11.11.2020

Hinausschieben eines genehmigten Urlaubs

Reisebeschränkungen zu Corona-Zeiten

Hinausschieben eines genehmigten Urlaubs

Reisebeschränkungen zu Corona-Zeiten

Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Hessen« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Hessen« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Reisebeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie begründen keinen Anspruch auf Hinausschieben eines antragsgemäß genehmigten Urlaubs oder auf Rücknahme der Urlaubsgenehmigung. Das hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof (HessVGH) durch Beschluss vom 03.06.2020 entschieden.

Zum Sachverhalt

Der Antragsteller begehrte die Verschiebung seines in der Zeit vom 01.05.2020 bis 24.05.2020 beantragten und genehmigten Urlaubs. Dies wurde von seinem Dienstherrn abgelehnt. Hiergegen ging er zunächst vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt und anschließend mit der Beschwerde vor dem HessVGH vor. Er blieb jedoch in allen Instanzen erfolglos.

Formaler Urlaubsantrag nicht erforderlich

Streitig war in dem Verfahren insbesondere, ob der Antragsteller formal Urlaub beantragt hatte. Er führte aus, der angefochtene Beschluss basiere auf der rechtlich nicht haltbaren Feststellung des Gerichts, es sei unerheblich, ob er den Urlaub beantragt habe. Der HessVGH führte hierzu jedoch aus, dass das VG zu Recht festgestellt habe, es sei unerheblich, ob der Antragsteller den Erholungsurlaub im streitigen Zeitraum formal beantragt hat. Er habe jedenfalls den streitgegenständlichen Zeitraum in die Gesamtübersicht Jahresplanung 2020 seiner Dienststelle als Erholungsurlaub eintragen lassen und auch bereits eine dreiwöchige Reise in die USA gebucht. Damit habe der Antragsteller, unabhängig von einem förmlichen Urlaubsantrag, einen nach außen tretenden Willen bekundet, in der hier streitigen Zeit einen Erholungsurlaub antreten zu wollen.


Konkludenter Urlaubsantrag liegt vor

Der Antragssteller hat (konkludent) Urlaub für den in Streit stehenden Zeitraum beantragt. Das ergibt sich nach Auffassung des HessVGH aus der Gesamtwürdigung der Umstände. Nach dem von dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgelegten Schreiben der personalverantwortlichen Stelle vom 27.09.2019 mit dem Betreff „Erholungsurlaub 2020, hier: Umsetzung Jahresurlaubsplanung BSL“ erfolgt eine Urlaubsbewilligung in seiner Dienststelle im Jahr 2020, soweit sichergestellt ist, dass eine prozentual bestimmte Quote an Personal zur Gewährleistung der Regel- oder Mindeststärke für Einsatzpläne im Dienst verbleibt. Alle den Mitarbeitern im Jahr 2020 zustehenden Urlaubstage, bis auf fünf Tage, die später „frei“ geplant werden dürften, sind danach unter Angabe der Urlaubszeiträume und Gegenzeichnung der betroffenen Mitarbeiter in die Jahresplanung einzutragen. Es entsprach der geübten Praxis, den Urlaub entsprechend den unterschriftlich bestätigten Eintragungen in dieser Liste zu genehmigen.

Die Gegenzeichnung der angegebenen Zeiträume durch Unterschrift der Beschäftigten stellt sicher, dass die nachfolgende Urlaubsgenehmigung zu den eingetragenen Zeiten dem Willen der Beschäftigten entspricht. Im Falle des Antragssteller erfolgte die Gegenzeichnung durch den Dienstgruppenleiter, dem der Antragsteller per Mail „Vollmacht erteilt“ hatte, seinen Jahresurlaub im Auftrag zu unterschreiben. Zudem hatte er mitgeteilt, dass diese Vollmacht für mehrere Zeiträume im Jahr 2020 gelte, u.a. den Zeitraum 01.05. – 31.05. In der Urlaubsliste war dieser Urlaub dann mit dem handschriftlichen Namenskürzel des Dienstgruppenleiters und dem Zusatz „i. A.“ eingetragen und abgezeichnet worden.

Auch der Antragsteller ging nach Auffassung des Gerichts in der Folgezeit davon aus, dass ihm Urlaub vom 01. – 31.05.2020 auf diese Angaben hin genehmigt worden ist. Das belege zum einen das Unterlassen einer weiteren gesonderten Beantragung des Urlaubs, obgleich der Antragsteller eine USA-Reise in dem genannten Zeitraum gebucht habe. Zum anderen sei dies durch seinen Antrag auf „Rückgabe“ des für Mai 2020 genehmigten Urlaubs belegt. Vor diesem Hintergrund der Praxis, wonach keine ausdrückliche Urlaubsantragstellung neben der Angabe der abgestimmten „Wünsche“ zu Urlaubszeiträumen in einer Liste erfolgt, sind die Angaben in der Liste laut Gericht als konkludente Urlaubsantragstellung zu werten.

Verhalten widerspricht Treu und Glauben

Selbst wenn nicht von einer konkludenten Urlaubsantragstellung des Antragstellers ausgegangen würde, wäre es dem Antragsteller jedenfalls nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (Rechtsgedanke des § 242 BGB) verwehrt, sich erfolgreich auf das Fehlen eines Urlaubsantrags zu berufen. Denn die Urlaubsgenehmigung für den in Rede stehenden Zeitraum entsprach eindeutig seinem Willen. Im Februar buchte er für Mai eine Flugreise, wodurch belegt sei, dass er selbst davon ausgegangen sei, dass ihm der Urlaub für Mai 2020 allein aufgrund der Angaben in der Liste genehmigt werden würde. Sich nunmehr darauf zu berufen, der Urlaub hätte ihm nicht erteilt werden dürfen, weil er diesen nicht beantragt habe, stellt ein widersprüchliches und treuwidriges Verhalten gegenüber dem Dienstherrn dar. Der Antragsteller kann nicht einerseits die Vorteile eines formlosen Verfahrens (Erteilung einer Genehmigung des Urlaubs allein aufgrund der Listeneintragungen) beanspruchen, andererseits das „Festgehaltensein“ an die Urlaubsgenehmigung als (empfundenen) Nachteil wegen der geänderten Möglichkeiten seiner Urlaubsgestaltung nach dem Auftreten der Corona-Pandemie nicht mehr in Kauf nehmen wollen.

Interessensabwägung bei geänderter Urlaubssituation aufgrund Corona-Pandemie

Der Senat verkennt nicht, dass die fehlende Realisierbarkeit der vom Antragssteller geplanten und gebuchten USA-Reise im Mai 2020 für ihn ein nachvollziehbares Interesse an einer Verschiebung des für diesen Zeitraum genehmigten Urlaubs begründet. Das vermittelt ihm jedoch aus den von dem Verwaltungsgericht genannten Gründen keinen (gebundenen) Anspruch auf Hinausschieben des antragsgemäß genehmigten Urlaubs oder auf Rücknahme der Urlaubsgenehmigung. Die Situation des Antragsstellers unterscheidet sich nicht von derjenigen einer Vielzahl anderer Beschäftigter – Beamtinnen und Beamten und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer –, deren Urlaubsvorstellungen sich wegen den Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht so wie ursprünglich geplant realisieren lassen. All diese Personen sind davon betroffen, dass Auslandsreisen derzeit nicht und voraussichtlich auch im Sommer allenfalls eingeschränkt möglich sein werden. Dem Interesse aller von diesen oder sonstigen Corona-Lage-bedingten Reisebeschränkungen Betroffenen an einer Verschiebung ihres genehmigten Urlaubs steht das berechtigte Interesse des Dienstherrn gegenüber, an der genehmigten Urlaubsplanung festzuhalten, um sicherzustellen, dass ein geregelter Dienstbetrieb aufrechterhalten bleibt. Das gilt insbesondere auch für der Zeit nach Entfallen oder Abmilderung der Corona-bedingten Einschränkungen, für die verstärkt mit Urlaubswünschen aus der Belegschaft zu rechnen sein dürfte. – (st)

Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 03.06.2020 – 1 B 1379/20 –.

Fundstelle He 2020/162

 

Birgit Stotz

Teamleiterin im Fachbereich Bund/Länder/Kommunen, Richard Boorberg Verlag
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