12.11.2020

Mietendeckel: Die zweite Stufe tritt in Kraft

Das BVerfG lehnt den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab

Mietendeckel: Die zweite Stufe tritt in Kraft

Das BVerfG lehnt den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab

Das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin trat am 23.02.2020 in Kraft.  |  © Nils Hasenau - stock.adobe.com
Das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin trat am 23.02.2020 in Kraft. | © Nils Hasenau - stock.adobe.com

In einem aktuellen Beschluss lehnte das Bundesverfassungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das Inkrafttreten der Regelung über das Verbot überhöhter Mieten ab. Die Frage, ob dem Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz für die angegriffenen Regelungen des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin zusteht, bezeichnete das Gericht dabei allerdings als offen.

Die Gesetzeslage:

Das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) trat am 23. Februar 2020 in Kraft. Gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung tritt § 5 MietenWoG Bln erst neun Monate nach der Verkündung des MietenWoG Bln, d.h. am 22. November 2020, in Kraft. § 5 Abs. 1 MietenWoG Bln regelt, dass es i.S.v. § 134 BGB verboten ist, für Wohnungen, die in den Anwendungsbereich des MietenWoG Bln fallen, überhöhte Mieten zu fordern, auch wenn diese vertraglich vereinbart sind.

Die Definition der überhöhten Mieten basiert auf § 5 i.V.m. § 6 und 7 Abs. 1 MietenWoG Bln. Eine überhöhte Miete liegt demnach vor, wenn die Miete mehr als 20 % oberhalb der Mietobergrenze i.S.d. §§ 6 und 7 Abs. 1 MietenWoG beträgt, wobei gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 MietenWoG Bln die Wohnlage Berücksichtigung findet. Bei einfacher Wohnlage wird ein Abschlag von 0,28 € pro m2, bei mittlerer Wohnlage ein Abschlag von 0,09 € pro m2 und bei guter Wohnlage ein Zuschlag von 0,74 € pro m2 berücksichtigt. Die Wohnlagenzuordnung wird gem. § 5 Abs. 3 MientWoG Bln von der zuständigen Senatsverwaltung durch Rechtsverordnung festgesetzt. Bis zum Erlass der Rechtsverordnung, die frühestens für den 22. November 2020 avisiert ist, gilt gemäß Ziffer 5.2 der Ausführungsvorschriften zum Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (AV-MietenWoG Bln) die Wohnlagenzuordnung basierend auf dem Adressenverzeichnis des Mietspiegels 2019.


Die für das Wohnungswesen zuständige Senatsverwaltung überwacht gem. § 5 Abs. 2 MietenWoG Bln die Einhaltung des Verbots der überhöhten Mieten und ist befugt, sämtliche aus ihrer Sicht notwendigen Maßnahmen zur Durchsetzung zu ergreifen.

Ein vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstoß gegen § 5 Abs. 1 MietenWoG Bln stellt gem. § 11 Abs. 1 Nr. 4 MietenWoG Bln eine Ordnungswidrigkeit dar.

Das Verfahren:

In dem Verfahren gem. § 32 Abs. 1 i.V.m. § 93d Abs. 2 BVerfGG auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Aussetzung des Inkrafttretens des § 5 Abs. 1 und 2 MietenWoG beschloss das Bundesverfassungsgericht am 28. Oktober 2020 (Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Oktober 2020 – 1 BvR 972/20 -), den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung führt das Bundesverfassungsgericht zunächst unter Bestätigung der Entscheidung vom 10. März 2020 (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 10. März 2020 – 1 BvQ 15/20) ausführlich aus, dass die Anforderungen an den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Außervollzugsetzung einer gesetzlichen Regelung besonders hoch sind. Zudem darf der Entscheidung nicht die Frage zugrunde gelegt werden, ob die in Frage stehenden Regelungen verfassungswidrig sind oder nicht. Vielmehr muss eine Folgenabwägung vorgenommen werden. Hierbei sind sowohl die Folgen auf Seiten des Antragsstellers als auch auf Seiten aller vom Gesetz Betroffenen, hier also der Vermieter, zu berücksichtigen. Zudem müssen die mit den Folgen verbundenen „Nachteile irreversibel oder nur sehr erschwert revidierbar“ oder bis zur Entscheidung in der Hauptsache „sehr schwerwiegend“ sein. Dieser hohe Maßstab führt dazu, dass auch der Maßstab für die Darlegung der Nachteile und deren Intensität sehr hoch ist.

In dem zu entscheidenden Fall konnte aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts nicht nachgewiesen werden, dass die konkreten Folgen für die Antragstellerin die genannten Kriterien erfüllen. Insbesondere fehlte der Nachweis für eine wirtschaftliche Existenzgefährdung oder dauerhafte Substanzgefährdung. Vor diesem Hintergrund bedurfte es auch keiner weiteren Prüfung der Nachteile aller sonst vom Gesetz betroffenen Vermieter Berlins. Zudem besteht in Einzelfällen die Möglichkeit, von der Härtefallregelung gem. § 8 MietenWoG Bln Gebrauch zu machen.

Auch das Argument, dass bereits ein fahrlässiger Verstoß gegen § 5 Abs. 1 MietenWoG als Ordnungswidrigkeit gem. § 11 Abs. 1 Nr. 4 MietenWoG Bln geahndet wird, obwohl die Berechnung der zulässigen Miete Probleme aufwerfe, ist aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts für die einstweilige Anordnung auf Außervollzugsetzung der Norm nicht ausreichend. Die Berechnung basiert auf den bekannten, von der Rechtsprechung ausgelegten Grundsätzen zur Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete gem. § 558 Abs. 2 BGB.  Es ist auch nicht entscheidend, dass die Verordnung zur Wohnlagenzuordnung frühestens am 22. November 2020 erlassen wird, da gem. Ziffer 5.2 AV-MietenWoG Bln die Berechnung der zulässigen Miete auf Basis des Adressverzeichnisses zum Mietspiegel 2019 erfolgt. Somit bestehen keine erheblichen Probleme bei der Berechnung der zulässigen Miethöhe, so dass ein fahrlässiger Verstoß gegen § 5 Abs. 1 MietenWoG Bln nicht wahrscheinlich ist. Zudem unterliegt die Ahndung als Ordnungswidrigkeit gem. § 47 Abs. 1 Satz OWiG dem Opportunitätsprinzip.

Die Bedeutung der Entscheidung:

Bis zu der Entscheidung der 3. Kammer des Ersten Senats hofften viele Marktbeteiligte auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Außervollzugsetzung des § 5 MietenWoG Bln, da dieser zu einer Reduzierung vertraglich vereinbarter Mieten bei ca. 340.000 Mietverhältnissen zur Folge hat. Die Konsequenz sind neben dem Verwaltungsaufwand erhebliche wirtschaftliche Einbußen, die zwar nicht in jedem Fall existenzbedrohend, so jedoch teilweise schwerwiegend sein werden. Hinzu kommt, dass Eigentümer geplante Investitionen zurückstellen, was Folgen für die Gebäudesubstanz hat und somit den Mietern zum Nachteil gereicht. Mit dem Beschluss vom 28. Oktober 2020 hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts diese Hoffnungen beendet. Gleichzeitig aber stellt sie erneut klar, dass die Frage, ob das Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz zum Erlass des MietenWoG Bln hat, als offen bezeichnet werden muss. Zudem betont die Kammer explizit, dass im Falle der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Norm, d.h. des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 MietenWoG, Vermieter die mit den „Mietern vertraglich vereinbarten Beträge rückwirkend verlangen“ können. Das Bundesverfassungsgericht sieht in diesem Zusammenhang auch die Gefahr, dass Mieter ohne die Bildung von Rücklagen gegebenenfalls nicht in der Lage sind, zu einem späteren Zeitpunkt die geschuldeten Beträge nachzuzahlen. Jedoch führe dieses Risiko aufgrund des absehbaren Zeitraums bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zu irreversiblen schwerwiegenden Nachteilen auf Seiten der Vermieter.

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass zwar § 5 MietenWoG Bln am 22. November 2020 in Kraft tritt, das Bundesverfassungsgericht gleichzeitig aber betont, dass die Frage der Gesetzgebungskompetenz weiterhin nicht entschieden ist. Zudem können Vermieter die Differenz zwischen der wirksam vereinbarten Miete und der zulässigen Miete i.S.d. § 5 Abs. 1 MietenWoG Bln von den Mietern rückwirkend verlangen, sollte die Norm für verfassungswidrig erklärt werden. Mit dieser Feststellung beendet das Bundesverfassungsgericht gleichzeitig eine politische Diskussion um genau diese Frage.

 

Prof. Dr. Karola Knauthe, LL.M. (Innsbruck)

Professur für Immobilienrecht mit den Schwerpunkten Immobilienwirtschaft, Immobiliensteuerrecht und öffentliches Immobilienrecht
n/a