11.03.2024

Kommunale Nachhaltigkeitsberichte

Berichtspflicht am Horizont

Kommunale Nachhaltigkeitsberichte

Berichtspflicht am Horizont

Für eine umweltfreundliche Zukunft sind Experten im Nachhaltigkeitsrecht gefragt. | © DOC RABE Media - stock.adobe.com
Für eine umweltfreundliche Zukunft sind Experten im Nachhaltigkeitsrecht gefragt. | © DOC RABE Media - stock.adobe.com

Warum sollten sich Kommunen mit Nachhaltigkeitsberichten und deren Prüfung schon jetzt auseinandersetzen?

Nachhaltigkeit ist in aller Munde, häufig verkürzt auf ökologische Aspekte, wie Klimawandel, Klimaschutz und Klimawandelfolgen.

Aber Nachhaltigkeit ist mehr, sie berücksichtigt ökologische, soziale und finanzielle Dimensionen, deshalb spricht man von den drei Säulen der Nachhaltigkeit. Die Politik betrachtet Nachhaltigkeit strategisch, die Verwaltung konzentriert sich auf die Umsetzung.


Wer sich näher mit dem Thema auseinandersetzt, stößt früher oder später auf die 17 Ziele einer nachhaltigen Entwicklung, die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen.

Jedes dieser Ziele kann einer oder mehreren Dimensionen der Nachhaltigkeit zugeordnet werden. Über diese Ziele und die Unterziele kann berichtet werden.

Pflicht zur Berichterstattung

Unternehmen sind bereits aufgrund Internationaler und nationaler Regelungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet. Insbesondere trifft die Berichtspflicht Börsen orientierte Unternehmen gemäß der in 2017 in nationales Recht umgesetzten EU-Richtlinie „Corporate Sustainability Reporting Directive (CSR-Richtlinie). Nach der Taxonomie-VO, die als EU-Verordnung unmittelbar geltendes Recht ist, sind alle kapitalmarktorientierten Unternehmen je nach Größe spätestens ab 2026 zur Berichterstattung verpflichtet. Diese Verpflichtung betrifft auch kommunale Beteiligungsunternehmen.

Für die Berichterstattung der Kommunen selbst gibt es bisher keine Berichtspflicht, dennoch berichten Kommunen freiwillig über die Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategien und Ziele. Beweggründe sind politischer oder öffentlicher Druck, die Erkenntnis, die Pflicht kommt schneller als man denkt, oder der Wunsch, zukunftsorientiert zu handeln.

Aufbau von Nachhaltigkeitsberichten für Unternehmen

Nachhaltigkeitsberichte können in Anlehnung an den Deutschen Nachhaltigkeitskodex in vier Bereiche gegliedert werden:

  • STRATEGIE Wesentlichkeit, Vision und Ziele
  • PROZESSMANAGEMENT Regeln und Strukturen
  • UMWELT Ökologische Aspekte der Nachhaltigkeit
  • GESELLSCHAFT Soziale Aspekte der Nachhaltigkeit

Quelle: Leitfaden-zum-Deutschen-Nachhaltigkeitskodex.aspx (deutscher-nachhaltigkeitskodex.de)

Aufbau von Nachhaltigkeitsberichten für Kommunen

Idealtypisch verfügt die Kommune über eine Nachhaltigkeitsstrategie. Die Steuerung erfolgt wirkungsorientiert über Kennzahlen. Der Nachhaltigkeitsbericht orientiert sich an der Strategie und nutzt die Kennzahlen.

Wenn die Kommune nicht über eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie mit Zielen und Kennzahlen zur Steuerung verfügen, können sie sich auch den 17 SDGs und den 69 Unterzielen orientieren.

Dies ist von Vorteil, weil das SDG Portal – vorausgesetzt die Daten werden von der Kommune bereitgestellt – zur Berichterstattung genutzt werden kann.

Die Indikatoren zur Abbildung der Sustainable Development Goals auf kommunaler Ebene (SDG-Indikatoren für Kommunen) werden von elf Partnern entwickelt: Bertelsmann Stiftung, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städtetag, Deutscher Städte- und Gemeindebund, Deutsches Institut für Urbanistik, Engagement Global, ICLEI European Secretariat, Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement, Rat der Gemeinden und Regionen Europas / Deutsche Sektion und Rat für Nachhaltige Entwicklung (SDG-Portalhttps://sdg-portal.de/de/).

Pflicht zur Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten

Externe Prüfungspflicht für Nachhaltigkeitsberichte der Unternehmen

Der Vorschlag der EU-Kommission sieht eine Prüfungspflicht für Nachhaltigkeitsberichte vor:

Um die Verlässlichkeit der Sustainability-Berichterstattung zu erhöhen, soll der Abschlussprüfer – zunächst mit begrenzter Prüfungssicherheit – bei den Unternehmen eine externe Prüfung vornehmen.

Grundsätzlich sind Unternehmen der öffentlichen Hand – nach Gesetzesdefinition – nicht generell „Unternehmen von öffentlichem Interesse“, für die die EU-Verordnung direkt gilt. Jedoch wird in kommunalen Vorschriften auf die Anwendung der Vorschriften des Dritten Buchs des HGB für große Kapitalgesellschaften verwiesen.

Wenn es zu einer Berichtspflicht kommt, dann betrifft dies nicht nur die nichtfinanzielle Erklärung, sondern auch die Anforderungen an die Vorschriften der EU-Taxonomie (Umfang Jahresumsatz; Investitions- und Betriebsausgaben im Sinne von nachhaltigen Tätigkeiten).

Prüfung kommunaler Nachhaltigkeitsberichte

Bisher ist eine Verpflichtung zur Prüfung kommunaler Nachhaltigkeitsberichte noch nicht geregelt. Die Prüfung der kommunalen Nachhaltigkeitsberichte sollte nach Auffassung des Autors durch die kommunalen Abschlussprüfer erfolgen, die für die Prüfung der Jahresabschlüsse zuständig sind. In Hessen obliegt die Prüfung der Jahresabschlüsse nach § 131 Abs. 1 Ziffer 1 und § 128 HGO der örtlichen Rechnungsprüfung.

Das Institut der Rechnungsprüferinnen und Rechnungsprüfer (IDR – IDR e. V. (idrd.de)) hat eine Leitlinie zur Berichterstattung (ENTWURF_IDR_L_400_Nachhaltigberichtserstattung_überarbeitet (idrd.de))und Prüfungshilfen zur Prüfung nachhaltiger Finanzen (ENTWURF_IDR-H-4.100_Prüfung nachhaltiger Finanzen_nach Kommentierung (idrd.de)) und zur Prüfung von nachhaltigen Beschaffungen (ENTWURF_IDR-H-4.200_Prüfung einer nachhaltigen Beschaffung_überarbeitet (idrd.de)) erstellt.

Rolle der Finanzkontrolle bei der Einführung

Die Rechnungsprüfung als örtliche Finanzkontrolle sollte für „Nachhaltigkeitsbericht“ und „Wirkungsorientierte Steuerung“ als Impulsgeber fungieren, die Projekte zur Einführung begleitend prüfen und sich aktiv einbringen. Maßstab sind auch hier Ordnungsmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und vor allem Wirtschaftlichkeit.

Insbesondere das Streben nach Perfektionismus ist im Sinne der Wirtschaftlichkeit zu vermeiden. In einem ersten Schritt sollten ohnehin vorhandene oder leicht zu ermittelnde Daten verwendet werden. In diesem Zusammenhang wird auf das Produktbuch Plus verwiesen, dass unter Federführung des Hessischen Rechnungshofes – Abteilung Überörtliche Prüfung – zusammen mit Innenministerium, Statistischem Landesamt und Vertretern der örtlichen Rechnungsprüfung erarbeitet wurde und vom Innenministerium veröffentlicht wurde.

Fundstelle: Produktuch (hessen.de)https://innen.hessen.de/sites/innen.hessen.de/files/2023-08/produktbuch_plus_2023-08-16.pdf

Warum sollten sich Kommunen mit Nachhaltigkeitsberichten und deren Prüfung schon jetzt auseinandersetzen?

  • Kommunen sind Träger von Beteiligungen
    Die Beteiligungen können in den Anwendungsbereich fallen oder berichten freiwillig
  • Kommunen sind Kreditnehmer
    Banken sind bereits jetzt zur Berichterstattung verpflichtet.
  • Kommunen legen Geld an
    Anlagestrategien und konkrete Geldanlagen können sich an Nachhaltigkeitsaspekten orientieren

Empfehlungen und Ausblick

Gemeinsam

Die Herausforderung des Klimawandels, der nachhaltigen wirkungsorientierten Steuerung, Nachhaltigkeitsberichterstattung und der Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten sind nur geneinsam zu bewältigen.

Anfangen

Einfach machen und loslegen, nicht unüberlegt, sondern mit System. Agile Projekte, keinen Perfektionismus anstreben, sondern gemeinsam Lösungen erarbeiten.
Das Rad nicht neu erfinden, sondern von Anderen lernen.

Ziele

Ziele und Meilensteine definieren und sich über Fortschritte freuen.
Zielkonflikte offenlegen, wirkungsorientiert steuern für mehr Nachhaltigkeit.

Ausblick

Nachhaltigkeitsberichte werden auch bei den Kommunen an Bedeutung gewinnen.

Es gibt viele Institutionen, die sich hiermit beschäftigen.

Weiterführende Quellen

Arbeitskreis wirtschaftliche Verwaltung- AWV e.V.:
Willkommen bei der AWV e.V. (awv-net.de)
Facharbeitskreis Finnanzen: Öffentliche Finanzen und Nachhaltigkeit (AK 1.1) | AWV (awv-net.de),
Bewusstsein für Nachhaltigkeit schaffen (awv-net.de), Nachhaltigkeit im Fokus (awv-net.de)

Deutscher Nachhaltigkeitskodex: Home (deutscher-nachhaltigkeitskodex.de)

Leitfaden-zum-Deutschen-Nachhaltigkeitskodex.aspx (deutscher-nachhaltigkeitskodex.de)

Institut der Rechnungsprüferinnen und Rechnungsprüfer – IDR: (IDR – IDR e. V. (idrd.de))
Leitlinie zur Berichterstattung
(ENTWURF_IDR_L_400_Nachhaltigberichtserstattung_überarbeitet (idrd.de))
Prüfungshilfe zur Prüfung nachhaltiger Finanzen
(ENTWURF_IDR-H-4.100_Prüfung nachhaltiger Finanzen_nach Kommentierung (idrd.de))
Prüfungshilfe zur Prüfung von nachhaltigen Beschaffungen
(ENTWURF_IDR-H-4.200_Prüfung einer nachhaltigen Beschaffung_überarbeitet (idrd.de))

Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement – KGSt®:

KGSt-Denkanstöße: Haushaltssteuerung in Krisenzeiten, Nachhaltigkeit und Digitalisierung

KGSt-Forum Hamburg 2023:
3.2 Gemeinsam Antworten finden – Nachhaltigkeitsberichterstattung im Fokus von Finanzen und Rechnungsprüfung KGSt | Dokumentdetails und https://www.kgst.de/dokumentdetails?path=/documents/20181/8336402/3.2.pdf/a2d6a98f-1eb3-54b6-98ce-10290184e9eb?t=1696431126453

KGSt | Kommunale Nachhaltigkeitsberichterstattung

SDG-Portal: SDG-Portal und SDG-Berichte – SDG-Portal

Redaktionsanmerkung:

Der Autor Hans-Dieter Wieden (Jurist) verfügt über zwanzig Jahre Erfahrung in der kommunalen Rechnungsprüfung. Er ist Vorsitzender des Instituts der Rechnungsprüfer (IDR) und Leiter des Revisionsamts der Stadt Frankfurt am Main.

Der Autor legt Wert auf die Feststellung, dass dieser Artikel seine persönliche Auffassung wiedergibt.

 

Hans-Dieter Wieden

Leiter des Revisionsamtes der Stadt Frankfurt am Main
n/a