03.12.2020

Mehr Wettbewerb bei der Energiewende

Der Netzentwicklungsplan lässt die Kosten des Netzausbaus unberücksichtigt

Mehr Wettbewerb bei der Energiewende

Der Netzentwicklungsplan lässt die Kosten des Netzausbaus unberücksichtigt

Der Netzentwicklungsplan sieht einen massiven Netzausbau zum Export der Spitzen von bundesweiten Stromüberschüssen vor.  © Erwin Wodicka - fotalia.com
Der Netzentwicklungsplan sieht einen massiven Netzausbau zum Export der Spitzen von bundesweiten Stromüberschüssen vor. © Erwin Wodicka - fotalia.com

Laut Netzentwicklungsplan sind bis 2035 rund 17.600 km Höchstspannungsleitungen mit Investitionskosten von insgesamt 95 Mrd. € geplant. Im Widerspruch zu § 1 Energiewirtschaftsgesetz und den Grundregeln der Marktwirtschaft bleiben aber im Netzentwicklungsplan und damit auch im Bundesbedarfsplangesetz die Kosten des Stromnetzausbaus völlig unberücksichtigt, wodurch ein weit überdimensionierter Netzausbau geplant wird und es bei der Energiewende keine Anreize gibt, kostengünstigere Alternativen zu nutzen.

Massiver Stromnetzausbau

Durch die Novellierung des Bundesbedarfsplangesetzes werden eine Vielzahl von zusätzlichen Höchstspannungsleitungen vom Gesetzgeber als unabdingbar erforderlich festgelegt. Der zugrundeliegende Netzentwicklungsplan sieht einen massiven Netzausbau zum Export der Spitzen von bundesweiten Stromüberschüssen vor. Soweit – wie bisher – die Stromnachfrage weniger stark ansteigt als die installierte erneuerbare Leistung, steigen mit wachsendem Ausbau der erneuerbaren Energien die maximalen Stromüberschüsse in Deutschland und den Nachbarländern überproportional an. Wenn man – wie im Netzentwicklungsplan vorgesehen – zukünftig auch die Spitzen dieser Stromüberschüsse weiträumig exportieren will, ist hierfür ein massiver Netzausbau erforderlich.

Die enthaltenen Ausbaumaßnahmen für das Stromübertragungsnetz wurden von den zukünftigen Betreibern vorgeschlagen, gutachterlich geprüft und dann von der Bundesnetzagentur bestätigt. Allein weil diese Maßnahmen technisch geeignet sind, die errechneten Spitzenleistungen des Transports von Strom aus erneuerbaren Energien weitgehend abzudecken, werden sie per Gesetz als energiewirtschaftlich notwendig deklariert. Dabei wird verkannt, dass diese Spitzen nur in wenigen hundert Stunden im Jahr auftreten sowie ganz überwiegend dem Export und nicht der Versorgung deutscher Stromverbraucher dienen. Der Neubau einer Vielzahl von Stromleitungen führt zu enormen Beeinträchtigungen von Menschen und Umwelt und damit zu langen Genehmigungs- und Realisierungszeiten. Zudem steigen die spezifischen Kosten durch verstärkten Zwang zur Verkabelung stark an.


Vielzahl an Alternativen

Im Widerspruch zu § 1 EnWG und den Grundregeln der Marktwirtschaft bleiben aber im Netzentwicklungsplan und damit auch im Bundesbedarfsplangesetz die Kosten des Stromnetzausbaus völlig unberücksichtigt. Beispielsweise kostet allein die Netzanbindung von Offshore-Windkraftanlagen über 1.000 € pro Kilowatt; für dasselbe Geld könnte man dezentrale PV-Dachanlagen bauen, die keinen überregionalen Netzausbau erfordern. Die spezifischen Kosten derjenigen Energie, die durch neue Leitungen zusätzlich übertragbar ist, werden nicht bewertet. Dies führt zu einem weit überdimensionierten Netzausbau, weil kostengünstige Alternativen so keine Marktchance bekommen.

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Alternativen zu Netzausbaumaßnahmen, z.B. produktionsnahe Verwendung von Strom aus erneuerbaren Energien für Power to Heat/Gas oder ein nach Erfordernissen der Netze optimierter Speichereinsatz. Die meisten alternativen Möglichkeiten können aber nur dann Netzausbaumaßnahmen und Stromkosten reduzieren, wenn Stromproduzenten, Netzbetreiber, Stromhändler und Stromanwender in ihren Aktivitäten durch entsprechende, auf marktwirtschaftlichen Prinzipien basierende Regelwerke, gesteuert werden. Anreize dafür müssen sowohl räumlich als auch zeitlich differenziert werden.

Fehlende Anreize

Bleiben allerdings bei der Energiewende die Kosten des Netzausbaus weiterhin unberücksichtigt, gibt es keine Anreize, kostengünstigere Alternativen dafür zu nutzen. Die Energiewende lebt vom Wettbewerb, wie der Präsident der Bundesnetzagentur in seinem Beitrag im Handelsblatt vom 29. 10. 2020 schreibt. Damit sollte er beim Netzausbau anfangen, indem er zukünftig für die Umsetzung der Energiewende den Netzausbau nicht mehr ohne Beachtung der damit verbundenen Kosten privilegiert, sondern einen Wettbewerb mit alternativen Maßnahmen ermöglicht.

Prof. Dr. Lorenz Jarass

Prof. Dr. Lorenz Jarass

M.S. (Stanford University, USA). Hochschule RheinMain, Wiesbaden
 

Carsten Siebels

Dipl.-Ing. (Fachbereich Elektrotechnik, Universität Hannover)
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