15.05.2014

Papier weg – Beweis weg?

"Ersetzendes Scannen": Beweissicher zum papierlosen Geschäftsverkehr

Papier weg – Beweis weg?

"Ersetzendes Scannen": Beweissicher zum papierlosen Geschäftsverkehr

Den immensen Aufwand eines Papierarchivs vermag das ersetzende Scannen weitgehend zu reduzieren. | © gow27 - Fotolia
Den immensen Aufwand eines Papierarchivs vermag das ersetzende Scannen weitgehend zu reduzieren. | © gow27 - Fotolia

Bislang müssen „Papier-Originale“ aufwendig archiviert und vorgehalten werden, selbst wenn die Prozesse bereits digitalisiert und elektronische Dokumenten­management­systeme und Archive im Einsatz sind. Die volkswirtschaftlichen Kosten dieser parallelen Papierprozesse können z. B. allein für die Ablage von Papierrechungen auf 3,2 Milliarden Euro beziffert werden. Dazu kommen noch (Archiv-)Raumkosten der Betriebe und Behörden. Schuld daran ist die Angst vor dem Verlust wertvoller Beweiskraft in späteren Gerichtsprozessen. Diese Sorge könnte jedoch bald der Vergangenheit angehören.

Die digitale Version eines Papierbelegs kann genügen, um im Streitfall hinreichenden Beweis zu erbringen. Dies ist das Ergebnis einer Simulationsstudie, die die Universität Kassel gemeinsam mit der DATEV eG durchgeführt hat. Im Rahmen der Studie wurden insgesamt 14 Gerichtsverhandlungen mit Berufsrichtern und Rechtsanwälten aus dem Zivil- und Steuerrecht simuliert. Daraus resultierte ein detaillierter Abschlussbericht, der Möglichkeiten aufzeigt, wie die Beweiskraft durch geeignete Maßnahmen beim Scannen gesichert werden kann. Aufgrund der prozessualen Verweisungsnormen der VwGO auf die ZPO sind die Ergebnisse auch auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren übertragbar.

Die Simulation hat gezeigt, dass der Umgang mit elektronischen Dokumenten für Richter und Rechtsanwälte in der Regel kein Problem mehr darstellt. In den meisten Gerichtsfällen genügte dann auch die elektronische Kopie als Beweis. Professor Alexander Roßnagel, Direktor des Forschungszentrums für Informationstechnik-Gestaltung sowie Leiter der Projektgruppe „verfassungsverträgliche Technikgestaltung“ (provet) sieht deshalb gute Chancen, dass die althergebrachte Papierablage bald überflüssig werden könnte.


Dazu muss das Original zuvor „richtig“ eingescannt und je nach Dokumentenklasse eventuell noch digital signiert worden sein. „Richtig einscannen“ bedeutet, dass die dafür notwendigen Prozesse eingerichtet sind und die entsprechenden Prozessschritte vor, während und nach dem Scannen eingehalten wurden. Wichtige Hinweise hierfür liefert die „Technische Richtlinie Rechtssicheres Scannen“
(„TR-RESISCAN“) des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Diese Richtlinie beschreibt neben den notwendigen technischen Voraussetzungen auch organisatorische Maßnahmen, wie z. B. Verfahrensvorgaben, Verantwortungszuweisungen und stichprobenartige Sichtkontrollen.

Bei unterschriebenen privatschriftlichen Dokumenten dürfte allerdings auch künftig der Strengbeweis des Papieroriginals gemäß §§ 416, 420 ZPO (über § 98 VwGO) einen höheren Beweiswert besitzen als das elektronische Pendant.

Der Verlust der Urkundeneigenschaft nach dem Einscannen ohne die entsprechende Signatur bedeutet aber noch lange nicht, dass damit jeglicher Beweiswert verloren ginge. Auch ohne den Strengbeweis einer Urkunde obliegt es der richterlichen Abwägung, ob das gescannte Dokument als Augenscheinsbeweis anerkannt wird. Hier gilt: Je besser und nachvollziehbarer der Scan- und Archivierungsprozess gestaltet ist, desto glaubhafter ist der damit zu erbringende Beweis.

Fernab aller rechtlichen Betrachtungen spielt hier auch noch eine wirtschaftliche Abwägung hinein: Im Rahmen des Risikomanagements werden vor allem größere Unternehmen die hieraus entstehenden Prozessrisiken für einzelne Gerichtsverfahren dem Aufwand einer umfassenden Papierarchivierung gegenüberstellen. Möglicherweise ist es in der Gesamtbetrachtung günstiger, den Verlust einzelner Prozesse zu riskieren und sich dafür den immensen Aufwand eines Papierarchivs zu sparen.

Deutlich leichter tun sich dabei per se Behörden: Hier regelt § 371b Satz ZPO, dass die elektronische Version einer öffentlichen Urkunde dieselbe Beweiskraft hat wie das Original, wenn dieses von (irgend-) einer Behörde oder sonst öffentlich beglaubigt eingescannt wurde. Um die Echtheit des Dokuments nachzuweisen (vgl. § 437 ZPO), bleibt es gem. § 371b S. 2 ZPO allerdings beim Erfordernis der qualifizierten elektronischen Signatur. Aber auch hier genügt die Signatur der öffentlichen Stelle, die das Dokument scannt. Die Signatur der ausstellenden Behörde ist hingegen nicht mehr nötig. Über § 110d SGB IV gilt dies im Übrigen für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit insgesamt.

Der große Vorteil dabei: Die Signatur kann zentral und automatisiert beim Scanvorgang erfolgen. In der Behörde wird somit nur noch eine qualifizierte elektronische Signatur(karte) benötigt. Die aufwendige und kostenintensive Anschaffung und Unterhaltung von Signaturkarten für jeden Sachbearbeiter entfällt.

Voraussetzung ist, dass die Dokumente „nach dem Stand der Technik“ (§ 371b Satz 1 ZPO) gescannt werden. Die Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 17/12634, S. 34) nimmt hier direkt Bezug auf die bereits erwähnte TR-RESISCAN. Somit gilt: Wenn das Scanverfahren der Behörde entsprechend der TR-RESISCAN eingerichtet, vom BSI zertifiziert ist und dabei eine qualifizierte Signatur eingebunden wird, sind die elektronischen Dokumente rechtssicher archiviert und die Papier-Originale können sogleich vernichtet werden.

Einen weiteren Baustein zum Bürokratieabbau hat das E-Government-Gesetz 2013 mit sich gebracht: Im gesamten Verwaltungshandeln sollen Schriftformerfordernisse auf den Prüfstand gestellt werden. § 13 EGovG konstatiert, dass sich aus der Anbringung eines Unterschriftsfelds auf einem Papierformular alleine kein Schriftformerfordernis mehr herleiten lässt. Dadurch könnte künftig bei vielen Formularen das Schriftformerfordernis obsolet werden. Das hat wiederum zur Folge, dass beim entsprechenden elektronischen Pendant das Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur entfiele.

Fazit

Die Digitalisierung der Prozesse im Bereich des Dokumentenmanagements und der Dokumentenarchivierung schreitet unaufhaltsam voran. Durch die jüngsten Gesetzgebungen wird dieser Weg unterstützt, wenn auch an mancher Stelle noch Hürden bestehen, die einen vollständigen Verzicht auf Papier (noch) nicht erlauben.

Insbesondere in der öffentlichen Verwaltung bieten die neuen Regelungen zum ersetzenden Scannen weitreichende Möglichkeiten, auf die Archivierung von Papier künftig zu verzichten. Aber auch im privatwirtschaftlichen Bereich kann durch die Einrichtung standardisierter Scanprozesse ein deutlich höheres Maß an Rechtssicherheit geschaffen werden.

 

Dr. Tobias Wagner

Leiter Consulting im Geschäftsfeld Public Sector der DATEV eG, Nürnberg
 

Torsten Wunderlich

Leiter des Informationsbüros Berlin der DATEV eG, Projektleiter der Simulationsstudie zum Ersetzenden Scannen bei DATEV, Berlin
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