15.04.2014

Aktuelle Studie: Wissensmanagement

Großes Handlungspotenzial für Kommunal- und Landesverwaltungen

Aktuelle Studie: Wissensmanagement

Großes Handlungspotenzial für Kommunal- und Landesverwaltungen

Wissensmanagement ist ein neues Management-System, das sich allmählich auch in den Verwaltungen etabliert. | © hywards - Fotolia
Wissensmanagement ist ein neues Management-System, das sich allmählich auch in den Verwaltungen etabliert. | © hywards - Fotolia

Die Bedeutung des Wissensmanagements in öffentlichen Verwaltungen wächst. Vor allem veränderte Rahmenbedingen der Verfahrensorganisation und komplexer werdende Anforderungen an das Verwaltungshandeln verdeutlichen den Bedarf an qualitativ hochwertigen Informationen über die Abläufe und die Organisation der Verwaltung.

Dabei ist die Anforderung, Wissen innerhalb der eigenen Institution proaktiv zu „managen“, für die öffentliche Verwaltung eine neue Herausforderung. Während der Umgang mit Informationen und die sachliche Bearbeitung nach entsprechenden Vorschriften den Alltag der Verwaltungsbeschäftigten prägen, ist die aktive und kontextbezogene Wissensentwicklung, -verteilung, -nutzung, -bewahrung und auch die Bewertung des Wissens kein etablierter Prozess in den öffentlichen Verwaltungen. Dabei führen sehr unterschiedliche Strukturveränderungen wie der demografische Wandel, Zwänge zur Haushaltskonsolidierung sowie weitere Gründe für grundlegende Personalveränderungen und Personalengpässe dazu, dass über die Absicherung einer ausreichenden Qualität von Verwaltungsleistungen diskutiert wird.

Neues Managementinstrument

Vor diesem Hintergrund haben die Hochschule Harz und die Materna GmbH sich diesem Thema angenommen und eine bundesweite Studie in Form einer teilstandardisierten Befragung entwickelt und durchgeführt. Das Gesamtsample der Untersuchung umfasste 510 Behörden aus Bund, Ländern und Städten ab 30.000 Einwohnern. Genau 148 Teilnehmer beteiligten sich an der Umfrage, was einer Beteiligungsquote von 29 % entspricht und für die Verwaltungsebene der Länder und Kommunen ein repräsentatives Niveau ergab.


Im Ergebnis herausgekommen ist ein hochinteressantes und sehr differenziertes Bild eines neuen Managementinstrumentes, das sich zwar langsam, aber stetig in den Verwaltungen durchzusetzen und zu etablieren beginnt. Die befragten Verwaltungen kämpfen vor allem mit einer erheblichen Überalterung: Knapp ein Drittel verzeichnete in den vergangenen fünf Jahren altersbedingte Personalabgänge von mindestens 10 % bis zu 20 % der Belegschaft. In den kommenden fünf Jahren prognostiziert fast die Hälfte der Verwaltungen einen gleichen Personalabgang. Somit verlieren die jeweiligen befragten Verwaltungen binnen zehn Jahren einen altersbedingten Personalabgang von durchschnittlich 20 – 40 % der bisherigen Belegschaft. Diese Entwicklung der allgemeinen Überalterung öffentlicher Verwaltungen spitzt sich weiter zu. Dabei sind laut der Studie Landesbehörden etwas stärker betroffen als die kommunale Ebene. Für die Bewahrung des damit einhergehenden Wissensverlusts in den Behörden müssen geeignete Instrumente des Wissensmanagements etabliert werden. Diese können dazu beitragen, die darüber hinausgehenden Folgen der anhaltend geforderten personellen Konsolidierung der Verwaltungen zu kompensieren.

Organisatorische Verortung heterogen

Während die Bedeutung des Wissensmanagements recht hoch ist, zeigt sich die organisatorische Verortung jedoch als sehr heterogen und ist auch vor allem von der Größe der Einrichtung abhängig. Lediglich 31 % der befragten Kommunalverwaltungen haben eine eigene verantwortliche Stelle für das Thema Wissensmanagement geschaffen, während auf Landesebene bereits bei 59 % der befragten Verwaltungen entsprechende Verantwortungen bestehen. Eine einheitliche Verortung der oder des Wissensmanagementbeauftragten scheint es indes nicht zu geben. Die Befragungsergebnisse spiegeln das disperse Bild der organisatorischen Verteilung wider: keine Eindeutigkeit und ein Sinnbild für eine neue bereichsübergreifende Aufgabe, bei der die Akteure sich selbst nicht sicher sind, wie sie dieses Aufgabengebiet aufbauorganisatorisch verankern sollen. Am häufigsten liegt die Verantwortung des Wissensmanagements jedoch im Personalbereich.

Konkrete Instrumente des Wissensmanagements

Konkrete Instrumente des Wissensmanagements etablieren sich in den befragten Verwaltungen nur zögerlich. Typische organisatorische Instrumente sind im verwaltungsweiten Einsatz vor allem Arbeitsplatz- und Dienstpostenbeschreibungen (67 %) sowie regelmäßige Besprechungen (62 %). Prozessbeschreibungen oder ein verankertes Qualitätsmanagement werden dagegen kaum als verwaltungsweite Instrumente des Wissensmanagements genutzt (jeweils 5 %) und allenfalls punktuell bei jeweils knapp der Hälfte der befragten Behörden eingesetzt.

Im Personalbereich wird auf verwaltungsweite Fortbildungsangebote verwiesen (80 %), mit großem Abstand gefolgt von verwaltungsweiten Verfahren beim Ausscheiden von Personal (20 %). Moderne Instrumente wie Coaching, Mentoring, Erfahrungsdokumentation oder Workshops zur Wissensdokumentation sind dagegen kaum etabliert (jeweils unter 8 %).

Im IT-Bereich sind es vor allem Internet-, Intranet- und Content-Management-Systeme, die für das Wissensmanagement bei 88 % der befragten Verwaltungen eingesetzt werden. Führungsinformationssysteme, Social Media oder Data-Warehouse-Verfahren sind dagegen noch keine etablierten Technikplattformen zur Unterstützung eines verwaltungsweiten Wissensmanagements (jeweils unter 8 %).

Entwicklung noch ganz am Anfang

Auch der allgemeine Stellenwert des Wissensmanagements in der gesamten Verwaltung zeigt, dass die meisten Behörden mit dem Thema noch ganz am Anfang stehen. Dabei sind in absteigender Reihenfolge der Erhalt der Qualität der Dienstleistungen, die horizontale und fachbereichsübergreifende Vernetzung sowie das Prozess- und Verfahrensmanagement die drei zentralen Beweggründe zur Einführung von Wissensmanagement in den befragten Behörden. Die Verwaltungen bevorzugen dabei einen pilotierten Einführungskontext und keine flächendeckende Umsetzung. Die Verantwortlichen versprechen sich dadurch wertvolle Erfahrungen für die gesamte Verwaltung, um diese später nutzbar zu machen. Generell wünschen sich die Behörden vor allem aber Starthilfen in Form von Einführungsschulungen (59 %) und strukturierter Begleitung bei der Erschließung des Themenfeldes (54 %).

Wesentliche Hemmnisse und Herausforderungen für das Wissensmanagement werden vor allem durch einen erhöhten Arbeitsaufwand, fehlende materielle Ressourcen sowie zeitliche Überforderung der Mitarbeiter gesehen (in absteigender Bedeutung). Erst danach werden spezifische Argumente in Bezug auf das Wissensmanagement genannt, zum Beispiel fehlende Kenntnisse oder „Wissensegoismus“. Auch der aus organisations- und kommunikationswissenschaftlicher Perspektive wichtige Problempunkt der „traditionellen und hierarchischen Verwaltungskultur“ wird zunächst als nachrangiges Hindernis bewertet.

Handlungsempfehlungen für die Behörden

Aus den weit über die hier exzerpierten Ergebnisse der Studie hinausgehenden Erkenntnissen wurden Handlungsempfehlungen für die Behörden abgeleitet, die nachfolgend in fünf zentralen Punkten zusammengefasst werden:

  1. Es sollte mit Beispielen und Pilotprojekten begonnen werden, die eigene Erfahrungen erzeugen und für die gesamte Einrichtung nutzbar gemacht werden können.
  2. Es muss sichergestellt werden, insbesondere die Verwaltungsleitung von der Notwendigkeit des Wissensmanagements zu überzeugen.
  3. Zur nachhaltigen Umsetzung muss sich die Verwaltungskultur ändern und für eine neue Vertrauens-, Fehler- und Umgangskultur öffnen.
  4. Wissensmanagement ist ein neues Instrument, bei dessen Einführung auch die Ergebnisse und Anforderungen des Change Managements berücksichtigt werden sollten.
  5. Aufgrund der angespannten Personalsituation müssen Prioritäten in den Verwaltungen gesetzt werden – nicht alles ist (gleichzeitig) umsetzbar!

Für eine vollständige Einsicht in die Ergebnisse kann die Studie kostenfrei als PDF oder als gedruckte Broschüre über die Webseite www.wissensmanagement-oev.de bezogen werden.

Hinweis der Reaktion: Der Autor ist Vertreter der Professur für Verwaltungsmanagement und Wirtschaftsförderung an der Hochschule Harz, Leiter der dortigen Wirtschaftsförderungslabore sowie Mitglied des Nationalen E-Government Kompetenzzentrums.

 

Prof. Dr. André Göbel

Hochschule Harz, Halberstadt
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