhalten stillschweigend, durch Nichtbeanstandung oder ausdrücklich gebilligt hat. Andererseits darf sich ein Amtsträger auf artikulierte Auskünfte und Auffassungen anderer Fachbehörden verlassen. Dies gilt jedenfalls solange, wie kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass er einen besseren Kenntnisstand als die Fachbehörden hat.

Schließlich muss die schuldhafte Amtspflichtverletzung noch kausal für den Schaden des Geschädigten gewesen sein. Diese Ursächlichkeit bestimmt sich danach, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Beamten genommen hätten, und wie sich die Vermögenslage des Geschädigten dann darstellen würde. Zuletzt sei noch an die gesetzlichen Haftungsausschlüsse und -beschränkungen in § 839 BGB erinnert, die in diesen Konstellationen teilweise auch zum Tragen kommen.

Hat nach alledem, unter den genannten Voraussetzungen, ein Beamter bei der Ausübung seines Amtes einen Schaden verursacht (§ 839 BGB), dann geht diese Haftung nach den Grundsätzen des Art. 34 GG auf diejenige Körperschaft über, in deren Diensten der pflichtwidrig handelnde Amtsträger zum Zeitpunkt der Amtspflichtverletzung stand. Sind für denselben Schaden mehrere Beamte aus Amtspflichtverletzungen verantwortlich, die obendrein noch unterschiedlichen Körperschaften angehören (beispielsweise Kommunalbeamte und Polizeibeamten im Landespolizeidienst), so übernehmen beide Körperschaften nach Art. 34 GG für ihre Beamten die jeweilige Haftung und haften gegenüber den Geschädigten gesamtschuldnerisch (§§ 840, 425 BGB). Gelten demgegenüber unterschiedliche Haftungsmaßstäbe, sind die Haftungsprivilegierungen nach § 839 BGB zu berücksichtigen, was zu einer subsidiären Haftung einzelner Körperschaften führen kann.

Hinweis der Redaktion: In einem Folgebeitrag werden etwaige strafrechtliche Risiken für vermeintliches Fehlverhalten sowie dienst- und disziplinarrechtliche Konsequenzen untersucht.

 

Christian Alexander Mayer

Rechtsanwalt, Noerr LLP, München,
Lehrbeauftragter für Umweltrecht & Regulierung (Universität Stuttgart)
 

Dr. Martin Schorn

Rechtsanwalt, Noerr LLP, München
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