11.10.2023

Raus aus dem Förderdschungel

Kommunale Vorschläge zur Entbürokratisierung

Raus aus dem Förderdschungel

Kommunale Vorschläge zur Entbürokratisierung

Der Nutzen und die Wirtschaftlichkeit der Inanspruchnahme von Fördermitteln werden zunehmend infrage gestellt. | © magele-picture - stock.adobe.com
Der Nutzen und die Wirtschaftlichkeit der Inanspruchnahme von Fördermitteln werden zunehmend infrage gestellt. | © magele-picture - stock.adobe.com

Denkanstoß der KGSt zur Vereinfachung von Förderungen

Kommunale Vorschläge zur Entbürokratisierung

Zur Finanzierung spezifischer Maßnahmen stehen Kommunen grundsätzlich eine breite Palette an Förderprogrammen von der Europäischen Union, dem Bund und den Ländern zur Verfügung. Doch komplexe formale Anforderungen und undurchsichtige Verwaltungsstrukturen im Fördermanagement führen in allen Kommunen zu einem erheblichen personellen und zeitintensiven Aufwand. Der Nutzen und die Wirtschaftlichkeit der Inanspruchnahme von Fördermitteln werden dadurch zunehmend infrage gestellt.

Im Zuge dieser Problemstellung und auf Initiative der Stadt Nürnberg wurde im Jahr 2019 das Netzwerk Fördermittelmanagement mit Spezialisten aus den Bereichen Fördermittelakquise und -abwicklung gegründet. In regelmäßigen Treffen des Netzwerks werden technologische Innovationen, organisatorische Lösungen und Missstände in der deutschen Förderlandschaft diskutiert. Aus diesem Netzwerk heraus hat sich ein Autorenteam zusammengefunden und das Positionspapier „Deutliche Modernisierung im staatlichen Fördersystem auf Bundes- und Länderebene erforderlich“ (KGSt-Positionspapier 6/2023 Portal-Kennung: 20230411A0014) erarbeitet. In diesem Papier werden besonders relevante Problemstellungen benannt, Forderungen erhoben und konkrete Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt, auf die im Folgenden eingegangen wird:


1. Modernisierung des Zuwendungsrechts

Für die Erstellung von Förderprogrammen und -richtlinien sollten sowohl für den Bund als auch für die Länder eine einheitliche Vorgehensweise vorgesehen werden. Trotz angestrebter Vereinheitlichung haben sich im Laufe der Zeit unterschiedliche Regelungen entwickelt. Dies führt dazu, dass die Anforderungen für die Beantragung, Durchführung und Abwicklung von Förderungen je nach Programm, Maßnahmen und Zuständigkeiten variieren. Daher ist es dringend erforderlich, die Prozesse hinsichtlich ihres Standardisierungspotenzials zu überprüfen und zu vereinfachen. Zusätzlich sollte die Einführung einer Fördermanagement-Software in Erwägung gezogen werden, um eine effiziente Vernetzung zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu gewährleisten.

Zuwendungen dürfen nur für Projekte bewilligt werden, die noch nicht begonnen haben. Insbesondere Investitionsvorhaben sind zunehmend schwer zu terminieren und müssen aufgrund vorhandener Knappheiten und Engpässe möglichst frühzeitig beauftragt werden und nicht erst mit der oft sehr viel später vorliegenden Bewilligung. Das Verbot des vorzeitigen Maßnahmenbeginns steht jedoch den zeitkritischen Projekten diametral entgegen. Eine großzügige Nutzung von Ausnahmegenehmigungen im Einzelfall oder sogar die nachträgliche Erteilung von Ausnahmen vom Verbot könnten hier Abhilfe schaffen.

Eines der größten formalen Hemmnisse im Haushaltsrecht für Förderprogramme ist das Jährlichkeitsprinzip. Förderprojekte erstrecken sich oft über mehrere Jahre und werden häufig nicht innerhalb des vorgesehenen Zeitrahmens verwirklicht. Werden die bewilligten Mittel dabei nicht rechtzeitig abgerufen, muss die betroffene Kommune haushaltsrechtliche Übertragungen vornehmen bzw. diese beantragen. Damit verbunden ist ein erneut hoher Verwaltungsaufwand. Da zeitliche und damit einhergehende finanzielle Verzögerungen unvermeidlich sind, sollten die Mittel für Fördermaßnahmen überjährig zur Verfügung gestellt werden. Dazu wäre das Jährlichkeitsprinzip für die Förderprogramme des Bundes und der Länder aufzuheben.

Die Antragsfristen bzw. Vorlaufzeiten vom Antrag bis zur Bewilligung sind in den meisten Förderprogrammen zu statisch und praxisfern. Außerdem sind geförderte Maßnahmen häufig erst mit einem Jahr Verzögerung oder mehr umsetzbar, da Anmeldung, Antrag und Baubeginn jeweils nur zu bestimmten Stichtagen erfolgen können. Kommunen sehen sich dadurch gezwungen, entweder rudimentär geplante Förderanträge bis zum Stichtag einzureichen oder die langen Wartezeiten in Kauf zu nehmen. Eine mögliche Lösung besteht in flexibleren Antragsfristen, die es den kommunalen Verwaltungen ermöglichen, das ganze Jahr über fundierte Förderanträge zu stellen, anstatt sich an starre Stichtagsregelungen zu halten.

2. Transparenz herstellen und effizienter agieren

Aus Sicht der potenziellen kommunalen Antragsteller stellt sich zu Beginn eines Vorhabens die Frage nach der Finanzierung und der Auswahl von geeigneten Förderangeboten. Problematisch sind in diesem Zusammenhang die ständig neu hinzukommenden oder sich verändernden Programme und die Bereitstellung der Informationen durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Stellen. Hier den Überblick zu behalten, führt bei den Kommunen zur zeitaufwendigen Recherche und Sondierung. Erforderlich ist eine Weiterentwicklung der Informationsbereitstellung, die sich stärker am Informationsbedarf der Antragstellenden orientiert.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass es zu viele Förderprogramme mit unklaren Zielen und inhaltlichen Überschneidungen gibt, die in parallelen Strukturen organisiert sind. Eine Abstimmung zwischen den Fördergebern ist nicht erkennbar. Um hier Verbesserungen zu erzielen, sollten Förderprogramme ressort- und behördenübergreifend besser koordiniert und gebündelt werden. Nicht mehr, sondern weniger, aber inhaltlich breiter aufgestellte und damit wirksamere Programme sind das Gebot der Stunde.

Inmitten des „Förderdschungels“ sind nicht nur zahlreiche Förderprogramme zu finden, sondern auch eine unüberschaubare Anzahl an unterschiedlichsten Bewilligungsbehörden. Um die Fördermittellandschaft transparenter zu gestalten und Synergieeffekte zu nutzen, muss die Anzahl an Bewilligungsbehörden reduziert werden. Eine solche organisatorische Verschlankung würde aus Sicht der Kommunen zu einer einheitlichen Rechtsumsetzung und Gestaltung des Förderprozesses beitragen.

3. Stärkung des Kommunalen Fördermanagements

Die Betreuung von Förderprojekten ist keine Aufgabe mehr, die „nebenbei“ erledigt werden kann. Eine zunehmende Förderbürokratie, arbeitsintensive Verfahren, aufwendige Dokumentationspflichten und die Berücksichtigung verschiedener Rechtsgebiete erfordern eine professionelle Aufstellung des Fördermanagements und gut ausgebildetes Personal in den Kommunen. Um den einhergehenden Aufwand zu bewältigen, müssen angemessene finanzielle Mittel für die Entwicklung des Fördermanagements bereitgestellt werden. Zusätzlich sollten Fortbildungsangebote für Kommunalbedienstete im Bereich des Zuwendungswesens eingeführt werden. Gerade mit Blick auf den aktuellen Fachkräftemangel ist die frühzeitige Implementierung von entsprechenden Lerninhalten z. B.  im Rahmen der Fachhochschulausbildungen erforderlich, um perspektivisch im Fördermittelmanagement besser aufgestellt zu sein. Heutige Investitionen in das Personal werden sich in Zukunft nicht nur amortisieren, sondern auch rentieren.

4. Verbesserung der Finanzausstattung der Kommunen

Die aktuellen Herausforderungen bei kommunalen Investitionen können nicht dauerhaft mit einem stetig wachsenden „Dschungel“ an Förderprogrammen und Fördermitteln begegnet werden. Dies beeinträchtigt die Handlungsspielräume der Kommunen und hindert sie daran, die besten regionalen und örtlichen Maßnahmen in den Zukunftsbereichen Digitalisierung, Klimaschutz und Energieeffizienz eigenverantwortlich umzusetzen. Zudem führen Projektförderungen ohne Berücksichtigung der Folgekosten langfristig zu finanziellen Belastungen und sind nicht im Sinne der Generationengerechtigkeit. In einer Stellungnahme zu dem Positionspapier betont der Deutsche Landkreistag ausdrücklich die Vorrangigkeit einer aufgabenadäquaten Finanzmittelausstattung. Fördermittel im Rahmen eines optimierten Fördersystems können diese allenfalls ergänzen, aber nicht ersetzen.

Denkanstoß zur deutlichen Modernisierung im staatlichen Fördersystem

Um einen aktiven Austausch zu fördern und das Ziel einer zeitnahen Verbesserung der Wirksamkeit und Effizienz von Förderprogrammen und -mitteln zu erreichen, wurde dieses Positionspapier an einen breiten Adressatenkreis aus Bundes- und Länderministerien, -behörden, Projektträgern, Rechnungshöfen und anderen relevanten Institutionen weitergegeben. Bereits über 75 Hauptverwaltungsbeamte, -beamtinnen und Finanzverantwortliche haben das Positionspapier unterzeichnet und betonen damit die Notwendigkeit, das Fördersystem für die Zukunft fit zu machen.

 

Die Autorinnen und Autoren hoffen, dass dieses Positionspapier eine Diskussion über mittel- und langfristige Optimierungen anregt, um gemeinsam wesentliche Veränderungen zu bewirken.

 

Christina Albrecht

Referentin im Programmbereich Finanzmanagement der KGSt
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