14.04.2014

Personalauswahl: Professionell und rechtssicher

Interview mit Prof. Dr. Andreas Gourmelon

Personalauswahl: Professionell und rechtssicher

Interview mit Prof. Dr. Andreas Gourmelon

© fotodo - Fotolia
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Prof. Dr. Andreas Gourmelon ist Dozent an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Nordrhein-Westfalen, Fachbereich Allgemeine Verwaltung/Rentenversicherung.

Das Interview wurde im Zusammenhang mit der Fortbildungsreihe „Modulare Fortbildung für Personalentwickler“ geführt, die seit 2013 beim Kommunalen Bildungswerk e. V. veranstaltet wird. Nächster Starttermin ist der 14. April 2014. Die Fragen stellte Klaudia Hennig vom Kommunalen Bildungswerk für PUBLICUS.

PUBLICUS: Welche Relevanz hat das Thema wirksame und rechtssichere Personalauswahl für die derzeitige Situation und künftige Entwicklung in der öffentlichen Verwaltung?


Gourmelon: Die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszuwählen, war schon immer ein bedeutsames Thema für die öffentliche Verwaltung. Angesichts der derzeit hohen Anzahl altersbedingter Personalabgänge und des hieraus resultierenden großen Ersatzbedarfs an Nachwuchskräften wird das Thema Personalbeschaffung für die Behörden strategisch bedeutsam. Nur mit leistungsfähigem und -bereitem Personal ist die öffentliche Verwaltung in der Lage, ihre Dienste für die Gemeinschaft zu erbringen. Im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft konkurriert die öffentliche Verwaltung um gute Nachwuchskräfte. Wenn wir in diesem Wettbewerb erfolgreich sein und geeignetes Personal an Bord holen wollen, benötigen wir professionelle Auswahlprozesse. Im Übrigen: schlechte Personalauswahl führt zu Fehlinvestitionen, die bei einem einzelnen Beschäftigten Millionenbeträge ausmachen können.

PUBLICUS: Was wird häufig falsch gemacht in der Praxis der öffentlichen Verwaltung?

Gourmelon: Durch wissenschaftliche Untersuchungen ist bekannt, dass die Qualität der Auswahlprozesse in den öffentlichen Verwaltungen sehr unterschiedlich ist. Kernpunkte gelungener Auswahlprozesse sind u. a. ein informationsbasiertes Personalmarketing, eine systematische Anforderungsanalyse, der Einsatz vielfältiger, valider Auswahlinstrumente, Auswahlentscheidungen auf Grundlage von klar definierten Entscheidungsregeln und die Qualifizierung der Personalauswählenden für ihre wichtige Aufgabe. Was man auf keinen Fall machen sollte: Entscheidungen auf Basis des Bauchgefühls treffen!

PUBLICUS: Welche Möglichkeiten und welche Grenzen setzt die Rechtsprechung dem Personalverantwortlichen für die Personalauswahl?

Gourmelon: Für alle Phasen der Personalauswahl – von der Stellenausschreibung bis zur Auswahlentscheidung – gibt es eine ganze Reihe von rechtlichen Regelungen, die der Auswählende zu beachten hat. Gerade bei Verfahren mit internen Bewerbern muss auf die Einhaltung dieser Regelungen geachtet werden, will man nicht die Stellenbesetzung gefährden. Aber auch bei externen Bewerbern darf der Personalauswählende nicht blauäugig sein; ein Verstoß z. B. gegen die Regelungen des AGG kann sehr teuer für die Behörde werden.

PUBLICUS: Gibt es einen Trend zur anonymisierten Bewerbung und welche Vor- und Nachteile ergeben sich daraus in der Praxis?

Gourmelon: Personalauswählende müssen wissen, was mit dem Instrument anonymisierte Vorauswahl erreicht werden soll: Es geht darum, in der ersten Stufe des Auswahlprozess Benachteiligungen auf Grund der ethnischen Herkunft, des Geschlechts u. Ä. zu vermeiden. Manche Formen der anonymisierten Bewerbung sind sehr arbeitsaufwendig. Wirkung zeigt dieses Instrument dann, wenn die bisherigen Auswahlentscheidungen in der Vorauswahl sich kaum an harten Fakten, sondern an Eindrücken orientiert haben. Generell ist ein Trend in den Verwaltungen zu beobachten, auch in der Vorauswahl objektive Entscheidungsregeln und diskriminierungsfreie Instrumente zu verwenden. Damit wäre das Instrument „anonymisierte Vorauswahl“ nicht mehr erforderlich.

PUBLICUS: Assessment Center – ein Weg, um Sozial- und Managementkompetenzen zu erheben? Wie kann man sie erfolgreich durchführen und welche Grenzen hat dieses Bewerber-Auswahlverfahren?

Gourmelon: Assessment Center (AC) ist ein Instrument in der Personalauswahl, mit dem tatsächlich Sozial- und Managementkompetenzen von Bewerbern treffsicher erfasst werden können. Darüber hinaus können mit dem AC auch Fachkompetenzen ermittelt werden. Letztlich stellt ein AC die Bündelung von verschiedenen Instrumenten wie situative Verfahren, Tests, Interviews, Arbeitsproben usw. dar. Die Gestaltung und Durchführung eines AC ist komplex, hier sind viele fachliche Empfehlungen zu beachten. Die Grenzen zeigen sich vor allem darin, inwieweit eine Behörde bereit ist, für die Besetzung von hochrangigen Stellen einen hohen Aufwand zu betreiben.

PUBLICUS: Interviewfragetechniken: Dos und Don’ts.

Gourmelon: Die wichtigste Erkenntnis beim Einsatz von Interviews lautet, nicht einzelne Fragen nur deshalb zu stellen, weil sie vermeintlich in jedem Interview gestellt werden sollten. Im Vorfeld des Einsatzes von Interviews muss genau geklärt werden, welchem Zweck das Interview dienen soll. Dann müssen – orientiert an den Stellenanforderungen – Fragen entwickelt werden. Welche Fragetechnik verwendet werden sollte, hängt von diversen Umständen ab. Auch sollte vorab festgelegt werden, wie die möglichen Antworten des Bewerbers zu werten sind. Was Sie vermeiden sollten: verzichten Sie darauf, den Bewerber unnötig unter Druck zu setzen. Die Frage nach einer Schwangerschaft sollten Sie nur Ihrer Partnerin, nicht einer Bewerberin stellen.

PUBLICUS: Führt die richtige Fragetechnik automatisch zum richtigen Mitarbeiter oder was gilt es zu beachten?

Gourmelon: Die richtigen Fragen zu stellen, ist ein wichtiger Schritt in die Richtung, die beste Mitarbeiterin / den besten Mitarbeiter zu finden. Zu einer wirksamen Personalauswahl gehört aber mehr als die Fragetechnik im Interview. Gute Personalauswahl zeichnet sich z. B. auch dadurch aus, dass das Interview durch andere Verfahren der Eignungsdiagnostik ergänzt wird. Dadurch stehen dem Personalauswählenden unterschiedliche Informationsquellen zur Verfügung, die den Bewerber aus verschiedenen Perspektiven beleuchten und so zu besseren Auswahlentscheidungen führen.

PUBLICUS: Gibt es Auswahlverfahren, die sich insbesondere für die Auswahl im öffentlichen Sektor eignen? Wenn ja, wie unterscheiden sich diese Verfahren von denen in der freien Wirtschaft?

Gourmelon: Gerade im öffentlichen Sektor sind wir darauf angewiesen, dass wir Auswahlentscheidungen objektiv, fair und diskriminierungsfrei treffen. Ich wünsche mir, dass wir deshalb vermehrt Leistungstests und Arbeitsproben anwenden. Diese Verfahren können übrigens sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Sektor angewendet werden.

PUBLICUS: Was gibt es weiterhin bei der Personalauswahl im öffentlichen Sektor zu beachten – gerade im Vergleich zur freien Wirtschaft?

Gourmelon: Der öffentliche Sektor hat am Arbeitsmarkt – von Ausnahmen wie z. B. der Polizei abgesehen – ein gravierendes Imageproblem. Wir gelten im Allgemeinen als konservativ, langsam, faul, langweilig – um nur einige Assoziationen zu nennen. Häufig bewirbt man sich bei uns, weil man einen wenig fordernden Job mit gesichertem Gehalt sucht. Diesen falschen Vorstellungen ist im Rahmen des Personalmarketings und der Personalauswahl entgegenzutreten. Zum Beispiel müssen wir uns bei der Personalauswahl durch moderne Verfahren und schnelles Handeln auszeichnen.

PUBLICUS: Welche Entwicklungen und Trends zeichnen sich auf dem Gebiet der Personalauswahl ab?

Gourmelon: Bei vielen Verwaltungen ist zu beobachten, dass sie derzeit ihre Auswahlverfahren professionalisieren. Es wird zunehmend erkannt, dass die bisherige Praxis so nicht weitergeführt werden kann. Eine Folge der Professionalisierung wird sein, die Personalauswählenden besser auf ihre Aufgaben vorzubereiten. Im Bereich der Eignungsdiagnostik erkenne ich den Trend, mehr als bislang die Selbstselektionsprozesse der Bewerberinnen und Bewerber zu fördern.

PUBLICUS: Worin liegen die Chancen der Optimierung der eigenen Personalauswahlverfahren in der gegebenen Organisation? Was kann damit erreicht und verbessert werden?

Gourmelon: Die größte Chance liegt darin, Beschäftigte in die eigene Organisation zu bekommen, die ihre Aufgaben dauerhaft gern und gut erledigen. Dies hat natürlich unmittelbare Auswirkungen auf die Qualität der Behördenleistungen insgesamt, aber auch auf das Betriebsklima in einer Organisation. Die Gestaltung von Auswahlprozessen hat nach meiner Erfahrung stets auch einen Einfluss auf die Unternehmenskultur in einer Behörde. So müssen sich z. B. die Auswählenden (und damit häufig auch die Spitze einer Behörde) darüber klar werden, welche Handlungsweisen sie von ihren Führungskräften in konkreten Situationen erwarten.

PUBLICUS: Wer muss wie handeln, um gelungene und rechtssichere Personalauswahlverfahren mittelfristig erfolgreich umzusetzen? Bei wem liegen die Hauptverantwortlichkeiten?

Gourmelon: Die Hauptverantwortung liegt bei der Organisationsspitze. Sie hat ein klares Bekenntnis zu fairen, modernen und am Prinzip der Bestenauslese ausgerichteten Auswahlverfahren zu geben und muss hierfür auch die Ressourcen zur Verfügung stellen. Das Personalamt / die Personalabteilung hat für neue Entwicklungen offen zu sein und sollte sich als Ideengeber, Motor und Moderator einer Modernisierung verstehen. Fachabteilungen sollten verstehen, dass eine Modifikation von Auswahlprozessen für ihre Interessen keine Gefahr, sondern eine neue Chance darstellt. Personalvertretungen und Gleichstellungsbeauftragte sollten sich – wie bislang – aktiv und konstruktiv in den Gestaltungsprozess einbringen; Personalauswahlverfahren, die frei vom „Nasen“-Faktor sind, liegen genau in ihrem Interesse.

PUBLICUS: Wie sind der Umsetzungsstand und die Umsetzungsbereitschaft für Neuerungen auf diesem Gebiet in der Praxis zu bewerten?

Gourmelon: Insgesamt erkenne ich derzeit in vielen öffentlichen Verwaltungen Initiativen, die Personalauswahl zu professionalisieren.

PUBLICUS: Inwiefern können die von Ihnen in Seminaren vermittelten Kenntnisse der Praxis der Personalauswahl zuträglich sein?

Gourmelon: Die im Laufe des Seminars vermittelten Kenntnisse versetzen die Teilnehmenden in die Lage, Personalauswahlprozesse in ihrer Organisation kritisch zu hinterfragen, Anregungen für eine Professionalisierung zu geben sowie fachlich fundierte Auswahlprozesse zu gestalten und durchzuführen.

PUBLICUS: Welche Auffälligkeiten, Erfahrungen oder Probleme berichten die Seminarteilnehmer/innen in Bezug auf die Personalauswahl direkt im Seminarverlauf? Welche Rückmeldungen der Teilnehmer gibt es?

Gourmelon: Die Teilnehmenden am Seminar waren in der Regel überrascht, welche Möglichkeiten und Instrumente die Eignungsdiagnostik heutzutage bietet. Sie erkennen den Nutzen diverser Instrumente. Darüber hinaus erkenne ich, dass viele Teilnehmenden ihre eigene Praxis hinterfragen und sich Änderungen dieser Praxis vornehmen.

PUBLICUS: Welches ist die Kernbotschaft bzw. zentrale Aussage im Rahmen Ihrer Dozententätigkeit in diesem Bereich?

Gourmelon: Eine professionelle Personalauswahl trägt wesentlich zu einer dauerhaft leistungsfähigen und -bereiten Belegschaft bei. Dabei ist die Professionalisierung der Personalauswahl kein Zauber-Kunststück. Wissenschaft und Praxis stellen erprobte Vorgehensweisen und Instrumente zur Verfügung.

PUBLICUS: Vielen Dank für das Gespräch!

Hinweis der Redaktion: Interessenten erfahren mehr unter: www.kbw.de oder direkt auf der Seite www.kbw.de/semi/5508.htm.

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