15.05.2014

Gesundheitspolitik stellt die Weichen

Zentrale Ziele und Umsetzungsschritte im Koalitionsvertrag 2014

Gesundheitspolitik stellt die Weichen

Zentrale Ziele und Umsetzungsschritte im Koalitionsvertrag 2014

Ob die zahlreichen Therapieansätze zur Sanierung des Gesundheitswesens anschlagen, muss sich erst erweisen. | © Gina Sanders - Fotolia
Ob die zahlreichen Therapieansätze zur Sanierung des Gesundheitswesens anschlagen, muss sich erst erweisen. | © Gina Sanders - Fotolia

Das Politikfeld „Gesundheit“ nimmt – zusammen mit der Pflegepolitik – im Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode zwischen CDU, CSU und SPD („Deutschlands Zukunft gestalten“) breiten Raum ein. Im Folgenden sollen einige zentrale gesundheitspolitische Ziele und notwendige Umsetzungsschritte dargestellt werden.

Ambulante Gesundheitsversorgung

Das große Problem der ambulanten Versorgung in der Bundesrepublik ist weniger das derzeitige Angebot an Fachkräften als vorrangig die Altersstruktur der Ärzteschaft, der Nachwuchsmangel und die regionale Verteilung. Vor allem bei den Hausärzten, aber auch in einigen Facharztgruppen werden in den kommenden Jahren mehr Leistungserbringer aus der Versorgung ausscheiden als Nachwuchs zur Verfügung steht. Hinzu kommen die steigenden Anforderungen an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit der Zunahme von Teilzeitmodellen, die Überalterung der Bevölkerung mit einer zunehmenden Nachfrage nach medizinischen Leistungen sowie der dem medizintechnischen Fortschritt geschuldete Mehrbedarf.

Zur Sicherstellung der flächendeckenden ambulanten Versorgung will die große Koalition die Anreize zur Niederlassung in unterversorgten Gebieten weiter verbessern. In diesem Zusammenhang sollen bürokratische Anforderungen abgebaut und die Rahmenbedingungen für Zulassungen für Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten flexibilisiert werden. Auch die Möglichkeit zur Zulassung von Krankenhäusern zur ambulanten Versorgung in unterversorgten Gebieten sollen verbessert werden. Die Förderung von Praxisnetzen soll verbindlich gemacht und ausgebaut werden, gesetzliche Vorgaben zum Abbau von Überversorgung durch den Aufkauf von Arztsitzen von einer „Kann“- in eine „Soll“-Regelung überführt werden. Nach entsprechenden Ankündigungen seitens des federführenden Bundesgesundheitsministeriums soll ein entsprechendes „Versorgungsstrukturgesetz“ als Änderungsgesetz zum SGB V relativ kurzfristig vorgelegt werden.


So sehr die Ansätze der Koalition grundsätzlich zu begrüßen sind, bleibt abzuwarten, ob die Ziele mit diesen Werkzeugen (allein) zu erreichen sind. Die Länder – etwa NRW mit dem „Hausarztaktionsprogramm“ – sind bereits seit vielen Jahren mit entsprechenden Programmen und Maßnahmenbündeln aktiv. Dabei hat sich gezeigt, dass unterschiedlichste Maßnahmen aufeinander abgestimmt werden müssen und solitäre Instrumente nur bedingt hilfreich sind. Nur mit konzertierten Aktionen aller Beteiligter (Land, Kammern, Kassenärztliche Vereinigungen, Kommunen) können die zukünftigen Herausforderungen im Sinne guter Patientenversorgung gemeistert werden.

Die Reduzierung von Wartezeiten nimmt ebenfalls breiten Raum in der Koalitionsvereinbarung ein: So sollen in der psychotherapeutischen Versorgung Wartezeiten reduziert und mehr Betroffenen ein zeitnahes Angebot für eine Kurzzeittherapie eröffnet werden. Hierzu soll das Antrags- und Gutachterverfahren entbürokratisiert, die Gruppentherapie gefördert und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beauftragt werden, in einer gesetzlich definierten Frist die Psychotherapierichtlinie zu überarbeiten.

Für gesetzlich Versicherte soll überdies im somatischen Bereich die Wartezeit auf einen Arzttermin deutlich reduziert werden. Sie sollen sich zukünftig bei Überweisung an einen Facharzt an eine zentrale Terminservicestelle bei einer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) – die in Kooperation mit den Krankenkassen betrieben werden kann – wenden können, die innerhalb einer Woche einen Behandlungstermin vermitteln soll. Für den Termin soll im Regelfall eine Wartezeit von vier Wochen nicht überschritten werden. Gelingt dies nicht, soll nach den Vorstellungen der Koalitionspartner von der Terminservicestelle ein Termin – außer in medizinisch nicht begründeten Fällen – zur ambulanten Behandlung in einem Krankenhaus angeboten werden. Die Behandlung erfolgt dann zu Lasten des jeweiligen KV-Budgets. Die beabsichtigten Regelungen begegnen in den Reihen der Leistungserbringer teilweise großen Bedenken. Es ist davon auszugehen, dass der Bund das „Paket“ gleichwohl in einem Zuge mit den vorgenannten Strukturmaßnahmen umsetzt.

Zu den Verabredungen der Koalitionspartner gehört es auch, einen neuen Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen im Strafgesetzbuch zu schaffen. Entsprechende Überlegungen gab es bereits in der vergangenen Legislaturperiode, damals allerdings noch in Gestalt einer entsprechenden Verankerung im Sozialrecht (SGB V). Dies scheiterte am Veto des Bundesrates, der die bloß sozialrechtliche Ausgestaltung und Verweisung in das Nebenstrafrecht für nicht ausreichend erachtete und stattdessen eine unmittelbare Verankerung im Strafrecht forderte. Seinerzeit gingen die Überlegungen dahin, einen neuen § 299a StGB einzufügen, wonach Angehörige eines Heilberufs, die im Zusammenhang mit der Ausübung dieses Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordern, sich versprechen lassen oder annehmen, dass sie bei dem Bezug, der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten oder bei der Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb bevorzugen oder sich in sonstiger unlauterer Weise beeinflussen lassen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden. Eine entsprechende Strafdrohung sollte auch für diejenigen gelten, die Entsprechendes anbieten, versprechen oder gewähren. An diese Pläne wollten die Koalitionspartner offenbar anknüpfen.

Krankenhausversorgung

Schon seit geraumer Zeit wird gesundheits- und rechtspolitisch darüber diskutiert, ob und inwieweit die Länder über die Krankenhausplanung eigenständige Qualitätsvorgaben machen können. Diese Diskussion haben die Koalitionspartner aufgegriffen und sich zu eigen gemacht. Davon ausgehend, dass die Menschen sich darauf verlassen müssen, nach dem neuesten medizinischen Stand und in bester Qualität behandelt zu werden, soll in einer Qualitätsoffensive die Qualität der stationären Versorgung verbessert werden. Qualität soll als weiteres und ausdrückliches Kriterium für Entscheidungen der Krankenhausplanung im Kontext des § 1 KHG bundesgesetzlich eingeführt werden. Im Zuge der Qualitätssicherung soll auch die Befugnis des GBA zur Festlegung von Mindestmengen rechtssicher(er) ausgestaltet werden.

Nicht zuletzt zu diesem Zweck sollen in einem neu zu gründenden Qualitätsinstitut sektorenübergreifend Routinedaten gesammelt, ausgewertet und einrichtungsbezogen veröffentlicht werden. Die Anforderungen der Qualitätsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) sind dabei zwingend einzuhalten. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen soll zur Überprüfung der Vorgaben des GBA zur internen und externen Qualitätssicherung zukünftig unangemeldet Kontrollen in den Krankenhäusern durchführen. Die Grundlage für das vorgesehene Institut ist bereits im derzeit auf Bundesebene diskutierten Entwurf eines GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetzes (GKV-FQWG) enthalten.

Arzneimittelversorgung

Das eine oder andere rechtspolitische Zeichen haben die Koalitionäre auch versucht im Bereich der Arzneimittelversorgung zu setzen. So etwa im Bereich der ArzneimittelRabattverträge; dabei handelt es sich um vertragliche Vereinbarungen zwischen einzelnen Herstellern und einzelnen Kostenträgern der GKV über die exklusive Belieferung der Krankenversicherten mit bestimmten Arzneimitteln, um in diesem Bereich Einsparpotentiale zu erschließen. Möglich wurden diese direkten Belieferungs-Verträge durch eine 2003 in Kraft getretene Gesetzesänderung. Weitere Novellen 2006 und 2007 erweiterten die Möglichkeiten der Krankenkassen.

Zeitgleich starteten viele gesetzliche Krankenkassen die Arzneimittel-Versorgung ihrer Versicherten mithilfe der neuen Rabattverträge. Das Ziel, das die Bundesregierung mit den beiden Gesetzen und den daraus resultierenden Arzneimittel-Rabattverträgen verfolgte, war die Kostensenkung bei den Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen. Zwar wurde dieses Ziel erreicht, „erkauft“ aber durch Komplikationen bei der Umsetzung der Rabattvertrags-Arzneiversorgung in Form von teilweisen Lieferengpässen der Vertragshersteller. Aus diesem Grund sind die Koalitionäre übereingekommen, dass die Vertragspartner beim Abschluss von Rabattverträgen die Versorgungssicherheit gewährleisten müssten, indem sie Maßnahmen gegen Lieferengpässe vereinbarten; dies gelte insbesondere für Impfstoffe. Offen bleibt indes, ob und ggfs. welche gesetzgeberischen Maßnahmen ergriffen werden sollen, wenn es in der Zukunft verstärkt zu Lieferengpässen kommen sollte. Und nach Ansicht der Regierungsparteien erfordere eine qualitativ hochwertige, sichere und wohnortnahe Arzneimittelversorgung freiberuflich tätige Apothekerinnen und Apotheker in inhabergeführten Apotheken. An dem bestehenden Mehr- und Fremdbesitzverbot werde daher festgehalten.

All dies spricht dafür, dass der Bundesgesetzgeber den Bereich des Arzneimittel- und Apothekenrechts in dieser Legislaturperiode weitestgehend ausspart und sich stärker der ambulanten und stationären Versorgung widmet.

 

Dr. Frank Stollmann

Leitender Ministerialrat
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