18.09.2024

Aktuelle Entwicklungen im Jagdrecht

OVG Sachsen-Anhalt und Thüringen

Aktuelle Entwicklungen im Jagdrecht

OVG Sachsen-Anhalt und Thüringen

Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV

Der nachstehende Überblick geht auf alle aktuellen Entwicklungen ein, die von besonderer Bedeutung für die Kommunen und die Jagdgenossenschaften sind.

 Jagdgenossenschaft: Stimmrechtsübertragung

Das OVG Sachsen-Anhalt stellt mit Beschl. v. 31.03.2023, Az.: 1M12/23, fest, dass der Landesgesetzgeber mit § 14 Abs. 4 Satz 2 LJagdG eine abschließende Regelung über die Erteilung einer Vollmacht zur Vertretung eines Jagdgenossen in der Jagdgenossenschaftsversammlung getroffen hat, die sowohl die amtliche Beglaubigung der Unterschrift des Vollmachtgebers als auch eine einfache Form der Vollmachtserteilung durch Verwendung eines von der obersten Jagdbehörde vorgegebenen Musters zulässt. Regelungen in der Satzung der Jagdgenossenschaft müssen mit dem höherrangigen Recht in Einklang stehen. In Rheinland-Pfalz finden sich hingegen nähere Regelungen bzgl. der Stimmrechtsübertragung weder im LJG noch in der LJVO, sondern bleiben der Satzung der Jagdgenossenschaft vorbehalten. Eine individuell konzipierte Satzung kann diesbezüglich von der Mustersatzung abweichen. Als formelle Vertretungsvoraussetzung verlangt § 7 der Mustersatzung eine schriftliche Vollmacht. Als persönliche Vertretungsvoraussetzungen sind ein bestimmtes verwandtschaftliches Verhältnis oder ein ständiges Beschäftigungsverhältnis oder die Zugehörigkeit zu derselben Jagdgenossenschaft erforderlich.

Der Bürgermeister vertritt nach § 47 Abs. 1GemOdie Gemeinde nach außen, also auch in der Jagdgenossenschaftsversammlung, ohne dass eine Vollmacht erforderlich ist. Beigeordnete vertreten gem. § 50 Abs. 2GemOden Bürgermeister im Verhinderungsfall. Soweit einem Beigeordneten nach § 50 Abs. 3 und 4 GemO die Leitung eines Geschäftsbereichs übertragen ist, vertritt der Beigeordnete in diesem Bereich den Bürgermeister (ständiger Vertreter). Soll ein Mitarbeiter der Kommunalverwaltung die Interessen der Gemeinde als Jagdgenosse wahrnehmen, bedarf es einer Bevollmächtigung. Ein Ratsmitglied kann die Gemeinde nicht vertreten, auch nicht in der Jagdgenossenschaftsversammlung.


Jagdgenossenschaft: Geltendmachung des Reinertrags

Das Thüringer OVG stellt mit Urt. v. 08.10.2020, Az.: 3 KO 847/17, fest: Wenn die Jagdgenossenschaft entsprechend dem gesetzlichen Regelfall keinen jahresübergreifenden Beschluss über die Verwendung des Reinertrages der Jagdnutzung getroffen hat (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BJagdG), sondern dies jährlich neu beschließt, muss das Auszahlungsverlangen des Jagdgenossen nach § 10 Abs. 3 Satz 2 BJagdG jeweils innerhalb der auf die Bekanntmachung der Beschlussfassung folgenden Monatsfrist gem. § 10 Abs. 3 Satz 3 BJagdG geltend gemacht werden. Wäre ein vorfristiges Auszahlungsverlangen grundsätzlich unabhängig von einem jagdjahrüberschreitenden Beschluss der Jagdgenossenschaft zur anderweitigen Mittelverwendung zulässig, hätte dies zur Folge, dass der – nicht vorher festgelegten – Willensbildung der Jagdgenossenschaft der Anteil des betreffenden Mitglieds bereits im Vorfeld dauerhaft entzogen ist, auch wenn die Entscheidung über die Reinertragsverwendung jedes Jahr neu getroffen werden soll.

Für den Fall eines über das einzelne Jagdjahr hinausgehenden, zeitlich unbegrenzten Beschlusses der Jagdgenossenschaft zur anderweitigen Mittelverwendung kann das Mitglied hingegen auch für künftige Jagdjahre wirksam die Auszahlung des Reinertrages verlangen (so auch VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 15.10.1998, Az.: 5 S 966/96). Das Urteil besitzt Relevanz für Rheinland-Pfalz, da § 12 Abs. 2 LJG inhaltsgleich mit § 10 Abs. 3 BJagdG ist.

Jagdgenossenschaft: Befriedung von Grundflächen aus ethischen Gründen

Das VG Augsburg stellt mit Urt. v. 22.11.2022, Az.: Au 8 K 20.2342, fest, dass der Kläger keinen Anspruch auf jagdrechtliche Befriedung des streitgegenständlichen Grundstücks hat. Er vermag nicht glaubhaft zu machen, dass er die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehnt (§ 6 a Abs. 1 Satz 1 BJagdG). Das Gericht nimmt insoweit Bezug auf das Urteil des BVerwG vom 11.11.2021. Aus der gebotenen Glaubhaftmachung ergeben sich Anforderungen an die Beweisführung. Es obliegt dem Grundeigentümer, seine Gründe für die Ablehnung der Jagdausübung darzulegen und entsprechende Beweismittel beizubringen. Die Glaubhaftmachung soll Behörden und Gerichte in die Lage versetzen, die vorgebrachten Gründe nachzuvollziehen und ihr tatsächliches Vorliegen zu überprüfen. Es genügt dabei, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein ethischer Gründe spricht.

Eigenjagdbezirk: Feststellungsbescheid

Ist strittig, ob ein Eigenjagdbezirk vorliegt, kommt ein feststellender Verwaltungsakt der Jagdbehörde in Betracht. Es geht, wie das VG Regensburg mit Urteil vom 07.02.2023, Az.: RO 4 K 22.1621, klarstellt, nicht um eine Festsetzung, sondern um eine Feststellung. Diese hat keine konstitutive, sondern lediglich deklaratorische Bedeutung. Ein Feststellungsbescheid wendet sich unmittelbar an Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer, denen aus dem Eigentum das primäre Jagdausübungsrecht zusteht. Demgegenüber genießt das Jagdausübungsrecht des Jagdpächters als lediglich abgeleitetes und obligatorisches Recht nicht den gleichen Stellenwert. Vielmehr beschränkt sich die privatrechtliche Rechtsstellung als Jagdpächter auf die Rechte aus dem Pachtvertrag. Eine Klagebefugnis des Jagdpächters hinsichtlich des Feststellungsbescheids der unteren Jagdbehörde besteht nicht.

Hundesteuer: Jagdgebrauchshunde

Das OVG Lüneburg hat mit Beschl. v. 29.08.2023, Az.: 9 LA 147/22, festgestellt, dass für die Haltung von Jagdgebrauchshunden keine Befreiung von der Hundesteuer gewährt werden muss. Dient der über die Befriedigung der allgemeinen Lebensführung hinausgehende Aufwand für die Hundehaltung dem persönlichen Lebensbedarf, kommt es für das Vorliegen einer Aufwandsteuer nicht darauf an, dass die Hunde auch zum Zweck der Jagdausübung gehalten werden. Entschließt sich der Jagdausübungsberechtigte dazu, selbst einen brauchbaren, geprüften Jagdhund zu halten, kommt darin ein besonderer Aufwand zum Ausdruck, der über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgeht. Dass mit der Jagdausübung auch Ziele und Zwecke des Natur- und Tierschutzes verfolgt werden, ändert nach der Rechtsprechung des BVerwG nichts daran, dass die Ausübung des Jagdrechts als „Freizeitbeschäftigung“ dem Bereich persönlicher Lebensführung zuzuordnen ist.

Wildunfälle: Wildwarnreflektoren an Straßen

Das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau stellt in der Antwort auf eine Kleine Landtagsanfrage (LT-Drs. 18/7394) fest, dass blaue Wildwarnreflektoren an Leitplanken zu keiner Reduktion der Wildunfälle führen. Die Bundesanstalt für Straßenwesen kommt in ihren Untersuchungsreihen zu dem Ergebnis, dass der grundsätzliche Ansatz optischer Wildwarnreflektoren als wirksames Instrument zur regelmäßigen tierseitigen Vermeidung von Wildunfällen nicht geeignet ist. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg hat ferner nachgewiesen, dass die Farbe „blau“ keine Warnfarbe für Rehe darstellt. Zur Montage von Wildwarnreflektoren unterschiedlichster Art hat der Jagdausübungsberechtigte eine schriftliche Vereinbarung mit der rheinland-pfälzischen Straßenbauverwaltung über die Nutzung der Leitpfosten abzuschließen. Die Kosten für die Wildwarnreflektoren trägt der Jagdausübungsberechtigte.

Umgang mit dem Wolf: Wolfsmanagementplan

Das Umweltministerium hat am 23.08.2023 den aktuellen Wolfsmanagementplan vorgestellt.

Dieser setzt weiterhin auf Präventionsmaßnahmen und Aufklärung, um den Umgang mit dem Wolf konfliktfrei zu gestalten. Er folgt nicht dem politisch diskutierten Ansatz, ein aktives Bestandsmanagement zu etablieren. Ab sofort können Präventionsgebiete leichter ausgewiesen werden. Ein Radius von 30 km rd. um einen Wolfsnachweis, der über drei Monate besteht, ist maßgeblich. Auch die Beweider in Naturschutzprojekten, die vom Land gefördert werden, fallen unter die Regelungen eines Präventionsgebiets. Die Förderkulisse wird angepasst. Auch Tierhalter, die außerhalb des Präventionsgebietes liegen, können auf Antrag eine 100-prozentige Förderung von Herdenschutzmaßnahmen nach einem bestätigten Wolfsriss erhalten. Die Förderung beinhaltet sowohl die Anschaffung als auch den Arbeitsaufwand zum Aufstellen der Zäune sowie deren Unterhaltungskosten. Anders als bislang wird nicht mehr der Kaufpreis für einen Herdenschutzhund erstattet, sondern die Unterhaltungskosten, die pauschal jährlich gefördert werden.

Umgang mit dem Wolf: Kontrolle der Ausbreitung und Bestandsmanagement

Mehrere parlamentarische Initiativen beschäftigen sich mit dem Wolf in Rheinland- Pfalz (u. a. LT-Drs. 18/6615, LT-Drs. 18/6521, LT-Drs. 18/6740) und haben das Ziel, ein aktives Bestandsmanagement zu etablieren. Entnahmen von Wölfen zur Regulierung des Bestandes seien in anderen EU-Ländern, wie Schweden oder Estland, bereits seit Jahren gängige Praxis. Die bayerische Landesregierung habe mit der Bayerischen Wolfsverordnung vom 25.04.2023 einen ersten, weitreichenden Schritt zur Kontrolle der Ausbreitung des Wolfes unternommen.

Die Landesregierung (LT-Drs. 18/6437) weist hingegen darauf hin, dass der Wolf nach BNatschG und FFH-Richtlinie streng geschützt ist. Gegen die besagte Verordnung des Landes Bayern werde derzeit geklagt. In der Fachwelt beständen bzgl. der Vereinbarkeit mit o. g. Recht Bedenken gegen die Verordnung. Die Strategie der Landesregierung, durch Präventionsmaßnahmen und Aufklärung den Umgang mit dem Wolf konfliktfrei zu gestalten, habe sich bewährt. Insofern werde an diesem Vorgehen festgehalten.

Wildschäden am Wald: Forstbehördliche Stellungnahme

Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 LJG ist den Erfordernissen des Waldbaus und der Vermeidung von Wildschäden der Vorrang vor der zahlenmäßigen Hege einer Wildart zu geben. Die Stellungnahme der unteren Forstbehörde gem. § 31 Abs. 7 LJG zum Einfluss des Schalenwildes auf das waldbauliche Betriebsziel (Forstbehördliche Stellungnahme; vormals: Waldbauliches Gutachten) schafft insoweit objektive und belastbare Grundlagen. Im Jahr 2022 führen in gemeinschaftlichen Jagdbezirken und kommunalen Eigenjagdbezirken die Verbiss- und Schälschäden durch Rotwild zu einer Gefährdung der waldbaulichen Betriebsziele in 34 % und zu einer erheblichen Gefährdung in 14 % der begutachteten Jagdbezirke. Durch Rehwild sind 55 % der begutachteten Jagdbezirke gefährdet, 6 % erheblich gefährdet. Die nicht verpachteten staatlichen Eigenjagdbezirke schneiden im Vergleich zu den gemeinschaftlichen Jagdbezirken und den kommunalen Eigenjagdbezirken deutlich besser ab. Die verpachteten staatlichen Eigenjagdbezirke nehmen eine Mittelstellung ein. Gegenüber den Ergebnissen der Forstbehördlichen Stellungnahme aus dem Jahr 2018 ist keine durchgreifende Entwicklung zum Besseren eingetreten. Demgemäß muss festgestellt werden, dass unverändert eine deutliche Diskrepanz zwischen dem gesetzlichen Auftrag und seiner praktischen Erfüllung besteht.

Jagdabgabe

Nach § 22 LJG wird mit der Gebühr für die Erteilung oder Verlängerung des Jagdscheins eine Jagdabgabe in Höhe des fünffachen Betrags der Gebühr erhoben. Die unteren Jagdbehörden bei den 24 Kreisverwaltungen und 12 Stadtverwaltungen der kreisfreien Städte nehmen die Jagdabgabe von ca. 20 000 Jägerinnen und Jägern ein und führen diese an das Land ab. Das Land erhält das Aufkommen zur Förderung des Jagdwesens nach den Zielen des LJG, insbesondere zur Förderung der jagdbezogenen wissenschaftlichen Forschung und der Öffentlichkeitsarbeit sowie zur Verhütung von Wildschäden. Bei der Jagdabgabe handelt es sich um eine sog. Sonderabgabe, mit der eine bestimmte Gruppe (hier: Jägerinnen und Jäger) über die allgemeine Steuerlast hinaus zur Finanzierung von Fördermaßnahmen herangezogen wird, die aus Sicht des Gesetzgebers im Interesse der Gruppe liegen.

Das Aufkommen aus der Jagdabgabe liegt in einer Größenordnung von 1,7Mio. € pro Jahr (LT-Vorlage 18/2654). Maßgebliche Zuwendungsempfänger sind der Landesjagdverband sowie die Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft.

Entnommen aus Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz 5/2024, Rn. 40.

Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz

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Fachzeitschrift für die kommunale Praxis
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