23.02.2022

Verpachtungen durch die öffentliche Hand

Auswirkungen des BFH-Urteils vom 10.12.2019 – I R 58/17

Verpachtungen durch die öffentliche Hand

Auswirkungen des BFH-Urteils vom 10.12.2019 – I R 58/17

Muss der Rotstift angesetzt werden? | © beermedia - stock.adobe.com
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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit o. g. Urteil zum Fall eines Verpachtungs-BgA (§ 4 Absatz 4 KStG) entschieden, dass eine entgeltliche Überlassung von Einrichtungen, Anlagen oder Rechten nur dann vorliegt, wenn der Pächter die wirtschaftliche Last der Pachtzinsen zu tragen hat. Entgeltlichkeit liege nicht vor, wenn der Pachtzins und ein dem Pächter gewährter Betriebskostenzuschuss in mindestens gleicher Höhe bei wirtschaftlicher Betrachtung in Abhängigkeit zueinander stehen. Auf eine rechtliche und tatsächliche Verknüpfung zwischen Pachtzins und Zuschuss kommt es nach Auffassung des BFH nicht an. Im Rahmen eines Obiter Dictums ist der BFH unter Hinweis auf seine Entscheidung vom 9.11.2016 – I R 56/15 (BStBl. II 2017 S. 498), zudem zu der Auffassung gelangt, dass auch das defizitäre Verpachtungsgeschäft eines Verpachtungs-BgA nicht die Voraussetzungen eines Dauerverlustgeschäfts i. S. v. § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 7 Satz 2 KStG erfüllen kann.

Aufgrund der o.g. Rechtsprechung änderte das BMF mit Schreiben vom 15.12.2021 unter Bezugnahme auf das Ergebnis von Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder das BMF-Schreiben vom 12.11.2009 (BStBl. I 2009 Seite 1303) wie folgt:

Nach Rdnr. 15 wird folgende Rdnr. 15 a eingefügt:
„15a
Es liegt keine entgeltliche Verpachtung und damit kein Verpachtungs-BgA vor, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht der Pächter, sondern der Verpächter die wirtschaftliche Last des vereinbarten Pachtzinses zu tragen hat. Das ist z. B. der Fall, wenn der Pächter einen Zuschuss mindestens in Höhe der Pacht erhält.“


Anmerkung
In den Leitsätzen der beiden BFH-Urteile vom 10.12.2019 wird ausgeführt, dass eine entgeltliche Verpachtung i. S. d. § 4 Abs. 4 KStG nicht gegeben ist, wenn der Verpächter die wesentliche Last des vereinbarten Pachtzinses zu tragen hat. In den Entscheidungsgründen der Urteile wird näher erläutert, wann dies der Fall ist.

So äußert sich der BFH im Urteil I R 58/17 in Rdnr. 22 insoweit wie folgt: „… Entscheidend ist bei der im Streitfall gebotenen, an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierten Betrachtung, dass sich die Höhe des Betriebskostenzuschusses am Aufwand des Hallenbadbetriebs orientiert und damit im Ergebnis auch an den geleisteten Pachtzahlungen. …“.

Noch etwas deutlicher sind die Ausführungen des BFH in seinem Urteil I R 9/17 in Rdnr. 20: „… Entscheidend ist bei einer an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierten Betrachtung, dass sich die Höhe des jährlichen Zuschusses für die Durchführung des Badebetriebs an einer am Jahresende vorzunehmenden Abrechnung richtet, in die u.a. auch die Pachtzahlungen als durch den Bäderbetrieb verursachter Aufwand einfließen. …“.

Für die Frage der Entgeltlichkeit der Verpachtung ist für den BFH somit entscheidend, dass sich die Höhe des Zuschusses nach den Aufwendungen des Pächters richtet, in denen auch die Pachtzahlungen enthalten sind. Im Umkehrschluss ist daher m. E. von einer Entgeltlichkeit der Verpachtung auszugehen, wenn sich die Höhe des Zuschusses generell nicht nach den tatsächlichen Aufwendungen des Pächters bemisst bzw. sich zwar an den Aufwendungen des Pächters orientiert, aber ohne dass in diesen Aufwendungen die Pachtzahlungen berücksichtigt sind.

Das BMF geht jedoch in der neuen Rdnr. 15 a automatisch – d. h. ohne Prüfung, ob sich der Zuschuss des Verpächters überhaupt nach den Aufwendungen des Pächters richtet bzw. ob in den für die Höhe des Zuschusses maßgeblichen Aufwendungen des Pächters auch die Pacht enthalten ist – davon aus, dass allein die Tatsache, dass der Zuschuss des Verpächters so hoch ist wie die Pacht oder diese übersteigt, zur Unentgeltlichkeit der Verpachtung führt.

Rdnr. 17 des BMF-Schreibens vom 12.11.2019 lautete bisher wie folgt:
„17
Werden dagegen nicht alle wesentlichen Grundlagen an den Pächter überlassen, liegt kein Verpachtungs-BgA, sondern grundsätzlich eine Vermögensverwaltung vor. Erfüllt eine derartige Verpachtung aber die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung (vgl. H 15.7 Absatz 4 EStH „Allgemeines“), stellt sie eine gewerbliche Tätigkeit dar, die zu einem BgA i. S. d § 4 Absatz 1 KStG führt.“

Die Neufassung der Rdnr. 17 lautet nun wie folgt:
„17
Werden dagegen nicht alle wesentlichen Grundlagen an den Pächter überlassen, liegt kein Verpachtungs-BgA, sondern grundsätzlich eine Vermögensverwaltung vor. Erfüllt eine derartige Verpachtung aber die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung (vgl. H 15.7 Absatz 4 EStH „Allgemeines“), stellt sie eine gewerbliche Tätigkeit dar, die zu einem BgA i. S. d § 4 Absatz 1 KStG führt. Dies gilt auch dann, wenn auf Seiten des Verpächters lediglich eine Einnahmeerzielungsabsicht vorliegt; eine Gewinnerzielungsabsicht ist insoweit nicht erforderlich (§ 4 Absatz 1 KStG). Zur Frage des Vorliegens einer Entgeltlichkeit gelten die Grundsätze der Rdnr. 15a. Hierbei sind in einer Gesamtbetrachtung neben der Pacht auch erwartbare Dividenden und Wertzuwächse zu berücksichtigen.“

Anmerkung
Rdn. 17 des BMF-Schreibens vom 12.11.2009 wurde um die Sätze 3 bis 6 erweitert. Führt die Verpachtung einer wesentlichen Betriebsgrundlage zu einem sog. Besitz-BgA im Rahmen einer Betriebsaufspaltung, so sind für die Frage der Entgeltlichkeit der Verpachtung bei Fällen, in denen der Zuschuss des Verpächters so hoch ist wie das Pachtentgelt oder dieses übersteigt, neben der Pacht auch erwartbare Dividenden und Wertzuwächse zu berücksichtigen. Derartige Wertzuwächse können durch stille Reserven in den Wirtschaftsgütern des Pächters bzw. durch thesaurierte Gewinne des Pächters entstehen. Daraus folgt, dass allein die Tatsache, dass der Zuschuss des Verpächters so hoch ist wie die Pachtzahlung des Pächters oder diese übersteigt, nicht automatisch zur Unentgeltlichkeit der Verpachtung führt.

Rdnr. 22 wird wie folgt gefasst:
„22
Die Sonderregelung des § 8 Absatz 7 Satz 1 Nummer 1 KStG erfasst den einzelnen BgA i. S. d. § 4 KStG, der ein Dauerverlustgeschäft unterhält. Dies gilt auch, wenn er Organträger ist und das Dauerverlustgeschäft von der Organgesellschaft unterhalten wird (§ 15 Satz 1 Nummer 4 Satz 2 KStG). Handelt es sich um einen BgA, der in Folge einer Zusammenfassung i. S. d. § 4 Absatz 6 KStG entstanden ist, muss dieser BgA ein Dauerverlustgeschäft unterhalten.“

Anmerkung
Satz 1 der Rdnr. 22 lautete bisher wie folgt: „Die Sonderregelung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 KStG erfasst den einzelnen BgA i. S. d. § 4 KStG (einschl. Verpachtungs-BgA), der ein Dauerverlustgeschäft unterhält“. In der Neufassung der Rdnr. 22 wurde der Klammersatz „(einschließl. Verpachtungs-BgA)“ gestrichen. Dies hat zur Folge, dass – entsprechend der Rechtsprechung des BFH – die dauerdefizitäre Verpachtung eines BgA kein steuerbegünstig-tes Dauerverlustgeschäft i. S. d. § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG darstellt.

Rdnr. 47 wird wie folgt gefasst:
„47
Die Begünstigung setzt voraus, dass der BgA oder die Kapitalgesellschaft die Geschäfte selbst tätigen. Überlässt der BgA oder die Kapitalgesellschaft nur Wirtschaftsgüter an Dritte, damit diese vergleichbare Geschäfte tätigen können, liegt grundsätzlich bei dem BgA oder der Kapitalgesellschaft kein begünstigtes Geschäft vor (z. B. die Überlassung einer Multifunktionshalle an verschiedene Veranstalter). Führt die Überlassung durch die jPöR zur Fiktion des (dauerdefizitären) Verpachtungs-BgA (§ 4 Absatz 4 KStG) und übt in diesen Fällen nur der Pächter die in § 8 Absatz 7 Satz 2 KStG aufgeführten Tätigkeiten aus, ist § 8 Absatz 7 KStG auf den Verpachtungs-BgA nicht anzuwenden, da dieser das Geschäft nicht selbst tätigt. Erfolgt die Überlassung durch die jPöR hingegen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung, die bei der überlassenden jPöR zu einem Besitz-BgA i. S. d. § 4 Absatz 1 KStG führt und werden in diesen Fällen die in § 8 Absatz 7 Satz 2 KStG aufgeführten Tätigkeiten ausschließlich von der Betriebsgesellschaft ausgeübt, ist § 8 Absatz 7 KStG auf den Besitz-BgA anzuwenden.“

Anmerkung
In der bisherigen Fassung der Rdnr. 47 war § 8 Abs. 7 KStG auch auf den Verpächter anwendbar, wenn nur der Pächter ein steuerbegünstigtes Dauerverlustgeschäft i. S. d. § 8 Abs. 7 KStG ausgeführt hat. In der Neufassung der Rdnr. 47 wird diese Auffassung von der Finanzverwaltung – der Rechtsprechung des BFH folgend – nicht mehr vertreten. Die dauerdefizitäre Verpachtung eines BgA stellt nach der Neufassung der Rdnr. 47 nur dann ein steuerbegünstigtes Dauerverlustgeschäft dar, wenn die Überlassung der Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Betriebsaufspaltung erfolgt und die in § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG aufgeführten Tätigkeiten von der Betriebsgesellschaft ausgeübt werden.

In Rdnr. 48 wird das ursprüngliche Beispiel 1 durch ein neues Beispiel 1 ersetzt. Dieses lautet wie folgt:
„48
Beispiel 1:
Stadt B ist zu 100 % an der ÖPNV-GmbH beteiligt, die ihrerseits den (dauerdefizitären) ÖPNV im Stadtgebiet B unterhält. B überlässt die in ihrem Eigentum befindlichen Gleisanlagen entgeltlich an die ÖPNV-GmbH und erhebt aus verkehrspolitischen Gründen keine kostendeckende Pacht. Die Überlassung erfüllt die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung und führt zu einem dauerdefizitären Besitz-BgA. Dieser umfasst die überlassenen Gleisanlagen sowie die Beteiligung an der ÖPNV-GmbH. Auf den dauerdefizitären Besitz-BgA ist § 8 Absatz 7 KStG anzuwenden.“

Anmerkung
Im ursprünglichen Beispiel 1 wurde die dauerdefizitäre Verpachtung eines Theaters an eine Theatergesellschaft durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts als steuerbegünstigtes Dauerverlustgeschäft i. S. d. § 8 Abs. 7 KStG angesehen, da die Theatergesellschaft (Pächterin) ein steuerbegünstigtes Dauerverlustgeschäft ausübt (Nichterhebung einer kostendeckenden Pacht aus kulturpolitischen Gründen). Im neuen Beispiel 1 erfolgt eine dauerdefizitäre Verpachtung im Rahmen einer Betriebsauf-spaltung, bei der die Betriebsgesellschaft ein steuerbegünstigtes Dauerverlustgeschäft i. S. d. § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG betreibt. Dies hat zur Folge, dass § 8 Abs. 7 KStG auf den dauerdefizitären Besitz-BgA anzuwenden ist.

Die vorstehenden Grundsätze sind auf alle offenen Fälle anzuwenden. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn die bisher geltenden Grundsätze bis zum 31.12.2022 angewandt werden.

 

Prof. Thomas Maier

Rechtsanwalt / Steuerberater,
Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl
n/a