11.03.2024

Die Beleuchtung in der Ortsdurchfahrt einer klassifizierten Straße

Finanzierung des Erschließungsbeitrages

Die Beleuchtung in der Ortsdurchfahrt einer klassifizierten Straße

Finanzierung des Erschließungsbeitrages

Ein Beitrag aus »Sächsische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV
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Ist die Ortsdurchfahrt einer klassifizierten Straße eine beitragsfähige Erschließungsanlage und ist die erstmalige endgültige Herstellung der Beleuchtung einer solchen Straße beitragsrechtlich mit der als Voraussetzung für eine Erhebung von Erschließungsbeiträgen zu qualifizierenden Erfüllung einer Erschließungsaufgabe  gleichzustellen? Die Antworten gibt der nachfolgende Text.

I. Ausgangsfall

Die Gemeinde stellt die Beleuchtung in der Ortsdurchfahrt der Kreisstraße K erstmals endgültig her. Der für die Kosten dieser Maßnahme zu einem Erschließungsbeitrag herangezogene Grundeigentümer A wendet ein, eine Erschließungsbeitragserhebung sei unzulässig, weil die Ortsdurchfahrt der Kreisstraße keine Gemeindestraße sei und überdies die Herstellung der Straßenbeleuchtung hier keine der Gemeinde nach § 123 Abs. 1 BauGB obliegende Erschließungsaufgabe darstelle. Das führt zu den Fragen, ob — erstens — die Ortsdurchfahrt einer klassifizierten Straße eine beitragsfähige Erschließungsanlage ist und ob — zweitens — die erstmalige endgültige Herstellung der Beleuchtung einer solchen Straße beitragsrechtlich mit der als Voraussetzung für eine Erhebung von Erschließungsbeiträgen zu qualifizierenden Erfüllung einer Erschließungsaufgabe (§ 123 Abs. 1 BauGB) gleichzustellen ist.

II. Ortsdurchfahrten von klassifizierten Straßen als beitragsfähige Erschließungsanlagen

Bei Ortsdurchfahrten von klassifizierten Straßen, d. h. von Bundes-, Land- und Kreisstraßen, ist zu differenzieren zwischen dem straßen- und dem beitragsrechtlichen Rechtsregime. Diese Differenzierung ist schon in der Verfassung angelegt: Gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG ist der Bund auf den Erlass von Vorschriften für den Bau und die Unterhaltung der Landstraßen für den Fernverkehr beschränkt, wohingegen die Gesetzgebungsbefugnis für die Materie „Straßenbau“ im Übrigen einschließlich des Straßenbaubeitragsrechts bei den Ländern liegt. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Ortsdurchfahrten klassifizierter Straßen — wie der Bundesgesetzgeber in § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht hat — Erschließungsanlagen i.S. des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB (Anbaustraßen) sind, obwohl der Abschnitt einer Straße des überörtlichen Verkehrs innerhalb einer Ortschaft nicht den Zusammenhang der z. B. Bundes- oder Landstraße unterbricht, mithin Teil dieser Straße bleibt und nicht zur Gemeindestraße wird. Da eine Ortsdurchfahrt klassifizierter Straßen außer dem überörtlichen Verkehr auch der Erschließung der anliegenden Grundstücke dient, steht die mangelnde Qualität der Ortsdurchfahrt einer klassifizierten Straße als Gemeindestraße nicht der Annahme entgegen, es handele sich bei ihr beitragsrechtlich um eine Erschließungsanlage i.S. des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB.


III. Beleuchtung in der Ortsdurchfahrt einer klassifizierten Straße

Mit der Annahme, die Ortsdurchfahrt einer klassifizierten Straße sei eine Erschließungsanlage i.S. des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, ist noch nicht die Frage geklärt, ob die Anlegung einer Beleuchtung als Teileinrichtung einer solchen Straße in Erfüllung einer eigenen Aufgabe der Gemeinde i. S. des § 123 Abs. 1 BauGB erfolgte oder ob dies mit der Folge zu verneinen ist, dass die Erhebung von Erschließungsbeiträgen ausscheidet. Denn aus § 123 Abs. 1 und § 127 Abs. 1 BauGB ist zu entnehmen, dass die Gemeinden einen Erschließungsbeitrag zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für die erstmalige Herstellung von Erschließungsanlagen nur erheben dürfen, sofern deren Anlegung ihnen und nicht einem anderen „als eigene Aufgabe obliegt“.

Die Straßenbeleuchtung stellte ursprünglich eine Aufgabe der Gefahrenbeseitigung dar, die von dem Träger der örtlichen Polizeilasten, der Gemeinde, wahrzunehmen war. Deren Erfüllung unterlag der Überwachung durch die zuständigen Staatsorgane (Ortspolizeibehörden) und konnte erforderlichenfalls auch im Aufsichtswege durchgesetzt werden. Diese an dem Gesichtspunkt der (polizeilichen) Gefahrenabwehr orientierte Straßenbeleuchtung „erscheint nach heutigen Verhältnissen aber zu eng. Die allgemeine Beleuchtung ist, je größer die Gemeinde ist, desto mehr ein Mittel zur Förderung des gemeindlichen Lebens, zur Belebung der wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Bestrebungen, zur Hebung der Bequemlichkeit der Bürger und des Ansehens der Stadt. Die Straßenbeleuchtung ist daher über die ihr ursprünglich allein innewohnende polizeiliche Bedeutung hinausgewachsen zu einer jener Angelegenheiten, deren Regelung in eigener Verantwortung der örtlichen Gemeinschaft verfassungsrechtlich gewährleistet ist (Art. 28 Abs. 2 GG). Die Straßenbeleuchtung ist mithin als eine selbständige öffentliche Aufgabe im Rahmen der Daseinsvorsorge und damit als Selbstverwaltungsaufgabe anzusehen.“

Kurzum: Die Beleuchtung in Ortsdurchfahrten klassifizierter Straßen stellt (ebenso wie die in den Gemeindestraßen) eine selbständige öffentliche Aufgabe der Gemeinde dar, die ihr unabhängig davon obliegt, wer Träger der Straßenbaulast ist. Mit der Herstellung der Straßenbeleuchtung erfüllt die Gemeinde stets eine ihr obliegende Aufgabe i. S. des § 123 Abs. 1 BauGB. Die Erfüllung dieser Aufgabe ist beitragsrechtlich der Erfüllung ihrer Erschließungsaufgabe gleichgestellt.

Im Ergebnis Entsprechendes gilt — entgegen der Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs — für die Teileinrichtungen in der Ortsdurchfahrt einer klassifizierten Straße, die straßenrechtlich in der Straßenbaulast der Gemeinde stehen und deren erstmalige Herstellung der Gemeinde durch das einschlägige Straßengesetz auferlegt wird. Diese straßenrechtlich begründete Last entspricht beitragsrechtlich der gemeindlichen Erschließungslast i.S. des § 123 Abs. 1 BauGB. Denn die aus dieser Vorschrift i. V. m. § 127 Abs. 1 BauGB herzuleitende Beschränkung einer Erhebung von Erschließungsbeiträgen ist ausgerichtet auf eine Verhinderung der Abwälzung solcher Kosten auf die Beitragspflichtigen, die der Gemeinde nicht durch die Erfüllung einer sich aus einem Gesetz, sondern aus einer (sozusagen freiwillig eingegangenen) vertraglichen Verpflichtung entstanden sind. Das rechtfertigt eine beitragsrechtliche Gleichbehandlung aller Erschließungskosten, die durch die Erfüllung einer gesetzlich der Gemeinde auferlegten Aufgabe ausgelöst worden sind.

IV. Ergebnis

Zuzustimmen ist Herrn A, dass die Ortsdurchfahrt einer klassifizierten Straße straßenrechtlich Teil der entsprechenden Verkehrsanlage und keine Gemeindestraße ist. Das steht indes nicht — wie der Bundesgesetzgeber durch die Regelung des § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB deutlich gemacht hat — der Annahme entgegen, erschließungsbeitragsrechtlich handele es sich bei ihr um eine beitragsfähige Anbaustraße (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB). Beizupflichten ist Herrn A ferner in der Ansicht, dass es sich bei der erstmaligen Herstellung der Beleuchtung in der Ortsdurchfahrt einer klassifizierten Straße nicht um die Erfüllung einer der Gemeinde obliegenden Erschließungsaufgabe im Sinne § 123 Abs. 1 BauGB handelt. Jedoch ist die Erfüllung der ihr im Rahmen der Daseinsvorsorge obliegenden Verpflichtung zur Herstellung einer solchen Beleuchtung beitragsrechtlich der Erfüllung ihrer gemeindlichen Erschließungsaufgabe gleichgestellt.

Hinweis der Schriftleitung

Der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit rechtskräftigem Urteil vom 26.01.2023, SächsVBl 2023, 213 entschieden, dass Anlagen der allgemeinen Straßenbeleuchtung nach sächsischem Landesrecht nicht Bestandteil der öffentlichen Straße sind; beitragsrechtliche Fragen waren nicht Gegenstand dieses straßenrechtlichen Verfahrens.

Entnommen aus den Sächsischen Verwaltungsblättern Heft 01/2024, S. 15 f.

Prof. Dr. Hans-Joachim Driehaus

Prof. Dr. Hans-Joachim Driehaus

Rechtsanwalt und Wirtschaftsmediator, vormals Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht, Berlin
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