14.06.2021

Polizei darf „Corona-Rebellen“ bei wiederholten Verstößen in Sicherungsgewahrsam nehmen

Amtsgericht Hof, Beschl. v. 9.4.2020 – XIV 24/20 und XIV 25/20

Polizei darf „Corona-Rebellen“ bei wiederholten Verstößen in Sicherungsgewahrsam nehmen

Amtsgericht Hof, Beschl. v. 9.4.2020 – XIV 24/20 und XIV 25/20

Ein Beitrag aus »Neues Polizeiarchiv« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Neues Polizeiarchiv« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Sachverhalt

In Zeiten von Corona hatte sich das Amtsgericht Hof im April 2020 gleich in zwei ganz ähnlich gelagerten Fällen mit der Frage auseinander zu setzen, ob ein polizeilich durchgesetzter, mehrtägiger Sicherungsgewahrsam als Freiheit entziehende Maßnahme zulässig ist, wenn Bürger (wiederholt) gegen gesetzliche Ausgangsbeschränkungen auf Grundlage landesrechtlicher Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen verstoßen.

In beiden entschiedenen Fällen bestand aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie eine Landesverordnung für Infektionsschutzmaßnahmen, nach der – vorbehaltlich speziellerer Regelungen und behördlicher Ausnahmegenehmigungen – Veranstaltungen, Versammlungen und Ansammlungen von Bürgern zumindest vorübergehend landesweit untersagt waren, um eine weitere Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen. Dennoch gab es einzelne Bürger, die sich aus verschiedensten Gründen nicht an die gesetzlichen Beschränkungen hielten. In den nun durch das Amtsgericht Hof entschiedenen Fällen musste die Polizei feststellen, dass von den Betroffenen „Corona-Rebellen“ wiederholt Verstöße gegen die Beschränkung begangen worden waren. Immer wieder kam es durch die Betroffenen – ohne triftigen Grund – zu Ansammlungen und Zusammenkünften mit Personen verschiedener Haushalte. Die Betroffenen gaben teilweise an, die Landesverordnung zu den Infektionsschutzmaßnahmen nicht ernst genommen zu haben und zeigten somit schon durch diese Äußerung eine fehlende Akzeptanz der gesetzlichen Bestimmungen. Die anschließende Ankündigung der Betroffenen, künftig jedoch nicht noch einmal gegen die Landesverordnung und die mit diesen einhergehenden Beschränkungen zu verstoßen, half den Betroffenen nicht mehr.

Das Amtsgericht Hof erklärte die mehrtägigen Ingewahrsamnahmen der Betroffenen durch die Polizei für rechtmäßig.


Zum Urteil

Der wiederholte Verstoß gegen das Ansammlungs- und Versammlungsverbot aufgrund vorübergehend geltender gesetzlicher Bestimmungen zur Eindämmung des Corona-Virus auf Grundlage der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung stellt eine Ordnungswidrigkeit i. S. d. Infektionsschutz-gesetzes dar. Droht eine Wiederholung des Verstoßes, z. B. bei beharrlichen „Corona-Rebellen“, ist die Anordnung und Durchsetzung eines mehrtägigen polizeilichen Sicherungsgewahrsams zulässig. Dies jedenfalls dann, wenn mildere Maßnahmen wie ein Platzverweis zuvor bereits erfolglos ausgesprochen worden sind. Die Dauer der Freiheit entziehenden Maßnahme ist zwingend auf das im Einzelfall erforderliche Maß zu beschränken. Vorliegend konnte der Sicherungsgewahrsam jedoch für mehrere Tage aufrechterhalten werden.

In beiden vom bayrischen Amtsgericht Hof zu entscheidenden Fällen lagen die Voraussetzungen für die Anordnung des polizeilichen Sicherungsgewahrsams vor, sodass die polizeilichen Maßnahmen zulässig waren. Nach Auffassung des Gerichts war die Ingewahrsamnahme der betroffenen Personen in beiden Fällen unerlässlich, um die unmittelbar bevorstehende Begehung weiterer Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit – nämlich weitere Verstöße gegen die Ausgangssperre sowie das Ansammlungs- und Versammlungsverbot – zu verhindern. Die Betroffene hatten zuvor an mehreren aufeinander folgenden Tagen während der Dauer der vorrübergehend geltenden gesetzlichen Ausgangsbeschränkung wiederholt gegen die Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Landes Bayern verstoßen und sich somit – ebenfalls wiederholt – ordnungswidrig verhalten.

Allein die Behauptung der Betroffenen, sich künftig an die Verordnung zu halten, genügte nach Auffassung des Gerichts nicht für die Abwendung der Gefahr der Begehung weiterer Verstöße. Nach Auffassung des Gerichts haben die Betroffenen vielmehr durch ihre mehrfachen und beharrlichen Verstöße in nur wenigen Tagen bereits gezeigt, dass sie gerade nicht gewillt sind, die gesetzlichen Bestimmungen der zumindest vorrübergehend geltenden Ausgangsbeschränkungen einzuhalten. Das Gericht sah bei diesen „Corona-Rebellen“ deshalb eine Wiederholungsgefahr.

Die grundsätzlich möglichen milderen Mittel in Form von Auflösungen der Zusammenkünfte, eindringliche Belehrungen seitens der Polizei sowie Platzverweise, waren in den vorliegenden Fällen bereits ausgeschöpft und hatten keine Wirkung gezeigt. Mildere Mittel als der polizeiliche Sicherungsgewahrsam standen somit nicht mehr zur Verfügung. Da die gesetzliche Ausgangsbeschränkungen und Ansammlungs- und Versammlungsverbote nur vorübergehend galten, wurde auch die Ingewahrsamnahme zeitlich auf wenige Tage – nämlich bis zur Aufhebung der Beschränkungen – befristet.

Anmerkung:

Die wiederholt gegen die gesetzlichen Beschränkungen zur Eindämmung des Corona-Virus erlassenen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung verstoßenden Betroffenen handelten ordnungswidrig i. S. d. Infektionsschutzgesetzes i.V.m. der Landesverordnung. Droht in solchen Fällen eine Wiederholung des Verstoßes, z. B. bei beharrlichen „Corona-Rebellen“, ist die Anordnung und Durchsetzung eines mehrtägigen Polizeigewahrsams/Sicherungsgewahrsams zulässig. Dies jedenfalls dann, wenn mildere Maßnahmen zuvor bereits durch die Polizei ausgesprochen wurden und diese milderen Maßnahmen keine Abhilfe geschaffen haben. Die Dauer der Ingewahrsamnahme durch die Polizei ist jedoch stets auf das erforderliche Maß zu beschränken, das im jeweiligen Einzelfall variieren kann. Im vorliegenden Fall war das erforderliche Maß auch bei einem mehrtägigen Sicherungsgewahrsam noch gegeben.

NPA 12/2020

 

Vivien Tzelepis, LL.M.

Rechtsanwältin
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