15.05.2014

Vergabe einer Stromkonzession

Die Anforderungen nach den Urteilen des BGH vom 17. 12. 2013

Vergabe einer Stromkonzession

Die Anforderungen nach den Urteilen des BGH vom 17. 12. 2013

Stromkonzession: Vertrag mit Eigenbetrieb oder gemischt-öffentlicher Gesellschaft unterliegt Vergaberecht. | © zitze - Fotolia
Stromkonzession: Vertrag mit Eigenbetrieb oder gemischt-öffentlicher Gesellschaft unterliegt Vergaberecht. | © zitze - Fotolia

Der BGH hat am 17. 12. 2013 (KZR 65/12 und KZR 66/12) über die Vergabe einer Stromkonzession an einen kommunalen Eigenbetrieb und in einem weiteren Verfahren über die Vergabe einer Stromkonzession an eine gemischt-öffentliche Gesellschaft entschieden und festgestellt, dass auch für diese Fälle der Rekommunalisierung der Stromversorgung die Anforderungen des § 46 Abs. 1 EnWG zu beachten sind.

Sowohl für den Vertragsabschluss mit einem Eigenbetrieb als auch für den Vertragsabschluss mit einer Eigengesellschaft oder gemischt-öffentlichen Gesellschaft ist danach ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren zu beachten. Ein Auftraggeber kann sich im Verhältnis zu seinem Eigenbetrieb weder auf die vergaberechtliche Ausnahmebestimmung zum sogenannten Konzernprivileg berufen, noch kann sich der Auftraggeber auf das durch die Rechtsprechung entwickelte Inhouse-Privileg für die Vergabe der Stromkonzession an den Eigenbetrieb berufen.

Genügt die Konzessionsvergabe den Vergabeanforderungen nicht, liegt nach Ansicht des BGH – wie auch nach Ansicht der Tatsacheninstanz – eine unbillige Behinderung anderer Wettbewerber vor, deren Chancen auf die Konzession dadurch beeinträchtigt sind. Dies führt zur Unwirksamkeit des Konzessionsvertrages mit dem Eigenbetrieb oder der Eigengesellschaft. In der Folge der Unwirksamkeit des Konzessionsvertrages besteht kein Überlassungsanspruch bezüglich der Verteilungsanlagen nach § 46 Abs. 2 EnWG.


Nunmehr liegen die Entscheidungsgründe zu den Verfahren vor.

Gegenstand beider Verfahren war der Anspruch des neuen Energieversorgers auf Überlassung der für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG.

Der Anspruch scheiterte in beiden Fällen auch in der Revisionsinstanz daran, dass der Abschluss des Konzessionsvertrages mit dem jeweiligen Kläger als neuem Energieversorger als nichtig im Sinne des § 134 BGB erkannt wurde. Die Nichtigkeit wurde aus dem fehlerhaften Auswahlverfah-

ren unter Verletzung der gebotenen diskriminierungsfreien und transparenten Auswahl und letztlich wegen Verstoßes gegen die Verbotsnorm des § 20 a.F. GWB abgeleitet.

Im Wesentlichen setzt sich der BGH in beiden Fällen mit den Anforderungen an ein diskriminierungsfreies und transparentes Auswahlverfahren, den Auswahlkriterien und den Folgen, insbesondere der Nichtigkeitsfolge bei Missachtung der gebotenen Auswahlanforderungen auseinander.

Auswahlverfahren

Da die Gemeinden auf ihrem Gemeindegebiet als Anbieter von Wegenutzungsrechten und Nachfrager der Netzinfrastrukturdienstleistung marktbeherrschende Stellung haben und nur ein Unternehmen Netzbetreiber der allgemeinen Energieversorgung sein kann, sind sie nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB (§ 20 Abs. 1 GWB a.F.) und § 46 Abs. 1 EnWG verpflichtet, den Konzessionär für den Betrieb eines Energieversorgungsnetzes in ihrem Gemeindegebiet in einem diskriminierungsfreien Wettbewerb, und zwar in einem transparenten Verfahren, auszuwählen. Das Verfahren muss so gestaltet sein, dass kein Bewerber um eine solche Konzession unbillig behindert oder diskriminiert wird. § 46 Abs. 1 EnWG sei, so der BGH, auch auf Wegenutzungsverträge nach § 46 Abs. 2 EnWG anwendbar.

Ein Auswahlverfahren ist auch dann anzuwenden, wenn die Gemeinde beabsichtigt, die Konzession auf einen Eigenbetrieb zu übertragen (§ 46 Abs. 4 EnWG). Dies ergibt sich aus dem Zweck des § 46 EnWG und steht im Einklang mit dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG, so der BGH.

Auf die Ausnahme des Inhouse-Geschäftes könne sich die Kommune bei der Konzessionsvergabe an den Eigenbetrieb schon deshalb nicht berufen, weil die Dienstleistung des Netzbetreibers ganz überwiegend nicht für die Kommune, sondern für die Energienachfrager der Gemeinde erbracht würde.

Form des Auswahlverfahrens

Das Auswahlverfahren muss so gestaltet sein, dass die am Netzbetrieb interessierten Unternehmen erkennen können, worauf es der Gemeinde bei der Auswahlentscheidung ankommt. Den am Netzbetrieb interessierten Unternehmen müssen die Entscheidungskriterien der Gemeinde und deren Gewichtung rechtzeitig vor Abgabe des Angebotes bekannt gegeben werden. Nicht erforderlich sei, dass die Kriterien und deren Gewichtung in der Bekanntmachung angegeben werden, es reiche aus, wenn diese in einem gleichlautenden Verfahrensbrief denjenigen mitgeteilt würden, die aufgrund der Bekanntmachung ihr Interesse bekundet hätten.

Auswahlkriterien und Gewichtung

Die sachlichen Kriterien für die Auswahl eines Konzessionärs müssen sich im Energiebereich an den Zielen des § 1 EnWG ausrichten. Dies sind eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität sowie (seit August 2011) die Versorgung aus erneuerbaren Energien.

Weitere Auswahlkriterien, die weder konzessionsabgabenrechtlich zulässige Nebenleistungen im Zusammenhang mit der Wegenutzung noch die Ausrichtung des Netzbetriebs beträfen, sind nicht zulässig. Innerhalb der zulässigen Kriterien steht dem Auftraggeber aber ein Spielraum bei Formulierung und Gewichtung zu.

Zulässig sei es, neben den grundsätzlichen Kriterien nach § 1 EnWG, qualitative Eigenschaften und Unterschiede bei Netzbetrieb und Netzverlegung (Erdverkabelung oder Verlegung von Leerrohren) zu bewerten. Keinen grundsätzlichen Bedenken begegnen auch Kriterien wie Abschlagszahlungen, Vertragslaufzeit, Endschaftsbestimmung, Kaufpreisregelung, Kommunalrabatt, Auskunftsansprüche und Zusatzleistungen in den Grenzen des § 3 KAV.

Kritisch betrachtet der BGH das Kriterium der Einflussnahme durch Angebot einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung der Gemeinde. Da die Gemeinde sich mit ihrer Eigengesellschaft an dem Wettbewerb um die Konzession beteiligen könne, würde ihr ein gesellschaftsrechtlicher Einfluss einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil gegenüber denjenigen Bietern verschaffen, die die Energieversorgung eigenverantwortlich übernehmen wollten. Ein solches Kriterium könne allenfalls dann hingenommen werden, wenn die Einflussnahme im Interesse der energiewirtschaftsrechtlichen Ziele nicht in anderer Weise, z. B. über vertragliche Regelungen erreicht werden kann. Kosten und Risiken einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung müssten in diesem Falle aber ebenfalls bei der Bewertung berücksichtigt werden.

Ebenso sei eine Gewichtung des Kriteriums „störungsfreier Netzbetrieb“ mit 10 von 170 möglichen Punkten nicht zulässig. Die Netzsicherheit sei in Ansehung der energiewirtschaftlichen Ziele nach § 1 EnWG mit einem erheblich höheren Anteil der zu vergebenden Gesamtpunkte anzusetzen.

Bezüglich des Kriteriums einer „preisgünstigen Versorgung“ seien insbesondere die Angebotsinhalte zu berücksichtigen, die sich auf die Netzentgelte beziehen. Der im Angebot enthaltene Gemeinderabatt sei mit dem Kriterium „preisgünstige Versorgung“ nicht gemeint und dürfe in diesem Zusammenhang nicht gewertet werden, sondern nur als konzessionsabgabenrechtliche Nebenleistung.

Das Kriterium „regionale Präsenz“ ist nach Ansicht des BGH jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen, wenn es nicht im Zusammenhang mit den energiewirtschaftlichen Zielen der Versorgungssicherheit und Verbraucherfreundlichkeit stehe. Das bloße Interesse der Gemeinde an der Gewerbesteuer sei kein im Zusammenhang mit der Energiewirtschaft stehendes Ziel.

Auch das Geschäftsmodell als solches, ausgedrückt durch Kriterien wie „Höhe des kommunalen Anteils an Netzen“, „Kommunaler Vermögenszuwachs“ oder „Höhe des kommunalen Kapitaleinsatzes für den Netzerwerb“ sei nicht zulässig. Hiermit werde seitens der Gemeinden ein ausschließlich fiskalischer Zweck jenseits der KAV verfolgt, der in keinerlei Zusammenhang mit den energiewirtschaftlichen Zielen stehe.

Auch die Kriterien „Möglichkeit der Geschäftsfelderweiterung“ und „Mitgestaltungsrechte/Einflussmöglichkeiten“ (soweit diese unabhängig von vergleichbaren vertraglichen Gestaltungsrechten gewertet werden sollen) wiesen keinen sachlichen Zusammenhang mit dem Konzessionsvertrag auf.

Nichtigkeitsfolge

Die Verletzung der vom BGH aufgezeigten Verfahrensanforderungen führt zur unbilligen Behinderung der Mitbewerber und verstoße gegen § 20 GWB a.F (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB).

Auch im Verhältnis der Gemeinde zu ihrem Eigenbetrieb, der rechtlich nicht selbstständig ist, mit der Folge, dass zwischen Gemeinde und Eigenbetrieb keine Rechtsgeschäfte i.S.d. § 20 GWB a.F. abgeschlossen werden können, sei § 20 GWB a. F. entsprechend anzuwenden.

Zwar führen Verstöße gegen das wettbewerbsrechtliche Diskriminierungsverbot nach allgemeiner Auffassung nur dann zur Nichtigkeit von Verträgen, wenn sie sich unmittelbar aus dem betreffenden Rechtsgeschäft ergäben und ihre Folgen nicht ohne dessen Nichtigkeit z. B. durch Änderung oder Neuabschluss einer Vereinbarung beseitigt werden könnten.

Eine „Rettung“ der Konzessionsverträge kommt aber nach Ansicht des BGH nicht in Betracht, da Konzessionsverträge in der Regel langfristig (20 Jahre) abgeschlossen und so eine langfristige Marktverdrängung von Wettbewerbern zur Folge hätten. Die unzulässige Diskriminierung durch derart langfristige Verträge könne nur durch deren Unwirksamkeit beseitigt werden.

Eine andere Beurteilung soll nur dann in Betracht kommen, wenn alle diskriminierten Bewerber um die Konzession z. B. durch eine Unterrichtung über die beabsichtigte Entscheidung der Gemeinde vor Vertragsabschluss ausreichend Gelegenheit haben, ihre Rechte zu wahren, diese Möglichkeit aber nicht nutzen. In diesem Fall soll die fortdauernde Behinderung durch den fehlerhaft abgeschlossenen Konzessionsvertrag im Interesse der Rechtssicherheit hingenommen werden müssen.

 

Björn Jacob

Rechtsanwalt, Energierecht, PricewaterhouseCoopers Legal AG Rechtsanwaltsgesellschaft, Düsseldorf
 

Susanne Rachel Wellmann

LL.M., Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht, Mediatorin, Öffentliches Wirtschaftsrecht und Vergaberecht, PricewaterhouseCoopers Legal AG Rechtsanwaltsgesellschaft, Düsseldorf
n/a