15.05.2014

Wenn Sicherheitsunternehmen streiken

Die Verantwortung des Staates für die Flughafensicherheit

Wenn Sicherheitsunternehmen streiken

Die Verantwortung des Staates für die Flughafensicherheit

Muss der Staat einspringen, wenn das Sicherheitspersonal streikt? | © Bergfee - Fotolia
Muss der Staat einspringen, wenn das Sicherheitspersonal streikt? | © Bergfee - Fotolia

Ende Februar 2014 verursachte der Warnstreik von etwa 800 Sicherheitskräften eine erhebliche Einschränkung des Flugbetriebes am Frankfurter Flughafen. Der Beitrag stellt die Streiksituation dar, gibt Auskunft über die rechtlichen Regelungen zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben durch private Sicherheitsunternehmen und zeigt die diesbezügliche Verantwortung des Staates auf.

Warnstreik am Frankfurter Flughafen

Am 21.02.2014 beteiligten sich etwa 800 Sicherheitskräfte aus den Bereichen Personenkontrolle, Frachtkontrolle, Flughafensicherheit und Services an einem 21-stündigen Streik am Frankfurter Flughafen. Die Gewerkschaft ver.di hatte zum Streik der privaten Luftsicherheitsunternehmen aufgerufen und ihn einen Tag vorher angekündigt. Sie forderte für das Sicherheitspersonal einen einheitlichen Stundenlohn von 16 Euro.

Von den nahezu 200 Kontrollstellen waren zeitweise nur 20 besetzt. Mangels fehlenden Sicherheitspersonals konnte knapp ein Viertel der 150.000 Passagiere ihren Flug nicht antreten. Von den Auswirkungen waren die Zusteiger betroffen. Etwa jeder zweite Zusteiger verpasste seinen Flug. Hingegen wurden Fluggäste, die in Frankfurt umgestiegen sind, weiterhin abgefertigt. Fast jeder zehnte der insgesamt 1.300 Flüge wurde gestrichen. Viele Maschinen flogen mit weniger Passagieren an Bord als gebucht. Laut Angaben der Fluggesellschaft Lufthansa wurde an dem Streiktag drei Millionen Euro weniger Gewinn erwirtschaftet.


An den noch geöffneten Kontrollstellen bildeten sich große Menschenansammlungen aus bis zu 2.000 Passagieren. Die langen Wartezeiten führten teilweise sogar zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Kreislaufproblemen.

Sicherheit als Staatsaufgabe

Die Gewährleistung der Sicherheit ist eine Kernaufgabe des Staates. Er kann sie mittels des Gewaltmonopols durchsetzen. Die Polizei ist primär für die Sicherheit öffentlicher Belange verantwortlich.

Im Grundgesetz (GG) werden an verschiedenen Stellen sicherheitsrelevante Gebiete aufgezählt, die im Zuständigkeitsbereich des Bundes liegen. Eine Zuständigkeit davon bestimmt Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG, wonach der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über den Luftverkehr hat.
Für den Luftverkehr ist diesbezüglich u. a. das Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) von Bedeutung. Dieses Gesetz dient dem Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen, Sabotageakten und terroristischen Anschlägen. Der Bundespolizei obliegt nach § 4 Bundespolizeigesetz der Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs gemäß § 5 des LuftSiG.

Einsatz privater Sicherheitsunternehmen möglich

Der Staat hat kein alleiniges Sicherheitsmonopol. Für die Gewährleistung öffentlicher Sicherheitsbelange ist er zwar primär zuständig, darf sich aber privater Sicherheitsunternehmen bedienen.

Die Aufteilung der Sicherheitsverantwortlichkeit zwischen dem Staat und privaten Sicherheitsunternehmen ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt:

Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist nach Art. 33 Abs. 4 GG „…in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.“ Eine vollständige Übertragung polizeilicher Aufgaben und hoheitlicher Eingriffsbefugnisse auf private Sicherheitsunternehmen würde der Verfassung daher widersprechen. Allerdings drückt die Formulierung in Art. 33 Abs. 4 GG „in der Regel“ auch aus, dass Ausnahmen zulässig sind.

Das Luftsicherheitsgesetz erlaubt in § 5 Abs. 5 dementsprechend rechtmäßigerweise die Übertragung von Hoheitsaufgaben auf private Sicherheitsunternehmen. Danach „…kann geeigneten Personen als Beliehenen die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben bei der Durchführung der Sicherheitsmaßnahmen gemäß den Absätzen 1 bis 4 übertragen“ werden.

Staat trägt Verantwortung

Von verschiedenen Seiten wurde scharfe Kritik am Vorgehen der Gewerkschaft ver.di geäußert. Deren Vorgehensweise wurde vielfach als „absolut unverhältnismäßig“, als „völlig überzogen“ oder gar als „vollkommen inakzeptabel“ bezeichnet.

Eine derartige Schuldzuweisung allein nach dem direkten Verursacherprinzip ist nicht ganzheitlich durchdacht. Aus der vorangegangenen Ausführung wird deutlich, dass der Staat in der Regel für die Gewährleistung der Sicherheit zuständig ist. Im konkreten Streikfall konnte er dieser Pflicht nicht im erforderlichen Umfang nachkommen, da er sich auf die Beliehenen verlassen hatte. Die Kontrollstellen mussten geschlossen werden.

Das Streikausmaß hätte durch den Einsatz von Bundespolizisten verringert werden können.

Im Gegensatz zu Privaten steht den Staatsdienern kein Recht auf Streik zu. Nach herrschender Meinung ist das Streikverbot ein vom Grundgesetz geschützter hergebrachter Grundsatz des Beamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG).

Bei dem streikenden Sicherheitspersonal handelte es sich aber vornehmlich um Beliehene i.S.d. § 5 Abs. 5 LuftSiG. Deren Streikrecht ist in Art. 9 Abs. 3 GG grundgesetzlich geschützt. Schutzgut ist das Recht, eine Koalition zu bilden und zu erhalten sowie die koalitionsmäßige Betätigung entsprechend dem Zweck des Grundrechts zu verfolgen. Ein wesentlicher Zweck ist der Abschluss von Tarifverträgen. Die Wahl der Mittel zur Erreichung des Zwecks ist dabei freigestellt. Sie unterliegen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der durch die Streikankündigung und die zeitlich begrenzte Dauer bewahrt wurde.

Nach Auffassung der Gewerkschaft der Polizei sind die Beschäftigten „bei den vorherrschenden schlechten Arbeitsbedingungen, die in keinem Verhältnis zu ihren hochsicherheitssensiblen Aufgaben stehen, geradezu zu den derzeit laufenden Streiks gezwungen“.

Kein Verzicht auf Streikrecht

Ein durch die Beleihung bewirkter Grundrechtsverzicht ist abzulehnen. In diesem Fall läge ein sog. nicht freiwilliger Totalverzicht vor. Dieser ist verfassungswidrig, da der Wesensgehalt des Grundrechts damit leerliefe (Art. 19 Abs. 2 GG). Nur unter strengen Voraussetzungen dürfen Grundrechte ansatzweise beschränkt werden durch: Vorbehaltsschranken, verfassungsimmanente Schranken sowie verfassungsunmittelbare Schranken.

Im Grundgesetz existiert keine vergleichbare Regelung des Art. 33 Abs. 5 GG, die den Beliehenen ein ausdrückliches Streikverbot auferlegt. Das in Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Streikrecht kann allenfalls zum Schutz von gleichermaßen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsgütern und Gemeinwohlbelangen auch ohne Gesetzesvorbehalt beschränkt werden (verfassungsimmanente Schranke).

Fazit

Die Gewerkschaft und die Arbeitnehmer tragen nicht die alleinige Schuld an der Streikeskalation. Das Ausmaß des Streiks hätte durch das Eingreifen der Bundespolizei verringert werden können. Die gesetzliche Voraussetzung hierfür ist gegeben. Die Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit von Polizei und Sicherheitsunternehmen müssen ggf. neu überdacht werden.

Für die Praxis bleibt festzuhalten: Der Staat ist aufgefordert, die Sicherheit auch in Ausnahmesituationen zu gewährleisten. Beliehene sollten in Hochsicherheitsbereichen nur begrenzt eingesetzt werden und für Ausnahmesituationen sollte die Bundespolizei geschultes Einsatzpersonal als Ersatz bereitstellen.

 

Heidi Hoffmann

Dipl.-Verwaltungswirtin (FH), Master of Arts (Sicherheitswirtschaft und Unternehmenssicherheit), Volkswagen Financial Services AG, Braunschweig
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