21.04.2014

Kommunen und Zinsswaps

Erhebliche Aufklärungspflichten nach den Umständen des Einzelfalls

Kommunen und Zinsswaps

Erhebliche Aufklärungspflichten nach den Umständen des Einzelfalls

Zinsswaps – im Labyrinth der Angebote ist Aufklärung und Beratung nötig. | © Serg Nvns - Fotolia
Zinsswaps – im Labyrinth der Angebote ist Aufklärung und Beratung nötig. | © Serg Nvns - Fotolia

Gegenstand von Finanzierungen sind u. a. Zinssicherungsgeschäfte. Das können Zinsswaps sein, die eine vermeintliche Reduzierung der laufenden Zinslasten versprechen. Bei einem einfachen Standard-Zinsswap verpflichtet sich der Kunde zur Zahlung eines festen Zinses (Kunde), während sich die Bank zur Zahlung eines variablen Zinssatzes auf den gleichen Betrag festlegt (Bank). Sind die Seiten vertauscht, handelt es sich um einen sog. Receiver SWAP. Das Geschäft basiert hier auf einer unterschiedlichen Einschätzung der künftigen Zinserwartungen, so dass der Kunde das erhebliche Risiko einer nicht bekannten Entwicklung des Marktwertes des eingetauschten SWAP eingeht.

Über den reinen Zinsswap hinaus gibt es zudem eine Vielzahl von zum Teil intransparenten Finanzinstrumenten, bei denen es sich um Spekulationsgeschäfte handelt. Hierzu gehört der komplexe Zinsswap (CMS Spread Ladder). Bei diesen SWAPs werden die Zinssätze regelmäßig auf einen fiktiven Bezugsbetrag getauscht. Diese Produkte sind so komplex, dass sie nur von versierten Finanzmathematikern zu verstehen sind und sich in Wirklichkeit als „Hebelgeschäfte“ darstellen. Diese SWAPS waren bereits Gegenstand von zahlreichen Urteilen und sollen nicht Gegenstand dieses Artikels sein.

Ausgangspunkt einer Haftung

Ausgangspunkt einer Haftung des Anbieters (meist eine Bank) von Zinsswaps ist der Abschluss eines Beratungsvertrages. Dieser wird in den meisten Fällen konkludent durch tatsächliche Inanspruchnahme einer Beratung geschlossen. Der BGH hat bereits in seinem Urteil (BGH, Urt. v. 22. 03. 2011 – XI ZR 33/10) entschieden, dass auch bei SWAP-Geschäften die allgemeinen Regeln zur Aufklärung im Zusammenhang mit Anlagemodellen gelten. Danach hängen Inhalt und Umfang der Beratungspflichten von den Umständen des Einzelfalls ab. Hierbei spielen Wissensstand, Risikobereitschaft und das mögliche Vorhandensein allgemeiner Risiken (Konjunkturlage/Entwicklung des Kapitalmarktes) sowie spezieller Risiken, z. B. aus den Besonderheiten des Anlageobjekts, eine Rolle. Entsprechend der Entscheidung des OLG München (OLG München, Urt. v. 22. 10. 2012 – 19 U 672/12) gelten die anerkannten allgemeinen Grundsätze zur Beratungspflicht einer Bank auch für einfach strukturierte SWAPs. Das Argument so manch einer Bank, dass bei einfachen Zinsswaps gänzlich keine Aufklärung notwendig sei, geht damit fehl. Vielmehr ist jeder Einzelfall genau zu prüfen.


Aufklärung über sog. „negativen Marktwert“

Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit SWAPS ist die Frage, ob über den sog. „negativen Marktwert“ aufzuklären ist. Ein negativer Marktwert entsteht, wenn beide dem SWAP zugrundeliegenden Referenzzinssätze differieren und sich z. B. für den Kunden ein rechnerisches Defizit ergibt. Für die Bank stellt der anfängliche negative Marktwert des Kunden im Umkehrschluss einen anfänglichen positiven Marktwert dar. Die Bank kann diesen Marktwert im Rahmen von Gegengeschäften (Hedging) realisieren. Damit stellt der anfängliche negative Marktwert des Kunden die Gewinnmarge der Bank dar, die diese – nach Abzug ihres Aufwandes – aus dem Geschäft erwirtschaftet. Im Regelfall besteht also bereits deshalb ein anfänglicher negativer Marktwert für den Kunden, weil Abschluss- und Verwaltungskosten eingepreist werden oder die Bank als „Wettgegner“ den SWAP zu einem für sie günstigen Zeitpunkt anbietet. Es bedarf dann aus Sicht des Kunden erst einer erheblichen Verbesserung seines Referenzzinssatzes, um überhaupt ins „Plus“ zu kommen. Tritt dieser Fall nicht ein, stellt das Geschäft eine faktische Kostenverteuerung mit weiteren Haftungsrisiken dar.

Die Frage, ob die Möglichkeit eines solchen negativen Marktwertes aufklärungspflichtig ist, kann von zwei Seiten betrachtet werden:

Wenn man die Ursache des negativen Marktwertes in der „geschickten“ zeitlichen Platzierung des SWAPS durch die Bank als Wettgegner sieht, könnte man vertreten, dass zumindest bei einfachen Zinsswaps der Kunde eigene Recherchen anstellen muss um herauszufinden, wie die aktuelle Zinslage sich darstellt. Tut er dies nicht, kann er die schlechte Entwicklung ggf. nicht der Bank zurechnen und Schadensersatz verlangen. So verneinte das OLG Köln (OLG Köln, Urt. v. 18. 01. 2012 – 13 U 235/10) im Zusammenhang mit einem strukturierten Zinsswap-Vertrag eine Aufklärungspflicht der dortigen Bank. Es heißt dort (RZ 22 bei juris):

„…Nach Ansicht des Senats ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (WM 2011, 682) zur Aufklärungspflicht über einen anfänglichen negativen Marktwert eines CMS-Spread-Ladder-Swaps auf das vorliegende Swapgeschäft bereits nicht übertragbar. Anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall ist der – von der Beklagten zu zahlende – variable Zinssatz bei dem hier in Rede stehenden Swap nicht rechnerisch komplex (mit Hebelwirkung etc.) strukturiert. Zudem hat der Kläger – als auf der Gegenseite der Zinswette stehender Vertragspartner – einen festen Zinssatz zu zahlen, so dass sein Verlustrisiko nicht unbegrenzt ist. Daraus ergibt sich nach Auffassung des Senats, dass nicht angenommen werden kann, dass die Beklagte einen unerkennbar in das Finanzprodukt einstrukturierten eigenen Vorteil – und einen daraus resultierenden Interessenkonflikt in einer für den Anleger nicht erkennbaren Weise ihm gegenüber verheimlicht hat….“

Das OLG Düsseldorf führte in seiner Entscheidung demgegenüber aus, dass über den anfänglichen negativen Marktwert der Swaps grundsätzlich aufzuklären sei. Denn bei der Empfehlung eines Swap-Vertrages, bei dem der Gewinn der einen Seite den spiegelbildlichen Verlust der anderen Seite darstellt, befindet sich die beratende Bank in einem schwerwiegenden Interessenkonflikt. Sie übernimmt eine Rolle, die den Interessen des Kunden entgegengesetzt ist. Für sie erweist sich der „Tausch“ nur dann als günstig, wenn die ihrer Empfehlung zugrunde liegende Prognose zur Entwicklung des Basiswerts gerade nicht eintritt und der Kunde damit einen Verlust erleidet (OLG Düsseldorf, Urt. v. 07. 10. 2013 – I-9 U 101/12, 9 U 101/12).

Wenn man dagegen die Ursache des negativen Marktwertes in der anfänglichen Einpreisung von Kosten sieht, könnte man auf den ersten Blick die Auffassung vertreten, dass Gewinnmargen eines Anbieters nur in definierten Ausnahmefällen aufklärungsbedürftig sind. Es geht hier also nicht primär um eine Risikoaufklärung, sondern um das Offenbaren von Interessenskonflikten (objektive Aufklärung vs. Umsatz-, Provisionsinteresse der Bank).

Hierzu hat der BGH in seinem Urteil (BGH, Urt. v. 22. 03. 2011 – XI ZR 33/10) Stellung genommen und ausgeführt, dass eine Aufklärungspflicht beim Hinzutreten von besonderen Umständen dann besteht, wenn die Risikostruktur bewusst zulasten des Kunden gestaltet wurde. Es heißt dort (RZ 38 bei juris):

„…Zutreffend hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass eine Bank, die – wie hier – eigene Anlageprodukte empfiehlt, grundsätzlich nicht verpflichtet ist, darüber aufzuklären, dass sie mit diesen Produkten Gewinne erzielt. Dies ist in einem solchen Fall für den Kunden offensichtlich (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2010 – III ZR 196/09, BGHZ 185, 185 Rn. 12). Der insofern bestehende Interessenkonflikt ist derart offenkundig, dass auf ihn nicht gesondert hingewiesen werden muss, es sei denn, es treten besondere Umstände hinzu. Der hier aufklärungspflichtige Interessenkonflikt besteht weder in der generellen Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten noch in der konkreten Höhe der von ihr einkalkulierten Gewinnmargen. Zu einer Aufklärungspflicht führt allein die Besonderheit des von ihr konkret empfohlenen Produkts, dessen Risikostruktur sie bewusst zu Lasten des Kunden gestaltet hat, um unmittelbar im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss das Risiko „verkaufen“ zu können, das der Kunde aufgrund ihrer Beratungsleistung übernommen hat. Dies kann der Kunde – anders als die generelle Gewinnerzielungsabsicht der Bank – gerade nicht erkennen. Dass – worauf die Beklagte hinweist – die Chancenverschiebung in den Konditionen des Swap-Vertrages „offenlag“, ändert hieran nichts. Wie sie selbst einräumt, setzt die Festlegung der einzelnen Strukturelemente des Swaps eine mehr oder weniger komplizierte finanzmathematische Berechnung voraus, zu der normalerweise nur die Bank und nicht auch der Kunde in der Lage ist.“

Dieses Urteil bezog sich auf einen strukturierten SWAP, dessen Zahlungshöhe sich für den Kunden anhand einer Formel berechnet und für ihn ohne erhebliche finanzmathematische Kenntnisse nicht nachvollziehbar ist. Sofern es sich demgegenüber um einen einfachen Zinsswap oder einen Währungsswap handelt, bedarf es hier einer erheblichen Begründung des „bewusst zu Lasten des Kunden gestalteten Nachteils“. Denn im Regelfall können die Basisdaten in Form von Zinssätzen ggf. nachgelesen werden. Hier empfiehlt sich die genaue Analyse der im Vorfeld überreichten Präsentationen/Berechnungen. War der vom Kunden zu zahlende Zinssatz bereits weit vor Unterzeichnung des SWAP-Vertrages höher als der eingetauschte Zins und findet sich in den Unterlagen kein weitergehender Hinweis auf die tatsächliche Lage oder ein ausreichender Risikohinweis, kann eine Falschberatung vorliegen.

Sonstige Aufklärungspflichten

Bei Währungsswaps (CCS) existieren zudem weitere erhebliche Aufklärungspflichten. Nach der Entscheidung des OLG München (OLG München, Urt. v. 29. 03. 2012 – 5 U 216/12) ist der Kunde auch beim Abschluss eines Cross Currency Swap (CCS)-Vertrages detailliert über die Entwicklungspotenziale, also über Prognosen, hinsichtlich der beiden beteiligten Volkswirtschaften, aber auch hinsichtlich drohender, wirtschaftlich eigentlich nicht fundierter Einflussnahmen („freies Spiel der Finanzmärkte“) aufzuklären. Der Kunde muss darüber belehrt werden, dass er die Erfolgsaussichten des Geschäfts nicht allein auf der Grundlage seiner eigenen Erkenntnisse einschätzen kann, sondern dass er hierfür die Ergebnisse von anerkannten Bewertungsmodellen benötigt. Die Bank muss dem Kunden den im Wesentlichen identischen Kenntnisstand vermitteln, der auch bei ihr vorhanden ist. Diese Aufklärung hat nicht allgemein, sondern für jedes Swap-Konstrukt gesondert zu erfolgen, und zwar sowohl hinsichtlich des Verhältnisses der beiden Währungen (insbesondere in der Zukunft) zueinander als auch hinsichtlich der beiden Zinssätze gleichfalls in die Zukunft hinein betrachtet.

Unbegrenztes Verlustrisiko

Im Urteil des BGH (BGH, Urt. v. 22. 03. 2011 – XI ZR 33/10) wurden umfangreiche Aufklärungspflichten der Banken im Zusammenhang mit dem sog. spread ladder swap festgestellt. Danach muss die beratende Bank dem Kunden in verständlicher und nicht verharmlosender Weise insbesondere klar vor Augen führen, dass das für ihn nach oben nicht begrenzte Verlustrisiko nicht nur ein „theoretisches“ ist, sondern abhängig von der Entwicklung des „Spreads“ real und ruinös sein kann. Es heißt in diesem Urteil.

„…Dazu sind nicht nur eingehende Erläuterungen aller Elemente der Formel zur Berechnung des variablen Zinssatzes (Multiplikationsfaktor, „Strike“, Anknüpfung an den Zinssatz der Vorperiode, Mindestzinssatz des Kunden von 0 %) und ihrer konkreten Auswirkungen (z. B. Hebelwirkungen, „Memory-Effekt“) bei allen denkbaren Entwicklungen des „Spreads“ erforderlich, sondern insbesondere auch eine eindeutige Aufklärung des Kunden darüber, dass das Chance-Risiko-Profil zwischen den Teilnehmern der Zinswette unausgewogen ist: Während das Risiko des Kunden unbegrenzt ist, ist das der Bank – unabhängig von deren „Hedge-Geschäften“ – von vornherein dadurch eng begrenzt, dass sich durch die Kappung der variablen Zinsen bei 0 % (sog. Floor) keine negative Zinszahlungspflicht des Kunden errechnen kann, die die auf 3 % p.a. festgeschriebene Zinszahlungspflicht der Bank erhöhen könnte. Ohne Schilderung all dieser Faktoren kann die beratende Bank nicht davon ausgehen, dass der Kunde die Risiken des Geschäfts verstanden hat. Die Aufklärung, die in ihrer Intensität von den Umständen des Einzelfalls abhängt, muss auch bei einem so hoch komplexen Produkt gewährleisten, dass der Kunde im Hinblick auf das Risiko des Geschäfts im Wesentlichen den gleichen Kenntnis- und Wissensstand hat wie die ihn beratende Bank, weil ihm nur so eine eigenverantwortliche Entscheidung darüber möglich ist, ob er die ihm angebotene Zinswette annehmen will…“

SWAP-Geschäfte bei Kommunen sittenwidrig?

Bei SWAP-Geschäften in Bezug auf Kommunen wird zusätzlich diskutiert, ob diese Geschäfte überhaupt rechtmäßig sind. Denn immerhin ist die öffentliche Hand an das Prinzip der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit gebunden.

Zumindest strukturierte Zinsswaps werden zum Teil als nicht rechtmäßig angesehen (Zum kommunalen Spekulationsverbot z. B. Weck/Schick (2012), NZwR 2012, Heft 1, S. 18-22, Weck/Jäger, in: PUBLICUS 2012.8). Denn diese hochkomplexen Zinswetten, die letztlich mit einem Glücksspiel vergleichbar sind, werden als ungleich eingeordnet. So argumentiert z. B. das LG Dortmund (LG Dortmund, Entsch. v. 05. 07. 2013 – 6 O 85/12):

„..Zudem besteht eine asymmetrische Informationsverteilung (= der Vertragspartner hat die Spielregeln so gestaltet, dass ich die Spielregeln ohne einen Sachverständigen nicht durchblicken kann). Durch das einseitige Kündigungsrecht kann die Bank das Geschäft jederzeit beenden (= das Casino kann bei einer negativen Serie das Glücksspiel jederzeit beenden und die Spieler auffordern, den Spieltisch zu verlassen). Dagegen gibt es i.d.R. nur ein mit Verlust verbundenes Kündigungsrecht der Kommune (= der Spieler muss immer weiter spielen und für den Fall, dass er das Spiel einseitig beendet, muss er große Teile des Gewinns herausgeben)…. Nach Überzeugung der Kammer handelt es sich unter Berücksichtigung der obigen Erwägungen bei dem Abschluss von komplexen kommunalen Zinsswapgeschäften dem Gesamtcharakter nach um ein sittenwidriges Rechtsgeschäft, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt…“

Fazit

Anbieter von Zinsswaps sind erheblichen Aufklärungspflichten unterworfen. Regelmäßig wird mit Inanspruchnahme einer Empfehlung ein konkludenter Beratungsvertrag geschlossen. Art und Umfang dieser Beratungspflicht hängen von den konkreten Risiken des abzuschließenden Geschäftes und den Vorkenntnissen des Kunden ab. Hierbei ist auf den konkreten Zweck des Geschäftes abzustellen. Zudem ist anhand der im Vorfeld übergebenen Unterlagen zu prüfen, ob die vorhandene asymmetrische Informationsverteilung durch Risikohinweise ausreichend transparent gemacht wird.

 

Sabine Haselbauer

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, MSc. Real Estate Management, Schirp Schmidt-Morsbach Neusel, Berlin
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