28.02.2022

Hausverbot wegen Verstoß gegen die Maskenpflicht

Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 9.10.2020 – M 7 S 20.4452

Hausverbot wegen Verstoß gegen die Maskenpflicht

Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 9.10.2020 – M 7 S 20.4452

Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Bayern« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
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Dem unten vermerkten Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) München vom 09.10.2020 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Stadt sprach mit Bescheid vom 21.8.2020 gegenüber dem Antragsteller ein bis 30.4.2021 befristetes Hausverbot für alle städtischen Bildungslokale aus, weil dieser sich bei einem Besuch eines „BildungsLokals“ trotz mehrfacher Aufforderung geweigert habe, den vorgeschriebenen Mund-Nasen-Schutz aufzubehalten. Erst nach Aufforderung durch die von den städtischen Mitarbeitern herbeigerufenen Polizeibeamten habe der Antragsteller das „BildungsLokal“ bzw. die angrenzende Stadtbibliothek schließlich verlassen.

Der Antragsteller habe Gelegenheit gehabt, sich mündlich vor dem Erlass des Hausverbots zu äußern. Zudem habe er sich per E-Mail zu dem Vorgang geäußert und mitgeteilt, er müsse und werde keine Maske tragen. Das vom Antragsteller vorgelegte Attest befreie ihn nicht von der Maskenpflicht. Das VG lehnte den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage ab, seinem Beschluss ist Folgendes zu entnehmen:

1. Befugnis der Gemeinde zur Erteilung eines Hausverbots ist gewohnheitsrechtlich anerkannt

„Als Ausfluss der verfassungsrechtlich verbürgten Selbstverwaltungsgarantie sind die Gemeinden grundsätzlich dazu befugt, den Zugang zu ihren öffentlichen Einrichtungen im Wege von Benutzungsbedingungen auszugestalten und den Benutzungsanspruch beispielsweise durch zeitliche Befristungen, Kapazitätsbegrenzungen oder inhaltliche Vorgaben zu beschränken (vgl. VGH, Beschluss vom 10.4.20181) – 4 CS 17.2083 – juris Rn. 16). Vorliegend bestehen zwar seitens des Gerichts Zweifel dahingehend, ob es sich bei den von der Antragsgegnerin betriebenen BildungsLokalen tatsächlich, wie von der Antragsgegnerin vorgetragen, um öffentliche Einrichtungen i.S. des Art. 21 Abs. 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern – GO – handelt. Dies kann jedoch vorliegend dahinstehen, da das von der Antragstellerin ausgesprochene Hausverbot jedenfalls im gewohnheitsrechtlich anerkannten Hausrecht einer Verwaltungsbehörde im öffentlich-rechtlichen Bereich eine ausreichende Rechtsgrundlage findet. Dieses beinhaltet das Recht, in einem räumlich abgegrenzten Herrschaftsbereich über Zutritt und Verweilen von Personen zu bestimmen, um die widmungsgemäße Tätigkeit der Verwaltungsbehörde gegen Störungen durch Unberechtigte zu schützen. Eine besondere gesetzliche Grundlage ist für den Erlass des Hausverbotes nicht erforderlich. Die Befugnis zur Ausübung des Hausrechts ergibt sich letztlich bereits daraus, dass eine Behörde, die eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hat, auch bestimmen können muss, ob sie eine Person vom Betreten ihrer Räume ausschließt, weil diese ihre ordnungsgemäße Tätigkeit gefährdet oder stört (vgl. VGH, Urteil vom 23.2.1981, BayVBl 1981 S. 657; VG Ansbach, Urteil vom 27.9.2007 – AN 16 K 07.01823 – juris Rn. 25).“


2. Voraussetzungen für die Erteilung eines Hausverbots

„Grundsätzlich haben Bürger sich beim Aufsuchen einer behördlichen Einrichtung – wie hier die von der Antragsgegnerin betriebenen BildungsLokale – so zu verhalten, dass der Betrieb im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Widmungszwecks nicht beeinträchtigt wird. Insbesondere haben Besuchende den in Vollzug des Hausrechts getroffenen Anordnungen des Personals Folge zu leisten. Die Antragsgegnerin ist daher grundsätzlich auf der Grundlage des ihr zustehenden Hausrechts berechtigt, ein Hausverbot gegenüber Personen auszusprechen, bei deren Erscheinen und mutmaßlichem Verhalten eine widmungs- bzw. bestimmungsgemäße Tätigkeit gefährdet oder beeinträchtigt wäre. Aufgrund seiner präventiven Zielrichtung setzt die Erteilung eines Hausverbots grundsätzlich voraus, dass dieses zur Abwehr künftiger Störungen oder zum Schutz der Besuchenden oder Bediensteten der behördlichen Einrichtung erforderlich ist. Dementsprechend muss das Hausverbot auf einer Tatsachengrundlage beruhen, die die Prognose trägt, dass künftig mit Störungen gerechnet werden muss, zu deren Verhinderung das Hausverbot notwendig ist. Der Ausspruch eines Hausverbots stellt dabei auch bei einer schwerwiegenden Störung des Betriebs der öffentlichen Einrichtung keine zwingende Reaktion dar. Der Erlass eines Hausverbots steht vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen des Hausrechtsinhabers.

Dieser hat sein Ermessen entsprechend dem präventiven Zweck des Hausverbots auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens, insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, zu beachten, wobei auch zu berücksichtigen ist, inwieweit die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe durch die Verhängung eines Hausverbots gefördert oder auch beeinträchtigt wird, Art. 40 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG. Erforderlich ist daher eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Verhängung eines Hausverbots und den hiervon berührten privaten Belangen des Betroffenen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei auf der einen Seite der Art und Schwere der zu erwartenden Störung sowie deren Folgen für die ordnungsgemäße Wahrnehmung der widmungsgemäßen Tätigkeit zu. Auf der anderen Seite sind das private Interesse an der Nutzung der behördlichen Einrichtung und insbesondere die von einem Betretensverbot betroffenen Grundrechte mit entsprechendem Gewicht einzustellen.“

3. Inhaltliche Anforderungen an ein ärztliches Attest, mit dem die Unzumutbarkeit des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung belegt werden soll

„Von schweren Verstößen gegen die maßgeblichen Verhaltensregeln sowie die aufgrund der COVID-19-Pandemie geltenden Hygieneregeln ist … auszugehen. So hat der Antragsteller nach der Aussage der lokalen Bildungsmanagerin Aufforderungen, sich an die geltenden Hygieneregeln zu halten und insbesondere eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, keine Folge geleistet. Er hat gegenüber der Bildungsmanagerin dabei auch keine gesundheitlichen Gründe glaubhaft gemacht, die ihm das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen Gründen unmöglich oder unzumutbar machen würden. Durch den pauschalen Verweis auf eine vorhandene Schwerbehinderung durch Vorlage eines Schwerbehindertenausweises ohne einen (auch nur behaupteten) kausalen Bezug zwischen Schwerbehinderung und Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit des Tragens einer Mund-Nasen- Bedeckung kann eine solche Glaubhaftmachung nicht erreicht werden. Um dem Hausrechtsinhaber eine sachgerechte Entscheidung über die Befreiung von der sog. Maskenpflicht aus medizinischen Gründen zu ermöglichen, bedarf es für diesen Nachweis grundsätzlich der Vorlage eines aktuellen ärztlichen Attests, das gewissen Mindestanforderungen genügen muss (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.9.2020 – 13 B 1368/20 – juris Rn. 11).

Es ist zwischen den Parteien streitig, ob der Antragsteller am…das bei Klageerhebung beigefügte ärztliche Attest vorgelegt hat oder nicht. Dies kann vorliegend dahinstehen, da dieses Attest zur Glaubhaftmachung, dass dem Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung unmöglich oder unzumutbar wäre, gänzlich ungeeignet ist. Aus einem ärztlichen Attest muss sich zu diesem Zweck regelmäßig jedenfalls nachvollziehbar ergeben, welche konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf Grund der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen- Bedeckung alsbald zu erwarten sind und woraus diese im Einzelnen resultieren. Soweit relevante Vorerkrankungen vorliegen, sind diese konkret zu bezeichnen. Darüber hinaus muss im Regelfall erkennbar werden, auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gelangt ist (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.9.2020 – 13 B 1368/20 – juris Rn. 11, 13 m.w.N.). derartiges Attest ist nicht hinreichend aussagekräftig und zur Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe, die eine Befreiung von der Maskenpflicht rechtfertigen könnten, nicht ausreichend (so auch VG Würzburg, Beschluss vom 16.9.2020 – W 8 E 20.1301 – juris Rn. 20 m.w.N.).“

4. Prognose muss Wiederholungsgefahr ergeben

„Weiterhin ist die Prognose gerechtfertigt, dass auch künftig mit Störungen durch den Antragsteller gerechnet werden muss, zu deren Verhinderung das Hausverbot notwendig ist. Dies folgt daraus, dass der Antragsteller durch sein bisheriges regelwidriges und uneinsichtiges Verhalten gezeigt hat, dass er weder jetzt noch in Zukunft bereit ist, den Anweisungen des anwesenden Personals Folge zu leisten. Insbesondere die beharrliche und noch anhaltende Weigerung des Antragsstellers, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen (,Ich muss und werde keine Maske tragen, habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?‘, E-Mail …), rechtfertigt angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens im Rahmen der COVID-19-Pandemie eine solche Prognose. Das vom Antragsteller vorgelegte ärztliche Attest ist – aus den bereits dargelegten Gründen – nicht dazu geeignet, dem Gericht gegenüber glaubhaft zu machen, dass dem Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung unmöglich oder unzumutbar wäre. In einer Gesamtschau des Verhaltens des Antragstellers ergibt sich daher, dass dieser nicht bereit ist, sich bei Aufsuchen eines BildungsLokals an die geltenden Hygieneregeln zu halten und den Anweisungen des örtlichen Personals Folge zu leisten. Dieses Ergebnis kann für sämtliche BildungsLokale gleichermaßen Geltung beanspruchen. Demzufolge ist, nicht zuletzt aufgrund der Beharrlichkeit des vom Antragsteller gezeigten Weigerungsverhaltens, die Annahme gerechtfertigt, dass sich dieses Verhalten auch künftig nicht bessern wird. Das künftig zu erwartende Verhalten des Antragstellers ist daher als eine erhebliche Gefahr für einen störungsfreien Dienstbetrieb in allen BildungsLokalen anzusehen. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass dem Antragsteller für die Zukunft ein angemessenes Verhalten bei der Benutzung eines BildungsLokals prognostiziert werden könnte.“

5. Hausverbot muss geeignet, erforderlich und angemessen sein

„Den Gründen des Bescheids lässt sich entnehmen, dass die Antragsgegnerin erkannt hat, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handelt. Bei der Entscheidung wurde auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet. Das ausgesprochene Hausverbot ist geeignet, den angestrebten Zweck, den reibungslosen Betrieb der BildungsLokale und die Sicherheit der anderen Besuchenden sowie der städtischen Bediensteten zu erreichen. Der Erlass des Hausverbots war auch erforderlich, da der Antragsteller sich wiederholt und beharrlich den Aufforderungen der lokalen Bildungsmanagerin widersetzt hat und letztendlich der Erlass eines Platzverweises durch die Polizei erforderlich war, um eine Verhaltensänderung bei dem Antragsteller zu bewirken. Aus diesem Grund ist auch davon auszugehen, dass eine vorherige förmliche Abmahnung – als milderes Mittel – nicht Diesen Anforderungen genügt das vom Antragsteller vorgelegte ärztliche Attest nicht. Mit diesem wird dem Antragsteller im Wege eines formularmäßigen Vordrucks lediglich unter pauschalem Verweis auf mögliche Auswirkungen eines erhöhten Rückatmens von Kohlenstoffdioxid sowie einer Keimbesiedelung der Schutzmaske bescheinigt, dass das Tragen einer Schutzmaske ,gesundheitliche Auswirkungen auf Ihre Gesundheit‘ haben könne.

Eine auch nur ansatzweise individualisierte Begründung etwa anhand des gesundheitlichen Allgemeinzustands oder etwaiger Vorerkrankungen des Antragstellers ist ebenso wenig enthalten wie eine konkrete Diagnose. Das Attest entbehrt jeglichen medizinischen Bezugs zur Person des Antragstellers. Schließlich fehlt es auch an einer Datierung des Attests, sodass ein zeitlicher Bezug der Attestierung gänzlich fehlt. Ein ausgereicht hätte, dies zu erreichen. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht das ausgesprochene Hausverbot insbesondere auch deshalb, weil es auf einen Zeitraum von einem knappen Dreivierteljahr beschränkt ist und der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin – auch nachträglich – keine besonderen Gründe geltend gemacht hat, weshalb in seinem Fall das Hausverbot zu unangemessenen Folgen führen würde.“

6. Anhörung des Betroffenen vor Erteilung eines Hausverbots

„Auch bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken an der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheids. Da ein Hausverbot eine grundrechtseinschränkende Maßnahme darstellt, die präventiven Charakter hat, indem sie darauf abzielt, zukünftige Störungen des Betriebsablaufs in einer behördlichen Einrichtung zu vermeiden, bedarf es entsprechend Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG zunächst der vorherigen (mündlichen oder schriftlichen) Anhörung des Betroffenen (vgl. VG München, Beschluss vom 6.7.2015 – M 10 S 15.1683 – juris Rn. 19 ff.). Der Antragsteller hatte zunächst bei Erlass des mündlichen Hausverbots durch die lokale Bildungsmanagerin am … unmittelbar Gelegenheit zur Stellungnahme. Zudem äußerte er sich noch mit E-Mail vom selben Tag gegenüber dem BildungsLokal zu dem Vorfall. Demzufolge kann von einer ordnungsgemäßen Anhörung ausgegangen werden.“

Anmerkung

 Nach Ergehen des Beschlusses und noch vor dessen Rechtskraft wurde der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage zurückgenommen. Das VG hat das Verfahren daraufhin mit Beschluss vom 26.10.2020 eingestellt und dem Kläger die Kosten auferlegt.

Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 9.10.2020 – M 7 S 20.4452

 

FStBay 2021/12 Randnummer 130

Die Fundstelle Bayern

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