15.05.2014

Wie arbeiten die Kommunen vor Ort?

PUBLICUS-Umfrage zur Verwaltungsmodernisierung: Start mit Lindau

Wie arbeiten die Kommunen vor Ort?

PUBLICUS-Umfrage zur Verwaltungsmodernisierung: Start mit Lindau

Der Seehafen von Lindau steht für eine Stadt mit \"hohem touristischen Potential\". | © blende40 - Fotolia
Der Seehafen von Lindau steht für eine Stadt mit \"hohem touristischen Potential\". | © blende40 - Fotolia

Verwaltungsmodernisierung: Hinter diesen Begriffen verbirgt sich ein zeitloses, stets aktuelles Anliegen: Es gilt, auf die Herausforderungen der Gegenwart und sich abzeichnende Entwicklungen zu reagieren, um eine Verwaltung zu schaffen, die auch künftig als leistungsfähiger Ansprechpartner gerne in Anspruch genommen wird. Und natürlich: um die Kommune insgesamt „zukunftsfest“ zu machen.

Die Anforderungen an Kommunen ändern sich rasant. Flexibilität, wirtschaftliches Arbeiten und Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern sind wesentliche Kriterien, die in immer stärkerem Maße gefragt sind. Der gesellschaftliche, technologische und sonstige Wandel fordert gerade auch von der Verwaltung Innovationen.

Themen wie demografische Entwicklung, Bildung, Klima, Energie, Stadtentwicklung, Kommunikation, IT und Kooperation stellen die Kommunen vor große Herausforderungen.


Umso wichtiger ist es, die vorhandenen Ressourcen optimal einzusetzen. Sinnvoll kann es sein, sich ein langfristig angelegtes Leitbild für die kommunale Entwicklung zu geben. Welche Möglichkeiten gibt es, ein solches zu entwickeln? Welche Potentiale bieten die Standortfaktoren der eigenen Kommune? In welcher organisatorischen Form kann mit Nachbargemeinden kooperiert werden, um bei bestimmten Aufgaben Synergieeffekte zu erzielen?

Bei der Beantwortung dieser Fragen muss immer auch auf die speziellen Bedürfnisse vor Ort eingegangen werden. Eine Pauschallösung gibt es nicht.

Dieses Forum soll dazu beitragen, dass die Kommunen mit ihren spezifischen Erfahrungen voneinander profitieren können. Die PUBLICUS-Redaktion hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, Kommunen unterschiedlicher Größe und aus allen Bundesländern zu kommunalen Kernthemen der Zukunft zu befragen. Zu unserer Umfrage: hier.

Der Leser soll Antworten finden auf die Fragen:

  • Wie gehen die anderen mit den aktuellen Herausforderungen um?
  • Was machen die und warum?
  • Wie sieht deren Ansatz aus?
  • Können wir von diesen Erfahrungen profitieren?

Heute stellen wir vor:

Große Kreisstadt Lindau (Bodensee), 3.318 ha; ca. 24.500 Einwohner, rund 760.000 Übernachtungen/Jahr, Inselstadt mit geschlossenem historischen Stadtbild; Tagungsstadt; Gärten, Parks und alte Villen am Bodenseeufer.

1. Welches (Reform-) Projekt treibt Ihre Verwaltung gerade besonders um?

Die Stadtentwicklung: Allen voran sind dies die frei werdenden Flächen sowie die Zwei-Bahnhofslösung (ein Bahnhof auf der Insel und ein Bahnhof auf dem Festland in Reutin).

2. Wo ist dieses Vorhaben in der Organisationsstruktur verortet und wie ist es organisiert? Haben Sie dafür ein besonderes Referat (z. B. Change Management)?

Meine Mitarbeiter im Stadtbauamt sind mit dieser Aufgabe betraut.

3. Wie sieht es generell aus mit dem Einsatz von IT in Ihrer Verwaltung, wie „modern“ ist Ihr Rathaus hier aufgestellt? Gibt es z. B. referatsübergreifende Projektgruppen oder gar ein eigenes Referat?

Die IT-Abteilung ist bei uns im Hause ein Teil des Hauptamtes.

4. Kommunen beeinflussen die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes maßgeblich. Sie stehen miteinander im Wettbewerb um Einwohner, Unternehmensstandorte, Events u. a. Wichtiger Wettbewerbsfaktor ist deshalb ein Markenprofil. Hat ihre Kommune ein Leitbild, eine „Vision“? Nutzen Sie dabei auch die sogenannten „Social Media“-Instrumente?

Wir sind Tagungs- und Fremdenverkehrsstadt mit den meisten Übernachtungen am Bodensee. Unsere Lindauer Tourismus- und Kongress-GmbH (LTK) beschäftigt sich gerade mit dem „Markenprofil“.

Sowohl die Stadt Lindau (B) als auch die LTK sind beide bei Facebook vertreten.

5. Durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien erwarten Kommunen eine hohe regionale Wertschöpfung. Beim Klimaschutz kommt ihnen eine zentrale Rolle zu, da sie als Teil der öffentlichen Hand eine Vorbildfunktion gegenüber den Bürgern haben. Dieser Rolle können die Kommunen durch Maßnahmen in den Bereichen Energiesparen, Ersetzen von fossiler Energie durch erneuerbare Energien sowie der Kompensation von Emissionen gerecht werden. Auf welchen Feldern wird die Stadt/Gemeinde ihrer Vorbildfunktion bereits gerecht?

Unsere Stadtwerke liefern als Stromversorger inzwischen den Strom zu 100 % aus Erneuerbaren Energien.

Die Stadt Lindau hat sich an einer Initiative des Landkreises beteiligt und ist eine von 12 Kommunen, die ein Klimaschutzkonzept erarbeitet haben. Das Klimaschutzkonzept ist ein energiepolitisches Aktivitätenprogramm für die kommenden Jahre, das der Stadt Lindau ein Werkzeug an die Hand gibt, um konkrete Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen und so eine systematische Entwicklung zu mehr Energieeffizienz und deutlich weniger CO2-Ausstoß zu erreichen. Die Erstellung des Klimaschutzkonzeptes Lindau 2020 wurde im Rahmen der Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums gefördert und die Arbeit am Konzept wurde vom eza! (Energie- und Umweltzentrum Allgäu) begleitet. Der Endbericht „Klimaschutzkonzept Lindau 2020“ wurde am 07. 02. 2012 im Bau- und Umweltausschuss vorgestellt und am 28. 02. 2012 vom Stadtrat einstimmig als Rahmenkonzept beschlossen.

6. Stichwort „Demografischer Wandel“: Er erfordert neue Ansätze der Stadt-/Ortsentwicklung und Planung. Metropolregionen werden zu Lasten des „flachen Landes“ wachsen. Wie sieht es hier bei Ihnen aus? Sind Sie von Abwanderungstendenzen betroffen oder ist eher das Gegenteil der Fall? Wie steuern Sie ggf. dagegen?

Lindau ist nach wie vor attraktiv, insbesondere für gut situierte Senioren.

7. In diesem Zusammenhang spielt auch das wachsende Mobilitätsbedürfnis eine Rolle. Im Umweltinteresse müssen effiziente, Klima schonende, nachhaltige Verkehrsmittel zum Einsatz kommen und Infrastrukturen geschaffen werden. Und dies auch noch zu vertretbaren Kosten. Haben Sie hier ein Konzept?

Wir erarbeiten derzeit ein Mobilitätskonzept und haben bereits seit fast 20 Jahren einen sehr leistungsfähigen und komfortablen Stadtbus.

8. Haben Sie ein kommunales Bildungskonzept? Haben Sie ein kommunales Integrationskonzept?

Für Bildung ist die Stadt Lindau (B) als kreisangehörige Kommune nur nachgeordnet zuständig. Wir haben für unsere Einwohner ein breitgefächertes Angebot, welches von den verschiedenen Kursen für jede Altersstufe der Volkshochschule bis hin zum Unterricht an der Musikschule reicht. Im lokalen Netzwerk Lindau beteiligen sich viele Kindergärten, Kindertagesstätten, Horte und Grundschulen am „Haus der kleinen Forscher“.

Beim Landkreis Lindau gibt es ferner einen Integrationsbeirat. Der Integrationsbeirat vertritt die Interessen der Menschen mit Migrationshintergrund im Landkreis Lindau (Bodensee). Sein Ziel ist es, für ein von gegenseitiger Achtung und Wertschätzung getragenes Verhältnis aller im Landkreis lebenden Bevölkerungsgruppen einzutreten. Insbesondere wirkt er dabei mit, die Lebensverhältnisse von Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern und das friedliche und gleichberechtigte Zusammenleben im Landkreis zu fördern. Der Integrationsbeirat bringt sich bei allen Fragen zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund ein. Er steht dabei im Austausch mit der Verwaltung und den Gremien des Landkreises.

9. Bürger haben heute höhere Ansprüche an ihre Stadt-/Gemeindeverwaltung. Sie wollen „mitgenommen“ werden und bei kommunalen Entscheidungsprozessen dabei sein. Wie sorgen Sie dafür, dass Projekte und Verfahren transparent ablaufen und Bürger sich ausreichend informiert und unterrichtet fühlen und ggf. mitbestimmen können?

Einige Kommunen haben sog „Online-Plattformen“, über die Bürger partizipieren können. Wie leben Sie eine „zuhörende Politik“ in Ihrer Kommune?

Wir bieten ein hohes Maß an Bürgerbeteiligung durch Information und Diskussion über unsere 14tägig erscheinende Bürgerzeitung. Außerdem lege ich großen Wert darauf, in Stadtteilbegehungen und Bürgersprechstunden stets ein offenes Ohr für die Angelegenheiten der Lindauerinnen und Lindauer zu haben.

10. Die Kommunen haben bekanntermaßen enge Finanzspielräume. Nicht wenige haben Schwierigkeiten, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. Vielfach besteht ein hoher Verschuldungsgrad, der wenig Spielraum für Ausgaben in den oben angesprochenen Bereichen lässt. Welche Lösungsansätze haben Sie hier (z. B. PPP, Rekommunalisierung)?

Wichtig ist es, unnötige Ausgaben zu vermeiden und unsere Einnahmemöglichkeiten konsequenter auszuschöpfen.

11. In welchen Bereichen und ggf. in welchen Formen praktizieren Sie kommunale Zusammenarbeit?

Die Große Kreisstadt Lindau ist Mitglied in folgenden Zweckverbänden:

  • Abwasserverband Bayerische Bodenseegemeinden
  • Regionaler Planungsverband Allgäu
  • Zweckverband Wasserversorgung Handwerksgruppe

12. Welche besonderen Potentiale hat Ihre Stadt/Gemeinde? Wie nutzen Sie diese?

Lindau hat ein hohes touristisches Potential, welches permanent weiter ausgebaut wird, gerade in Hinblick auf die Garten- und Parkstadt.

13. Wichtig, um dies alles auch umsetzen zu können, sind klare Vorgaben durch die „große“ Politik und Verwaltung. Was erwarten Sie von den dortigen Entscheidern bzw. was würden Sie sich wünschen?

Ein klarer Rahmen für die Energiewende und eine stärkere Reglementierung der „systemrelevanten“ Banken.

 

Dr. Gerhard Ecker

Oberbürgermeister, Große Kreisstadt Lindau (Bodensee)
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