15.04.2014

Auf dem Weg zum Bürgerstadtwerk

"Energie-Kommune" Jena: Stadtwerk und Bürger machen gemeinsame Sache

Auf dem Weg zum Bürgerstadtwerk

"Energie-Kommune" Jena: Stadtwerk und Bürger machen gemeinsame Sache

Der Energieumbau schreitet dank beispielhafter Vorbilder voran. | © Scanrail - Fotolia
Der Energieumbau schreitet dank beispielhafter Vorbilder voran. | © Scanrail - Fotolia

Die Universitätsstadt Jena ist mit etwa 106.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Thüringens und steht mit Namen wie Carl Zeiss, Ernst Abbe und Otto Schott für herausragende Geistesgrößen und gleichzeitig erfolgreiche Unternehmer im Bereich der Optik und Glasverarbeitung. In Jena gebietet also schon die Tradition eine sinnvolle Verbindung aus Forschung und Praxis. Diese Verbindung ist auch das Leitbild für die regionale Energiewende. Daher arbeitet Jena mit dem Saale-Holzland-Kreis in der Bioenergie-Region „Jena-Saale-Holzland“ zusammen, um die Vor- und Nachteile von Stadt und Land beim Umbau der Energieversorgung auszugleichen.

„Eine Großstadt wie Jena ist beim Umbau der Energieversorgung auf die Flächenpotenziale des Umlands angewiesen“, erklärt Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter. „Umgekehrt bringen wir durch die kommunalen Stadtwerke dringend notwendiges Knowhow in die Zusammenarbeit mit dem Umland ein. Dabei geht es immer auch um die Einbindung der Menschen in die Projekte, da es schließlich sie sind, die die Energiewende mittragen müssen.“

Jenas Stadtwerke sitzen an vielen entscheidenden Schnittstellen der regionalen Energiewende: Sie betreiben das örtliche Fernwärmenetz, das elektrische Verteilnetz sowie das Erdgasnetz und sind Netzbetreiber in 22 Gemeinden des Jenaer Umlands. Die Stadtwerke sind Partner vor Ort für die sichere Versorgung mit Strom, Erdgas und Fernwärme in Jena, Pößneck und der Region Ostthüringen. Sie kümmern sich darum, dass die Energienetze funktionieren, halten die Netze instand und investieren in den Ausbau. Das Jenaer Unternehmen betreibt ein Netzgebiet von 370 km² und beliefert mehr als 60.000 Kunden mit Strom, 19.000 Kunden mit Erdgas und versorgt 1.400 Hausanschlüsse mit Fernwärme (Stand: 2012). Als Partner des Zweckverbandes JenaWasser kümmert sich das Stadtwerk um alle technischen Anlagen zur Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in Jena und mehr als 20 Städten und Gemeinden des Umlandes und ist verantwortlich für die kaufmännische Betriebsführung des Verbandes.


Die Stadtwerke Energie Jena-Pößneck sind ein Querverbundunternehmen, dass neben der Energieversorgung über verschiedene Tochtergesellschaften auch in den Bereichen Wohnen und Services tätig ist. Sie gehören zum kommunalen Unternehmensverbund Stadtwerke Jena GmbH mit dessen Kompetenzfeldern Energie, Wohnen, Mobilität, Freizeit und Services. Daher sind sie auch für den öffentlichen Personennahverkehr und die größte Jenaer Wohnungsgesellschaft verantwortlich. „Unsere Stadtwerke sind für die Herausforderungen der Energiewende auf vielen Ebenen gut vorbereitet“, sagt Oberbürgermeister Schröter. „Neben Fernwärme und Erdgas versorgen die Stadtwerke Energie die Bürgerinnen und Bürger mit Strom – seit 2011 mit einem Strommix ohne Kernkraft, seit Sommer 2013 ausschließlich mit grünem Strom aus Wasserkraft. Auch Ökogas gehört zum Produktangebot. Zusätzlich können sich die Menschen vor Ort auch über eine Energiegenossenschaft an den Stadtwerken beteiligen.“

Auf dem Weg zum Bürgerstadtwerk

Am 23. April 1991 gründete sich die Stadtwerke Jena GmbH mit den Anteilseignern Stadt Jena (51 %) und Saarberg-Fernwärme GmbH (49 %). 1992 übernahm das Stadtwerk die Fernwärme- und Gasversorgung Jenas, 1993 folgte die Übernahme der Betriebsführung für den Wasser- und Abwasserzweckverband Jena. Im Jahr 2000 fusionierten die Stadtwerke Jena und Pößneck zu den Stadtwerken Jena-Pößneck. 2002 erwarben die Stadtwerke 94 Prozent der Geschäftsanteile der größten Jenaer Wohnungsgesellschaft (jenawohnen). 2007 ging die Biogasanlage Jena-Zwätzen und 2008 das Biomasseheizkraftwerk Hermsdorf in Betrieb. In der Energieversorgung setzt das Unternehmen außerdem vorrangig auf Energie, die durch das umweltfreundliche Verfahren der Kraft-Wärme-Kopplung bereitgestellt wird und betreibt selbst Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien.

Seit ihrer Gründung 1991 setzen sich die Stadtwerke Energie Jena-Pößneck für aktiven Klimaschutz ein, initiieren vielseitige Energiesparaktionen und sind Stifter der Klimaschutzstiftung Jena-Thüringen. Das Unternehmen ist wichtiger Wirtschaftsfaktor der Region und Auftraggeber für Handwerk, Gewerbe und Industrie. Gleichzeitig sind die Stadtwerke ein bedeutender regionaler Arbeitgeber und leisten einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung junger Menschen. Sie engagieren sich als Partner von Kultur, Sport, Umwelt und sozialen Projekten in Jena und der Region.

Im Jahr 2011 hat sich der Gesellschafterkreis der Stadtwerke Energie verändert: Neben der Stadtwerke Jena GmbH (62,1 %) wurde die Thüga AG München neuer Gesellschafter mit einem Anteil von 20 Prozent. Mit Wirkung vom 1. Januar 2012 erwarb ferner die 2011 gegründete BürgerEnergie Jena eG 2 Prozent der Anteile – die erste Beteiligung einer Bürgerenergiegenossenschaft an Stadtwerken in einer Großstadt in Deutschland – mit dem Ziel, die regionale Energieerzeugung zu intensivieren und die Energiewende vor Ort gemeinsam mit den Bürgern erlebbar zu gestalten. Für ihr Engagement zeichnete die Agentur für Erneuerbare Energien die Stadt Jena 2014 als „Energie-Kommune“ aus.

Für die Beteiligung an den Stadtwerken Energie Jena-Pößneck sollten mehr als 8 Millionen Euro eingesammelt werden. Inzwischen wurde die Zielmarke bereits übertroffen. Ein Anteil kostet 500 Euro und verspricht mit einem Zinssatz von 4 Prozent eine interessante Anlage. Über die Beteiligung an den Stadtwerken verspricht sich die Energiegenossenschaft außerdem eine Bürgerstimme bei der Ausrichtung der Unternehmenspolitik. „Ziel der Energiegenossenschaft ist es, die Initiative der Stadtwerke beim Ausbau der Erneuerbaren Energien zu verstärken und die Energiewende vor Ort erlebbar zu gestalten“, berichtet Oberbürgermeister Schröter. „Außerdem soll die regionale Energieerzeugung intensiviert und mit dem regionalen Verbrauch zusammengebracht werden.“

Die Zahl der Genossenschaften nimmt im Zeichen der Energiewende weiterhin kontinuierlich zu. Die Gründungsdynamik im Bereich der Energiegenossenschaften setzte sich 2012 auf dem Niveau des Jahres 2011 fort. Zum Ablauf des Jahres 2012 waren 754 Energiegenossenschaften in den Genossenschaftsregistern eingetragen. Das Jahr 2012 übertrifft mit 199 Neueintragungen im Bereich der Energiegenossenschaften das Jahr 2011 leicht. Regionale Schwerpunkte der Entwicklung sind Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen.

Jena wird erneuerbar

Die Verbindung von regionaler Erzeugung und regionalem Verbrauch versuchen die Jenaer Stadtwerke bereits in vielen verschiedenen Projekten umzusetzen. Für das Wärmenetz werden zunehmend regionale Potenziale nutzbar gemacht. Dabei arbeiten die Stadtwerke mit genossenschaftlichen Agrarunternehmen im Umland zusammen und haben so bereits einige Biogasanlagen umgesetzt, wie etwa die Biogasanlage in Jena-Zwätzen, die 2013 10,7 Millionen Kilowattstunden Strom und 10,3 Millionen Kilowattstunden Wärme produzierte und teilweise in die Jenaer Versorgungsnetze einspeiste. Die Agrargenossenschaft liefert die dafür notwendigen Substrate und die Stadtwerke betreiben die Anlagen. Auch im Bereich des Wohnungsbaus setzen die Stadtwerke gemeinsam mit Partnern auf erneuerbare Energien und einen sparsamen Verbrauch. Auf mehreren Wohnblocks wird Strom aus Solaranlagen erzeugt, ein Mehrfamilienhaus mit Passivhausstandard errichtet. „Durch das reiche Portfolio können die Stadtwerke eine integrative Strategie fahren“, sagt Oberbürgermeister Schröter. „Damit bieten unsere Stadtwerke ein umfassendes Instrumentarium für eine erneuerbare Zukunft in Jena.“

Gemeinsam mit den Menschen und dem Umland

Die Zukunft Jenas und der Umgebung ist zwar vom demographischen Wandel geprägt, der Trend sieht aber eine steigende Einwohnerzahl in Jena. „Als Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort hat Jena gute Chancen“, so Albrecht Schröter. „Um auch den kommenden Generationen eine Zukunft bieten zu können, ist der Umbau der Energieversorgung mit erneuerbaren Energien jedoch unverzichtbar.“ Jena geht den Weg in eine regenerative Zukunft gemeinsam mit den Gemeinden im Umland und mit den Bürgern vor Ort. „Die Energiewende ist zwar primär eine technische Herausforderung, sie kann aber nur gemeinsam mit den Menschen gelingen“, ist Oberbürgermeister Schröter überzeugt. „Nur mit der Akzeptanz der Projekte vor Ort und der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger wird die Energiewende ihre dynamische Entwicklung beibehalten.“

 

Benjamin Dannemann

Referent für Presseund Öffentlichkeitsarbeit, Agentur für Erneuerbare Energien e.V., Berlin
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