03.09.2024

Stellen-Nichtantritt durch Langzeitarbeitslosen muss kein sozialwidriges Verhalten sein

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.01.2023 – L 11 AS 336/21

Stellen-Nichtantritt durch Langzeitarbeitslosen muss kein sozialwidriges Verhalten sein

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.01.2023 – L 11 AS 336/21

Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV

Tritt ein Langzeitarbeitsloser eine Stelle nicht an, weil er dafür umziehen müsste und die Mietkaution für die neue Wohnung nicht bezahlen kann, so kann das Jobcenter keine Grundsicherungsleistungen zurückverlangen, wenn es zuvor die Übernahme der Kaution abgelehnt hatte. Der unterlassene Arbeitsantritt könne dann nämlich nicht als sozialwidriges Verhalten gewertet werden, so das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen.

Zum Sachverhalt

Der 1962 geborene Betroffene aus Osnabrück hatte bis 2003 als Buchhalter gearbeitet. Danach folgten Zeiten der Arbeitslosigkeit und verschiedene Hilfsarbeiten. Viele Jahre hatte sich der Mann erfolglos auf Stellen als Buchhalter beworben, bis das Jobcenter schließlich ab 2017 keine weiteren Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen mehr übernahm.

Es müsse ein Strategiewechsel stattfinden, da Bewerbungen als Buchhalter nach so langer Zeit nicht mehr erfolgversprechend seien. Überraschend erhielt der Mann dennoch 2019 einen Arbeitsvertrag als Buchhalter bei einer Behörde in Düsseldorf. Zur Arbeitsaufnahme kam es jedoch nicht, weil das Jobcenter die Übernahme der Mietkaution für eine neue Wohnung ablehnte und er deshalb nicht umziehen konnte. 2020 machte das Jobcenter gegenüber dem Mann eine Erstattungsforderung wegen sozialwidrigen Verhaltens geltend, da er nicht zum Einstellungstermin erschienen sei und damit vorsätzlich das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses verhindert habe. Er müsse daher Grundsicherungsleistungen von rd. 6 800 € erstatten. Hiergegen klagte der Mann. Er habe das Unterlassen des Arbeitsantritts nicht zu verschulden. Den Mietvertrag in Düsseldorf habe er nicht unterschrieben, weil er kein Geld für die Kaution gehabt habe und noch nicht aus seinem alten Mietvertrag entlassen gewesen sei.


LSG sieht kein sozialwidriges Verhalten

Das LSG hat die Rechtsauffassung des Klägers bestätigt. Der Nichtantritt einer außerhalb des Tagespendelbereichs gelegenen Arbeitsstelle stellt kein sozialwidriges Verhalten i. S. eines objektiven Unwerturteils dar, wenn der Arbeitsuchende am künftigen Beschäftigungsort keine Wohnung anmieten kann, weil ihm selbst die Mittel für eine Mietkaution fehlen und das Jobcenter die Übernahme der Mietkaution abgelehnt hat.

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.01.2023 – L 11 AS 336/21 –.

Entnommen aus Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz 19/2024, Rn. 208.

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