Hinweise zur Verkehrssicherung im Wald und auf Waldwegen
Aktuelle Rechtslage
Hinweise zur Verkehrssicherung im Wald und auf Waldwegen
Aktuelle Rechtslage
Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität hat mit Schreiben vom 17.01.2024 an die Forstämter aktualisierte „Hinweise zur Verkehrssicherung“ (Stand: Dezember 2023) veröffentlicht. Hintergrund sind die erhöhten Verkehrsgefahren im Wald und auf Waldwegen infolge der klimawandelbedingten Waldschäden.
Aktuelle Rechtslage
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 BWaldG i. V. m. § 22 Abs. 1 S. 1 u. 2 LWaldG darf jeder Wald zum Zwecke der Erholung betreten werden, wobei das Betreten auf eigene Gefahr erfolgt. In § 22 Abs. 1 S. 3 LWaldG wird weiter ausgeführt, dass neue Sorgfaltspflichten oder Verkehrssicherungspflichten der Waldbesitzenden hierdurch nicht begründet werden. Diese Formulierung macht deutlich, dass durch das freie Betretungsrecht keine Haftungserweiterung der Waldbesitzenden entstehen soll, andererseits aber die „allgemeine“ Verkehrssicherungspflicht (VSP) unberührt bleibt. Mit der Ergänzung in § 14 Abs. 1 S. 4 BWaldG, dass die Haftungsbeschränkung im Wald insbesondere für waldtypische Gefahren gilt, wurden die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gesetzlich verankert.
Bei der allgemeinen VSP unterscheidet die Rechtsprechung zwischen waldtypischen und atypischen Gefahren, wobei die Waldbesitzenden den Waldbesucher lediglich, soweit möglich und zumutbar, vor den atypischen Gefahren schützen müssen (BGH vom 2. Oktober 2012 – VI ZR 311/11, NJW 2013, 48).
Waldtypische Gefahren sind solche, die sich aus der Natur oder der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes unter Beachtung der jeweiligen Zweckbestimmung ergeben. Auf diesen vorgegebenen Waldzustand (Wege und Bestände)muss sich grundsätzlich jeder Waldbesuchende im Rahmen seiner Eigenverantwortung einstellen. Beispiele: Trockenäste in Baumkronen, Reisig im Bestand, herabhängende Äste, absterbende und abgestorbene Bäume, Schlaglöcher, unbefestigte Randstreifen und Engstellen, Auswaschungen, Steine, Wurzeln oder Glatteis.
Atypische Gefahren im Wald sind alle nicht durch die Natur oder die Bewirtschaftung vorgegebenen Zustände. Dies ist anzunehmen bei vom Waldbesitzer selbst oder Dritten geschaffenen Gefahrenquellen, mit denen ein vorsichtiger Waldbesuchender nicht rechnen muss, bzw. in Fällen, bei denen der Waldbesitzende einen „besonderen Verkehr“ eröffnet, anzieht oder duldet. Beispiele: Forstschranken oder sonstige Hindernisse, Brücken, Treppen, Geländer, Sitzbänke und Schutzhütten, Spielgeräte, gefährliche Abgrabungen, aufgelassene historische Steinbrüche, Bodenschächte und ungewöhnliche Fahrbahnverschmutzungen. Die Rechtslage hinsichtlich bestehender Verkehrssicherungspflichten im Wald hat sich trotz der erhöhten Risiken und veränderten Ausgangslage der waldtypischen Gefahren bislang nicht geändert. Das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs zur Verkehrssicherungspflicht aus dem Jahr 2012, mit dem festgestellt wurde, dass eine Haftung des Waldbesitzenden wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für waldtypische Gefahren grundsätzlich nicht besteht, hat trotz der zunehmenden Verkehrsgefahren infolge der klimawandelbedingten Vitalitätsverluste und des vermehrten Anteils von ungepflegten Prozessschutzflächen im Wald Fortbestand.
Das OLG Naumburg (Urt. v. 15.12.2020 – 2 U 66/20 –) hat entschieden, dass auf dem touristisch beworbenen Harzer-Hexen-Stieg in dem konkreten Fall, bei dem der Kläger von einem herabstürzenden Baum erfasst und schwer verletzt wurde, keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch die waldbesitzende Stadt Thale vorliege. Unter Bezugnahme auf die geltende Rechtslage in Sachsen-Anhalt und die o. g. Rechtsprechung des BGHs könne der Waldbesucher, der auf eigene Gefahr den Wald betrete, nicht erwarten, dass der Waldbesitzende Sicherungsmaßnahmen gegen waldtypische Gefahren ergreift. Vielmehr hafte der Waldbesitzende selbst auf stark frequentierten und touristisch beworbenen Waldwegen nicht für waldtypische Gefahren. „Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Waldnutzung im Verlauf der Jahre zugenommen hat. Auch an stark frequentierten Waldwegen werden die Haftungsrisiken relevant, die nach den gesetzlichen Vorschriften der Waldbesucher tragen soll.“
Aus dieser aktuellen Rechtsprechung lässt sich ableiten, dass Risiken, die ein freies Bewegen in der Natur mit sich bringt, grundsätzlich zum entschädigungslos hinzunehmenden allgemeinen Lebensrisiko gehören. Selbst auf Premiumwanderwegen gelte keine Haftung der Waldbesitzenden für waldtypische Gefahren. Ausnahme: Eine Verkehrssicherungspflicht im Hinblick auch auf waldtypische Gefahren wie Astabbruch oder Baumumsturz trifft den Waldeigentümer bei an öffentliche Straßen angrenzenden Waldrändern sowie innerhalb des Waldes auch dort, wo er besondere Einrichtungen für die Öffentlichkeit vorhält oder eröffnet, mit welchen er gezielt Besucher anlockt und bei diesen eine gesteigerte Sicherheitserwartung herbeiführt, wie z. B. Waldspielplätze, Grillplätze, Schutzhütten oder ausgewiesene Parkplätze. Dies bedeutet, dass jeder Einzelfall auch individuell betrachtet werden muss. Jeder Waldbesitzende, also auch die Kommunen, Private oder das Land, muss für sich die örtliche Situation im Lichte der Rechtslage selbst einschätzen und entsprechend handeln.
Jenseits der vorgenannten besonderen Einrichtungen würde es jedoch eine Überforderung der an einen Waldbesitzenden zu stellenden Anforderungen bedeuten, wollte man verlangen, alle abgestorbenen Bäume in der Nähe von Wanderwegen auf ihre Bruch- oder Umsturzgefahr zu untersuchen, wenn nicht besondere Anhaltspunkte für eine zeitlich nahe Gefahrensituation vorliegen.
Umfang der Verkehrssicherungspflicht
Der Begriff der Verkehrssicherungspflicht ist gesetzlich nicht definiert, lässt sich aber wie folgt umschreiben: Wer in seinem Verantwortungsbereich durch Eröffnung, Unterhaltung oder – mit Einschränkungen – auch Duldung eines Verkehrs auf seinem Grundstück oder auf andere Weise Quellen für Gefahren schafft oder andauern lässt, hat Vorkehrungen zu treffen, die dem Schutz Dritter vor diesen Gefahren dienen. Anspruchsgrundlage für einen evtl. Schadenersatzanspruch aufgrund einer Verletzung der VSP ist § 823 Abs. 1 BGB, wonach derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist.
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Praktische Durchführung der Verkehrssicherung
Der Aufgabenkatalog der staatlichen Forstämter regelt die Wahrnehmung der Aufgaben im Zusammenhang mit der VSP durch die Revierleitung. Auf den Grundsatz, dass abgestorbene und absterbende Bäume an öffentlichen Straßen, Bahnlinien, Bebauungen, Erholungseinrichtungen und Parkplätzen umgehend zu entfernen sind, wird hingewiesen.
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Verantwortung für die Durchführung
Nach dem Aufgabenkatalog der staatlichen Forstämter obliegt die Gefahrenanalyse und Vorbereitung von Verkehrssicherungsmaßnahmen der Revierleiterin bzw. dem Revierleiter.
Die Wahrnehmung der Baumkontrollen im Körperschaftswald ist finanziell bei staatlichem Revierdienst von den Betriebskostenbeiträgen abgedeckt. Die Finanzierung der durchzuführenden erforderlichen VSP-Maßnahmen erfolgt über den Wirtschaftsplan. Die zivilrechtliche Haftung im öffentlichen Wald trifft im Falle einer Verletzung der VSP im Staatswald das Land und im Körperschaftswald die Kommune unabhängig davon, ob der Revierdienst durch staatliche oder kommunale Revierleiter versehen wird.
Im Privatwald trägt der private Waldbesitzende als Eigentümer das aus der Verkehrssicherungspflicht resultierende Haftungsrisiko. Im Privatwald ist es grundsätzlich nicht Aufgabe der Revierleitung, regelmäßige Baumkontrollen im Rahmen der VSP durchzuführen. Werden akute Gefahren im Privatwald festgestellt, sind diese den Waldbesitzenden oder der zuständigen allgemeinen Ordnungsbehörde zu melden. Die im Rahmen der VSP erforderlichen Kontrollen und Maßnahmen im Privatwald fallen nur dann in den Verantwortungsbereich der Revierleitung bzw. ggf. der Leitung der Technischen Produktion, wenn der private Waldbesitzer diese Aufgaben gem. § 31 Abs. 2 LWaldG dem Forstamt übertragen hat.
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz 9/2024, Rn. 71.