10.04.2023

Kommunale Aufwand- und Verbrauchsteuern: Übernachtungssteuern sind mit dem Grundgesetz vereinbar

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.03.2022 – 1 BvR 2868/15, 1 BvR 2886/15, 1 BvR 2887/15 und 1 BvR 354/16

Kommunale Aufwand- und Verbrauchsteuern: Übernachtungssteuern sind mit dem Grundgesetz vereinbar

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.03.2022 – 1 BvR 2868/15, 1 BvR 2886/15, 1 BvR 2887/15 und 1 BvR 354/16

Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat vier Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen, die die Erhebung einer Steuer auf entgeltliche Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben (Übernachtungsteuer) in der Stadt Hamburg, in der Stadt Bremen sowie in der baden-württembergischen Stadt Freiburg im Breisgau betreffen.

Aus den Leitsätzen

1. Gegenstand der Aufwandsteuer (Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 Grundgesetz – GG) ist die Verwendung von Einkommen für den persönlichen Lebensbedarf. Als Aufwand gilt dabei ein äußerlich erkennbarer Konsum, für den finanzielle Mittel verwendet werden und der typischerweise Ausdruck und Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ist, ohne dass es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mitteln dieser Konsum finanziert wird und welchen Zwecken er des Näheren dient. Eine verfassungsrechtliche Pflicht, von der Aufwandbesteuerung abzusehen, kann sich nicht aus der o. a. Norm, sondern allenfalls aus den Grundrechten ergeben. Daher kann auch eine beruflich veranlasste Übernachtung Gegenstand der Aufwandsteuer sein.

2. Das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG schränkt das Steuererfindungsrecht der Länder über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern ein. Für die Beurteilung der Gleichartigkeit kommt es auf eine Gesamtbetrachtung der konkreten Ausgestaltung einer Aufwandsteuer einerseits, evtl. gleichartiger Bundessteuern andererseits an. Eine weitreichende Sperrwirkung für das Besteuerungsrecht von Ländern und Kommunen ist damit nicht verbunden.


3. Eine Steuer auf entgeltliche Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben ist bundesgesetzlich geregelten Steuern nicht gleichartig, weil sie weder (wie die Umsatzsteuer) auf alle Aufwendungen gleichermaßen erhoben wird, noch aus einer Steuerquelle schöpft, die der Bund bereits einer besonderen Besteuerung unterzogen hat.

4. Der Gesetzgeber kann beruflich veranlasste Übernachtungen von der Aufwandbesteuerung ausnehmen, muss dies aber nicht.

Zum Hintergrund

Beginnend mit der Stadt Weimar erhebt seit 2005 eine Vielzahl von Städten und Gemeinden unter Berufung auf Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG von den ansässigen Beherbergungsbetrieben eine Übernachtungsteuer, die sich zumeist auf einen niedrigen Prozentsatz des Übernachtungspreises (Nettoentgelt) beläuft und i. d. R. vom Übernachtungsgast (Steuerträger) bei der Buchung oder der Anmeldung im Beherbergungsbetrieb erhoben wird. Steuerschuldner ist der jeweilige Beherbergungsbetrieb. Er führt die Übernachtungssteuern an das Finanzamt ab.

Die Beherbergungsbetriebe richteten ihre Beschwerden gegen die Erhebung von Übernachtungssteuern in Hamburg, Bremen und der Stadt Freiburg im Breisgau. Neben einem Verstoß der Regelungen gegen die Gesetzgebungskompetenz für die Aufwandsteuer gemäß Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG rügen sie insbesondere eine Verletzung ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, ihrer vermögensrechtlichen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und ihres Gleichheitsgrundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Aus den Urteilsgründen

Das BVerfG hat entschieden, dass die Vorschriften mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die Übernachtungsteuer sei eine örtliche Aufwandsteuer i. S. d. Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG, die bundesgesetzlich geregelten Steuern nicht gleichartig ist. Gegenstand der Aufwandsteuer i. S. d. Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG sei die Verwendung von Einkommen für den persönlichen Lebensbedarf.

Als Aufwand gelte dabei ein äußerlich erkennbarer Konsum, für den finanzielle Mittel verwendet werden und der typischerweise Ausdruck und Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ist, ohne dass es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mitteln dieser Konsum finanziert wird und welchen Zwecken er dient.

Gleichartigkeitsverbot

Die hier streitigen Steuern sind auch weder der Umsatzsteuer noch einer anderen bundesrechtlich geregelten Steuer gleichartig. Das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG schränke das Steuererfindungsrecht der Länder ein, das mit ihrer Befugnis zur ausschließlichen Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern verbunden ist.

Für die Beurteilung der Gleichartigkeit komme es auf eine Gesamtbetrachtung der konkreten Ausgestaltung einer Aufwandsteuer einerseits, evtl. gleichartiger Bundessteuern andererseits an. Eine weitreichende Sperrwirkung für das Besteuerungsrecht von Ländern und Kommunen sei damit nicht verbunden. Bei den streitgegenständlichen Übernachtungssteuern handele es sich weder um flächenartige Umsatzsteuern auf Landes- oder Kommunalebene noch ist der Aufwand einer entgeltlichen Übernachtung in einem Beherbergungsbetrieb bisher durch eine spezielle Steuer des Bundes belegt. Demnach bestehe keine Sperrwirkung für die Gesetzgebungsbefugnis der Länder.

Steuergesetzgebungskompetenz

Die Wahrnehmung der Steuergesetzgebungskompetenz des Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG verletze im konkreten Fall auch nicht die Grenzen rechts- und bundesstaatlicher Kompetenzausübung. Die angegriffenen Steuerregelungen verstießen nicht gegen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, weil sie keine Lenkungswirkung haben und daher von vornherein nicht in die Sachgesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers eingreifen können. Sie verstoßen auch nicht gegen den Grundsatz der Bundestreue, weil die Landesgesetzgeber ihre Rechtsetzungskompetenz nicht missbraucht haben.

Gleichheitsgrundrecht ist gewahrt

Die Übernachtungssteuern sind auch materiell verfassungsgemäß. Die Besteuerung beruhe in Hamburg und Bremen auf einer landesgesetzlichen Grundlage, in Freiburg auf einer Satzung, die selbst auf landesgesetzlicher Grundlage steht.

Der mit der Besteuerung verbundene Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG sei gerechtfertigt, weil die Ausgestaltung der Übernachtungssteuerregelungen die Anforderungen des Gleichheitsgrundrechts (Art. 3 Abs. 1 GG) wahre und die Beschwerdeführerinnen nicht unverhältnismäßig belaste.

Auch die Bestimmung der Beherbergungsbetriebe zu Steuerschuldnern verletze den Grundsatz der gerechten Lastenverteilung nicht. Die indirekte Erhebung der Übernachtungssteuern bei den Beherbergungsbetrieben sei i. S. einer gleichheitsgerechten Steuererhebung nachvollziehbar und nicht willkürlich. Die Beherbergungsbetriebe stehen in einer besonderen rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehung zum Steuergegenstand, denn sie leisten einen maßgebenden Beitrag zur Verwirklichung des steuerbegründenden Tatbestands der Übernachtung.

Die Übernachtungsteuer sei zudem auf Abwälzung angelegt. Die Beschwerdeführerinnen könnten die Übernachtungsteuer ohne Weiteres von den Übernachtungsgästen, die aus nicht beruflichem Anlass übernachten, vereinnahmen.

Auch die Ausnahmen von der Besteuerung für beruflich veranlasste Übernachtungen seien mit dem Gleichheitsgrundrecht (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar. Bei den Ausnahmetatbeständen handele es sich um Abweichungen von der – mit der Wahl des Steuergegenstandes „entgeltliche Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben“ – einmal getroffenen Belastungsentscheidung, die ihrerseits am Gleichheitssatz zu messen sind. Danach kann ein Normgeber die berufliche Veranlassung als Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung bei der Aufwandbesteuerung wählen und für die Berufsausübung zwingend erforderliche Übernachtungen von der Besteuerung ausnehmen, um etwa der (lokalen) Wirtschaftsförderung zu dienen. Der Gesetzgeber ist indes von Verfassungs wegen nicht dazu gezwungen, von einer Besteuerung beruflich veranlasster Übernachtungen abzusehen.

Die angegriffenen Vorschriften leiden auch nicht an einem mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren strukturellen Erhebungs- und Vollzugsdefizit. Dass die faktischen Erhebungsschwierigkeiten, die aus der Steuerausnahme für zwingend beruflich veranlasste Übernachtung resultieren, derart in den angegriffenen Regelungen angelegt sind, dass das Recht widersprüchlich auf Ineffektivität angelegt wäre, ist angesichts der Nachweis-, Haftungs- und Sanktionsregelungen nicht ersichtlich.

Eingriff in die Berufsfreiheit ist gerechtfertigt

Der Eingriff in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerinnen aus Art. 12 Abs. 1 GG durch deren Indienstnahme als Zahlstelle für die Übernachtungsteuer ist ebenfalls gerechtfertigt. Eine für sie weniger belastende Bestimmung zum Steuerentrichtungspflichtigen stellt kein gleich geeignetes Mittel dar, da die Haftung als Steuerschuldner für die Durchsetzung der Steuerpflicht offensichtlich effektiver ist. Eine direkte Erhebung bei den Übernachtungsgästen wäre nicht praktikabel.

Ihnen ist es insgesamt zumutbar, die Steuererhebung durch ihre Mitwirkung zu ermöglichen. Durch die Pflichten insbesondere zur Steueranmeldung sowie zur Abführung der Steuer entsteht ihnen zwar ein zusätzlicher, allein der Übernachtungsteuer geschuldeter Aufwand. Diese zusätzlichen Pflichten im Besteuerungsverfahren stellen aber eine unternehmenstypische Tätigkeit dar, die über ähnliche Belastungen des Melderechts und des Umsatzsteuerrechts nicht hinausgeht.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22.03.2022 – 1 BvR 2868/15, 1 BvR 2886/15, 1 BvR 2887/15 und 1 BvR 354/16.

 

Entnommen aus der Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz, 23/2022, Rn. 268.

 

Bernd Klee

Dezernent für Finanzen, Personal und Kommunales im Landkreistag Baden-Württemberg
n/a