09.11.2022

Sozialstaat in der Schieflage?

Bericht vom 8. Deutschen Sozialgerichtstag

Sozialstaat in der Schieflage?

Bericht vom 8. Deutschen Sozialgerichtstag

Der Sozialstaat hat sich bewährt © privat
Der Sozialstaat hat sich bewährt © privat

Der 8. Deutsche Sozialgerichtstag befasste sich unter der Leitung seiner langjährigen Präsidentin Monika Paulat in neun Kommissionen mit aktuellen Fragestellungen des Sozialrechts. In Potsdam diskutierten Vertreter aus Politik, Gerichten und Institutionen.

„In einer Zeit der multiplen Krisen“ gehöre dennoch das Augenmerk auf den sozialen Fortschritt immer dazu, mahnte Kerstin Griese zu Beginn des 8. Deutschen Sozialgerichtstages. Sie vertrat als  Parlamentarische Staatssekretärin für Arbeit und Soziales Bundesarbeitsminister Hubertus Heil.

Eine Folge dieser Krisen, so Griese in ihrem Grußwort, sei die massive Verteuerung der Lebenshaltungskosten, die Belastungen bis „in die Mitte der Gesellschaft“ hinein bedeuteten. Damit sei „unsere Demokratie in Gefahr“, mahnte die SPD-Politikern, die die Rolle des Sozialgerichtstages als interdisziplinären Fachverband mit hoher Kompetenz würdigte.


Griese: „Wir wollen sozialen Fortschritt ermöglichen“

Mit dem neuen Bürgergeld, das auch die Grundsicherung auf neue Beine stelle, wolle die Bundesregierung sozialen Fortschritt ermöglichen. Dies solle durch einen Wechsel vom schlichten Vermittlungsvorgang hin zu einem Eingliederungsprozess erfolgen. Denn erklärtes Ziel des Bürgergeldes sei es, dass „Menschen in Arbeit“ kommen. Auch wenn dies mitunter mit  Widerständen oder gar Kampagnen, wie etwa die der Springer-Presse, verbunden sei. Griese berichtete, dass in ihrem Wahlkreis von Bild-Journalisten nach Menschen gesucht worden sei, die sich dazu bekannten, wegen des neuen Bürgergeldes nicht mehr arbeiten gehen zu wollen, da sich dies nicht mehr lohne. Diese Behauptung wies Griese zurück.

Die Kommission SGB II des Sozialgerichtstages hatte das Thema Bürgergeld und die damit angestrebte Neufokussierung der Arbeitsförderung zum Gegenstand, ein gesonderter PUBLICUS-Bericht folgt.

Ranft: „Sozialgerichtsbarkeit hat Befriedungsfunktion“

Michael Ranft, Staatssekretär für Soziales, Gesundheit und Integration in der brandenburgischen Landesregierung, setzte einen Schwerpunkt seines Grußwortes auf die bessere Etablierung der Prävention. Er berichtete in diesem Kontext über die nächsten Schritte der Krankenhausreform im Flächenland Brandenburg mit dem Ziel, ambulante Versorgungszentren aufzubauen.

Ranft forderte unter großem Applaus des Plenums, dass mehr Studierende für das Sozialrecht gewonnen werden müssten. Denn die Sozialgerichtsbarkeit, die leistungsfähig bleiben müsse, habe eine wichtige Befriedungsfunktion. Für die inhaltliche Ausrichtung des Sozialrechts hält er die im Jahre 2017 erarbeiteten Ethikgrundsätze des Sozialgerichtstages (www.sozialgerichtstag.de/potsdamer-ethik-grundsaetze/) für einen guten Maßstab.

Schudoma: „Der Sozialstaat hat sich bewährt“

Die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, Sabine Schudoma, die das dritte Grußwort sprach, stellte – als Reaktion auf den Titel der Veranstaltung – fest: „Der Sozialstaat hat sich bewährt und ist nicht in der Schieflage.“ Das Wort Solidarität dürfe indes nicht zum Kampfbegriff werden. So dürfte auch die Erweiterung der Sozialversicherung auf Selbständige und Beamte in der Diskussion von Reformideen kein Tabu sein, so Schudoma – mit einem Augenzwinkern.

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Marcus Preu

Ltg. Lektorat und Redaktion, Rechtsanwalt
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