26.09.2024

Sicherheitsrechtliche Anordnung zur Beseitigung von Straßensperren

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 08.01.2024 – 8 CS 23.1629

Sicherheitsrechtliche Anordnung zur Beseitigung von Straßensperren

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 08.01.2024 – 8 CS 23.1629

© Thomas Söllner
© Thomas Söllner

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat geurteilt, dass bei der Sperrung von Verkehrsflächen im Wege unerlaubter Selbsthilfe eine Gemeinde hiergegen mit einer Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 LStVG i. V. m. § 32 Abs. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO vorgehen kann.

Sachverhalt

Die Antragstellerin im Eilverfahren ist Eigentümerin eines Grundstücks, über das ein Geh- und Radweg verläuft, der mit Zustimmung des damaligen Eigentümers mit Allgemeinverfügung vom 26.10.2016 zum beschränkt-öffentlichen Geh- und Radweg gewidmet wurde.

Nachdem die Antragsgegnerin im Juli 2023 erfahren hatte, dass die Antragstellerin den Geh- und Radweg mit Hilfe eines Metallzauns sowie einer Warnbake mit Absperrkette gesperrt hat, forderte diese die Antragstellerin mit Bescheid auf, unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen nach Zustellung des Bescheids, die Absperrungen zu beseitigen.


Durch die Absperrungen sei der Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 32 StVO i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO erfüllt. Die Beseitigungsanordnung nach Art. 7 Abs. 2 LStVG stehe im Ermessen der Behörde. Die Absperrungen seien rechtswidrig errichtet worden. Die Beseitigungsanordnung sei wegen der bestehenden Unfallgefahr erforderlich. Es handle sich um einen vielbefahrenen Geh- und Radweg, der an dieser Stelle abschüssig sei.

Mildere Mittel seien nicht ersichtlich, um den Eintritt von Schäden an den Verkehrsteilnehmern, die den Geh- und Radweg benutzen, zu verhindern. Die Anordnung sei auch verhältnismäßig. Die Antragstellerin sei Zustandsstörerin. Gegen die Anordnung klagte die Antragstellerin und stellte einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Weder Verwaltungsgericht noch VGH gaben dem Antrag statt.

Im Beschluss des VGH wird dazu Folgendes ausgeführt:

Sperrung von Verkehrsflächen im Wege unerlaubter Selbsthilfe

„Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass bei Sperrung von Verkehrsflächen im Wege unerlaubter Selbsthilfe eine Gemeinde hiergegen mit einer Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 LStVG i. V. m. § 32 Abs. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO vorgehen kann (vgl. BayVGH, B. v. 17.08.2006 – 8 ZB 06.1282 – juris Rn. 8; B. v. 15.02.2017 – 11 ZB 16.2576 – juris Rn. 9 f.).

Auch wenn wie hier gem. Art. 1 BayStrWG das Bayerische Straßen- und Wegegesetz anwendbar ist, wird die Regelung weder durch die (vorliegend gemäß Art. 56 Abs. 1, Art. 53 Nr. 2 BayStrWG ohnehin nicht einschlägige) Regelung des Art. 18b Abs. 1 Satz 1 BayStrWG noch durch Art. 29 Abs. 2 Satz 3 BayStrWG als speziellere Rechtsgrundlagen verdrängt (vgl. Art. 18b Abs. 6, Art. 29 Abs. 2 Satz 4 BayStrWG).“

Öffentlicher Verkehrsraum i. S. d. § 32 Abs. 1 Satz 1 StVO

„Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 1 StVO liegen hier vor. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 StVO ist es verboten, die Straße zu beschmutzen oder zu benetzen oder Gegenstände auf Straßen zu bringen oder dort liegen zu lassen, wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert werden kann.

Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Verkehrsraum dann öffentlich, wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird (vgl. BGH, U. v. 04.03.2004 – 4 StR 377/03 – BGHSt 49, 12 = juris Rn. 7 m. w. N.).

Umfasst werden demnach Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmet sind (vgl. BGH, U. v. 04.03.2004 – 4 StR 377/03 – BGHSt 49, 12 = juris Rn. 7; OVG LSA, B. v. 29.06.2023 – 3 L 19/23 – juris Rn. 7).

Vorliegend handelt es sich bei dem auf dem Grundstück FlNr. … verlaufenden Geh- und Radweg um eine wirksam (vgl. Art. 43 BayVwVfG) dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmete, öffentliche Straße nach Art. 1 BayStrWG. Denn der Weg ist nach Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Nr. 4, Art. 53 Nr. 2 BayStrWG als beschränkt-öffentlicher Geh- und Radweg gewidmet. Die Allgemeinverfügung über die Widmung stammt vom 26.10.2016 … Sie wurde am 28.10.2016 gem. Art. 41 Abs. 3 BayVwVfG öffentlich durch Anschlag an den Gemeindetafeln bekanntgegeben …

Gemäß der Allgemeinverfügung erfolgte die Widmung zum 01.01.2017. Die Eintragung in das Bestandsverzeichnis für beschränkt-öffentliche Wege der Antragsgegnerin erfolgte mit Verfügung vom 01.06.2017. Auf die Frage, ob es sich bei dem Weg um eine tatsächliche öffentliche Verkehrsfläche handelt, kommt es mithin nicht an.“

Zustimmung des Voreigentümers zur Widmung wirkt fort

„Soweit die Antragstellerin gegen die Widmung einwendet, dass sie nicht im Grundbuch dinglich gesichert sei, lässt sie außer Acht, dass eine dingliche Sicherung nicht erforderlich ist.

Nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayStrWG setzt eine Widmung alternativ voraus, dass der Träger der Straßenbaulast das dingliche Recht hat, über das der Straße dienende Grundstück zu verfügen, oder dass der Eigentümer und ein sonst zur Nutzung dinglich Berechtigter der Widmung zugestimmt hat oder dass der Träger der Straßenbaulast den Besitz des der Straße dienenden Grundstücks durch Vertrag, durch Einweisung oder in einem sonstigen gesetzlich geregelten Verfahren erlangt hat.

Daher genügt es, dass die Voreigentümerin am 14.10.2016 ,unwiderruflich‘ ihre Zustimmung zur beabsichtigten Widmung erteilt hat … Eine dingliche Sicherung sieht das Gesetz nicht vor. Der von der Antragstellerin erfolgte Erwerb des Grundstücks FlNr. … sei es im Wege eines Rechtsgeschäfts, sei es im Wege der Zwangsvollstreckung ließ die Rechtswirksamkeit der Widmung ebenso unberührt (vgl. Art. 6 Abs. 5 BayStrWG; BayVGH, B. v. 26.09.2018 – 8 ZB 18.1187 – juris Rn. 7).

Ein gutgläubiger lastenfreier, rechtsgeschäftlicher Erwerb ist bei öffentlichen Lasten nicht möglich, da sie grundsätzlich nicht im Grundbuch eingetragen werden (vgl. BayVGH, B. v. 20.07.2010 – 8 ZB 10.1109 – juris Rn. 11). § 52 Abs. 1 Satz 2 ZVG, wonach die Rechte an einem Grundstück erlöschen, wenn sie im Rahmen einer Zwangsversteigerung bei Feststellung des geringsten Gebots nicht berücksichtigt wurden, gilt nicht, da die Widmung kein Recht in diesem Sinn ist (vgl. BayVGH, B. v. 26.09.2018 – 8 ZB 18.1187 – juris Rn. 7).

Auch der Einwand der Antragstellerin, sie sei an die Zustimmung des Voreigentümers nicht gebunden, geht fehl. Bei der Zustimmung i. S. d. Art. 6 Abs. 3 BayStrWG handelt es sich um eine empfangsbedürftige, öffentlich-rechtliche Willenserklärung, die entsprechend § 130Abs. 1 Satz 1 BGB mit Zugang bei der zuständigen Behörde wirksam wird und grundsätzlich auch gegenüber dem Rechtsnachfolger wirkt (vgl. BayVGH, B. v. 20.07.2010 – 8 ZB 10.1109 – juris Rn. 6 m.w.N.).“

(…)

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 08.01.2024 – 8 CS 23.1629

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Bayern 16/2024, Rn. 186.

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