05.04.2023

International agierende Amtsträger und das Recht

Die Paragraphen 126 und 140 StGB im Kontext

International agierende Amtsträger und das Recht

Die Paragraphen 126 und 140 StGB im Kontext

Auch formale Staatschefs, Inhaber höchster Macht, stehen nicht über dem Recht | © Apichat – stock.adobe.com
Auch formale Staatschefs, Inhaber höchster Macht, stehen nicht über dem Recht | © Apichat – stock.adobe.com

Die Anklage gegen Donald Trump, internationale Haftbefehle gegen Vladimir Putin und dessen „Kinderrechts“-Beauftragte – eine rechtliche Einordnung.

„Zwischen den Waffen schweigen die Gesetze“ – dieser alte Spruch von Cicero gilt schon lange nicht mehr.[1] Bereits am Ende der Kriege des 19. Jahrhunderts entwickelte sich eine Völkerrechtsordnung mit immer mehr geächteten Kriegs- und Besatzungspraktiken.

Nach der Barbarei im 2. Weltkrieg führten sie zu den internationalen Kriegsverbrechertribunalen von Nürnberg und Tokio, das Ende des kalten Kriegs ermöglichte weitere Ahndungen im früheren Jugoslawien und Ruanda, bis hin zum internationalen Strafgerichtshof.


Damit verbindet sich der erste zentrale Gedanke, wie jetzt mit der Anklage von Donald Trump:[2] Auch formale Staatschefs, Inhaber höchster Macht, stehen nicht über dem Recht, sie sind ebenso rechtlich verantwortlich wie jeder Mensch, jede Amtsträgerin und jeder Amtsträger, wie dies in jedem Rechtsstaat selbstverständlich sein muss.

Der zweite Gedanke ist noch wichtiger: Es gibt ein objektives, gemeinsames Recht, das keine Frage subjektiver Behauptung und Macht ist. Es zerfließt nicht einfach alles als relativ, es gibt objektive Anker – im Recht ebenso wie in der Wirklichkeit, gegen alle Kampagnen von russischen Nachrichtendiensten und Verschwörungstheoretikern. Lügen bleiben Lügen, Verbrechen sind Verbrechen.

Das Unrecht ist gesetzlich klar gefasst

Wie im Kleinen die deutsche rechtsstaatliche Demokratie sich nicht gegenüber dem Reichsbürger rechtfertigen muss, gibt es ein überspannendes Völkerrecht, welches in den Menschenrechten und in der Selbstbestimmung der Völker und Staaten gegen Rechtsbrüche aller Art wurzelt. Es gibt ein eindeutiges klares Unrecht und dessen Strafbarkeit, Letztere wird sogar immer präziser gefasst, etwa der Schutz von Zivilpersonen bereits in Art. 3 f. der 4. Genfer Konvention von 1949 und den beiden Zusatzprotokollen von 1977, hier vor allem Art. 17 ff. des ZP1 und Art. 4 ff. ZP2.

Darum dreht sich auch im Kern der Konflikt im Weltmaßstab, der neue globale kalte Krieg. Dabei haben Staaten wie Russland und die VR China neben ihrem totalitären Autoritarismus real keine eigene Ordnungsvorstellung außer der totalen Macht des Führers und der blanken Stärke, auch keinerlei Legitimität durch freie und faire Wahlen.

Frieden kann es nur dort geben, wo es keine Ohnmacht gibt

Bei uns spiegelt sich dies in den verschiedensten radikalen und extremistischen Gruppen, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung wenden, die den Kampf um die Köpfe und auf der Straße gegen den friedlichen freien pluralistischen Rechtsstaat, die gleiche Menschenwürde für alle und die verfasste freiheitliche Demokratie der Mehrheit richten wollen.

Frieden kann es nur dort geben, wo es keine Ohnmacht gibt, sondern wo das nachvollziehbare Recht für alle gleich regiert, zentral mit wirksamer unabhängiger gerichtlicher Kontrolle. Das ist die beständige Aufgabe unseres Gemeinwesens, in der internationalen Politik wie im Verhältnis des Staats zu den Menschen vor Ort, in Gerichten, Verwaltungen, Polizei.

Technisch bedeutet der internationale Haftbefehl eine Bestätigung für die nationale, sonst unabhängige, Würdigung von Völkerrechtsverbrechen.[3] Er ist mit den Kinderverschleppungen nach Art. 8 (2) (a) (vii), (b) (viii) des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs bzw. im deutschen Recht nach § 8 V StGB nur die am leichtesten zu beweisende Spitze der zahllosen weiteren im Raum stehenden Verbrechen.

Strafbar macht sich, wer den Angriffskrieg gegen die Ukraine öffentlich billigt

Wer diese – wie den Angriffskrieg gegen die Ukraine (§ 13 VStGB, § 80a StGB) überhaupt – öffentlich billigt, unterliegt der Strafbarkeit nach §§ 140 Nr. 2, 126 Abs. 1 Nr. 3 StGB (siehe Kasten). Gleiches gilt bei sonstiger konkreter Unterstützung bei der Tat oder möglicher Strafvereitelung gem. § 258 StGB.

Wer Vermögenswerte sammelt, entgegennimmt oder zur Verfügung stellt mit dem Wissen oder in der Absicht, dass diese von einer anderen Person zur Begehung von Völkerstraftaten verwendet werden, wird gem. § 89c StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn die weiteren Bedingungen erfüllt sind, was im Krieg gegen die ukrainische Zivilbevölkerung anzunehmen sein dürfte.

Wer sich als Deutscher als Söldner im Krieg anwerben lässt, riskiert gem. § 28 Abs. 1 Nr. 1 StAG seine deutsche Staatsangehörigkeit, wer Deutsche anwirbt, kann sich nach § 109h StGB strafbar machen.[4] Dagegen sind Propaganda und Sabotage nur gegen die eigene deutsche (oder NATO-)Landesverteidigung gem. §§ 89, 109d StGB strafbar. Neben dem Schutz gegen Angriffe auf völkerrechtliche Vertretungen in Deutschland, die weiter zugunsten aller Staaten gilt gem. § 102 StGB, ist (bis zu einer Entscheidung des BVerfG) der überaus problematische § 104 StGB zu beachten, der jede Verunglimpfung jeder staatlichen Flagge und Hoheitszeichen, z. B. deren Verbrennung, unter Strafe stellen will.[5]

Spannend und zu klären bleibt die Frage, ab wann man angesichts der russischen Völkerrechtsverbrechen von kriminellen oder terroristischen Vereinigungen gem. §§ 129 f. StGB ausgehen muss. Allein der russische Staat dürfte die Definition nicht erfüllen, wohl aber sonstigen Vereinigungen aller Art, z. B. auch von Parteien oder Religionsgemeinschaften, deren Zweck oder Tätigkeit darauf ausgerichtet sind.

Die genauen Entscheidungen der Justiz dazu stehen aus. Unmittelbarer dürfte sich für die Innenministerien die Frage des Verbots von Vereinigungen stellen, welche russische „Kriegsunterstützungspropaganda“ betreiben und sich daher gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Daraus kann dann die Strafbarkeit des Verbreitens ihrer Propagandamittel und Verwendens ihrer Kennzeichen gem. § 86 Abs. 1 Nr. 2 und § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB folgen.

Weit darüber hinaus ist schließlich der „hybride Krieg“ zu beobachten, den vor allem Russland ausdrücklich gegen unsere funktionierende freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgerufen hat und über radikale und extremistische Parteien und Politikakteure, Medien aller Art, Korruption und Infiltration bereits intensiv führt. Er reaktiviert die gesamten Instrumentarien der Verteidigung des demokratischen und rechtsstaatlichen Gemeinwesens, wie wir sie seit den Tagen der „DDR-Staatssicherheit“ und ihrer Helferinnen und Helfer nicht mehr erleben mussten.

Fazit

Wir stehen vor neuen ebenso wie altbekannten Herausforderungen aus der Zeit vor 1989, die wir längst überwunden glaubten. Sie betreffen uns als Bürgerinnen und Bürger ebenso wie jede staatliche Stelle. Unser heute noch komplexer verwobenes Gemeinwesen in Europa und der Welt ist in vielem besonders verwundbar, verfügt aber auch über wichtige Fundamente. Machen wir uns dies bewusst, leisten wir aber den wichtigsten Schritt, unsere offene wie wehrhafte Demokratie gemeinsam wirksam verteidigen zu können.[6]

StGB im Wortlaut

 

§126 Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten

 

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1. einen der in § 125a Satz 2 Nr. 1 bis 4 bezeichneten Fälle des Landfriedensbruchs,

2. eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen des § 177 Absatz 4 bis 8 oder des § 178,

3. einen Mord (§ 211), Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder ein Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 des Völkerstrafgesetzbuches), (….)

androht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

 

(2) Ebenso wird bestraft, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wider besseres Wissen vortäuscht, die Verwirklichung einer der in Absatz 1 genannten rechtswidrigen Taten stehe bevor.

 

§ 140 Belohnung und Billigung von Straftaten

 

Wer eine der in § 138 Absatz 1 Nr. 2 bis 4 und 5 letzte Alternative oder in § 126 Absatz 1 genannten rechtswidrigen Taten oder eine rechtswidrige Tat nach § 176 Absatz 1 oder nach den §§ 176c und 176d

1. belohnt, nachdem sie begangen oder in strafbarer Weise versucht worden ist, oder

2. in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) billigt,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

 

 

[1] Silent enim legis inter arma, Pro T. Annio Milone

[2] The People of the State of New York v. Donald J. Trump, NY SC IND-71543-23.

[3] Vgl. https://www.icc-cpi.int/news/situation-ukraine-icc-judges-issue-arrest-warrants-against-vladimir-vladimirovich-putin-and, abgerufen am 2. April 2023

[4] Vgl. zum Weiteren ausführlich Fahrner, Staatsschutzstrafrecht. Einführung und Grundlagen, Stuttgart 2019, [https://www.boorberg.de/polizei/9783415066793]

[5] Vgl. hier nur Fahrner, ZIS 16 (2021), 365

[6] Vgl. hier nur im Einzelnen Fahrner, Vulnerabilität und Resilienz der freiheitlichen Demokratie, Berlin 2022

 

Dr. Matthias Fahrner

M.A., MinR a. D., Richter am Amtsgericht Stuttgart
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