15.05.2012

Geschlossene Gesellschaft!

Zu den Grenzen des Nichtraucherschutzes

Geschlossene Gesellschaft!

Zu den Grenzen des Nichtraucherschutzes

Echte oder unechte geschlossene Gesellschaft? Bei den Raucherclubs kommt es zum Schwur. | © mapoli-photo - Fotolia
Echte oder unechte geschlossene Gesellschaft? Bei den Raucherclubs kommt es zum Schwur. | © mapoli-photo - Fotolia

In den letzten Jahren haben die Bundesländer flächendeckend Gesetze zum Schutz der Nichtraucher erlassen, die vor allem für die Gastronomie erhebliche Auswirkungen hatten. Die meisten Länder haben sich hierbei für ein eingeschränktes Rauchverbot entschieden, das Ausnahmen für Einraum-Kneipen bis 75 Quadratmetern sowie abgetrennte Nebenräume für Raucher vorsieht.

Lediglich in Bayern und im Saarland gehen die Uhren anders. Dort sind für Raucher und Gastronomen mit dem Bayerischen Gesundheitsschutzgesetz in der Fassung vom 27.07.2009 (eingeführt durch Volksentscheid!) und dem Saarländischen Nichtraucherschutzgesetz in der Fassung vom 10.02.2010 harte Zeiten angebrochen. Es gilt ein absolutes Rauchverbot – ganz ohne Ausnahmen!

Ganz ohne Ausnahmen? Nein! In „geschlossenen Gesellschaften“ bleibt das Rauchen auch in diesen beiden Bundesländern erlaubt. Im Gesetzeswortlaut findet der interessierte Leser diese Ausnahme jedoch nicht – im Gegensatz zu anderen Bundesländern, etwa § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Hessisches Nichtraucherschutzgesetz: „Das Rauchverbot gilt nicht in Gaststätten und vollständig abgetrennten Nebenräumen, wenn ausschließlich individuell bestimmte Personen aufgrund einer personengebundenen Einladung des Veranstalters bewirtet werden, andere Personen der Zutritt nicht gestattet ist und die Veranstaltung nicht gewerblichen Zwecken dient (geschlossene Gesellschaft)“. Vielmehr bedarf es der Lektüre der Vollzugshinweise des bayerischen Umwelt- und Gesundheitsministeriums bzw. einer im Internet abrufbaren Broschüre des Saarländischen Gesundheits- und Verbraucherschutzministeriums („Mach mit! Rauchfreies Saarland“), um zu erfahren, dass das gesetzliche Rauchverbot in „echten geschlossenen Gesellschaften“ nicht gilt. Unabhängig davon, dass nicht ersichtlich ist, was mit der Voranstellung des Begriffs „echte“ gewonnen ist (gibt es auch falsche geschlossene Gesellschaften?), trägt das Fehlen einer gesetzlichen Definition nicht zur Rechtssicherheit bei. Zwar werden in den bayerischen Vollzugshinweisen grundsätzliche Kriterien zur Bejahung einer „echten“ geschlossenen Gesellschaft genannt und auch Beispiele aufgezählt („Beispiele sind private Familienfeiern mit persönlicher Einladung, wie Hochzeit, Geburtstag, Taufe oder eine unter solchen Voraussetzungen einberufene Vorstandssitzung einer Gesellschaft.“). Dies ändert aber nichts daran, dass Vollzugshinweise weder für den Bürger noch die Gerichte verbindlich sind, sondern lediglich als Auslegungshilfe herangezogen werden können. So konnte es kaum verwundern, dass in den letzten Jahren in Bayern und im Saarland eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten rund um den Begriff der „echten“ geschlossenen Gesellschaft ausgetragen wurde.


Echte geschlossene Gesellschaften – gerichtliche Entscheidungen

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 24.01.2011 (Az. 10 CS 11.2) ausgeführt: „Derartige echte geschlossene Gesellschaften sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht für jedermann oder einen bestimmten Personenkreis zugänglich sind, sondern dass nur im Vorhinein ganz bestimmten – also nicht beliebig wechselnden – Einzelpersonen Zutritt gewährt wird; daher müssen der Kreis der Mitglieder von vornherein auf eine Zahl fester Mitglieder begrenzt sein und die Mitglieder jederzeit individualisiert feststehen. Dazu gehören neben Familienfeiern beispielsweise auch vereinsinterne Zusammenkünfte.“

Das Gericht orientiert sich insofern an § 1 Abs. 1 des Gaststättengesetzes, der ein Gaststättengewerbe nur dann bejaht, wenn der Betrieb jedermann oder bestimmten Personenkreisen zugänglich ist. Die Frage konzentriert sich somit darauf, ob die geschlossene Gesellschaft lediglich bestimmten Personen (dann ist sie eine „echte“) oder aber einem bestimmten Personenkreis (dann ist sie keine „echte“) zugänglich ist. Obwohl auch bei dieser Unterscheidung der Teufel im Detail steckt, kann durch diesen Gleichlauf mit dem Gaststättenrecht zumindest auf eine umfangreiche Rechtsprechung zu § 1 des Gaststättengesetzes zurückgegriffen werden. So wurden etwa die zu einem Regierungsempfang eingeladenen Personen aus Politik und Wirtschaft, von denen etwa 100 erschienen waren, als bestimmte Personen angesehen, da sie individuell eingeladen wurden (Bay-ObLG vom 13.01.1993, Az. 3 ObOWi 11/92). Ein lediglich bestimmter Personenkreis wird hingegen in Fahrschülern einer Fahrschule (VGH Mannheim vom 27.07.1977, GewArch. 1978, 97) oder den Besuchern eines Theaters (Michel/Kienzle/Pauly, GastG, § 1 RN 49) gesehen. Darüber hinaus besteht Einigkeit, dass weder das Verlangen von Eintrittsgeld noch der Umstand, dass der Wirt sich die Zulassung ihm unbekannter Gäste vorbehält, die Zugänglichkeit für einen bestimmten Personenkreis nicht aufhebt. In diesen Fällen ist daher eine geschlossene Gesellschaft zu verneinen.

Auch Rauchervereine sind Vereine

Zum Schwur kommt es allerdings bei der Frage der Zulässigkeit von „Raucherclubs“ bzw. „Rauchervereinen“. In den bayerischen Vollzugshinweisen und der saarländischen Broschüre (Seite 17) ist zu lesen, dass in Raucherclubs das Rauchen nicht erlaubt sei, da diese die Anforderungen an eine geschlossene Gesellschaft nicht erfüllen würden. In dieser Allgemeinheit ist diese Aussage kaum haltbar. Vielmehr kommt es immer auf den Einzelfall an. Dabei ist zunächst zu beachten, dass geschlossene Gesellschaften nicht auf den privaten Bereich begrenzt sind und es rechtlich unerheblich ist, ob es sich um einen Raucherverein, einen sonstigen Verein oder eine andere Personenvereinigung handelt. Diese Auffassung hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof in einer erst kürzlich ergangenen Entscheidung vom 31.01.2012 (Az. Vf. 26-VII-10) nochmals bestätigt. Explizit führt er aus, dass Mitglieder von Rauchervereinen sich jederzeit bei vereinsinternen Zusammenkünften im Rahmen echter geschlossener Gesellschaften dem Rauchen widmen können und es nicht darauf ankomme, ob derartige interne Veranstaltungen der Privat- oder Sozialsphäre zuzurechnen seien. Entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Bejahung einer geschlossenen Gesellschaft bei einer Vereinszusammenkunft ist, worauf bereits das Oberverwaltungsgericht Münster im Rahmen einer Entscheidung zum Gaststättengesetz (E. vom 29.03.1976, GewArch. 1976, 236) hingewiesen hat, ob es sich um einen sogenannten „offenen Verein“ handelt. „Offen“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Mitgliederzahl nicht begrenzt ist und ein Wechsel im Bestand der Mitglieder jederzeit möglich ist, insbesondere der Verein auf Mitgliedergewinnung ausgerichtet ist. Ein solcher Verein ist ein typischer Anwendungsfall einer bestimmten Personenkreisen zugänglichen Organisation (vgl. Metzner, GastG, § 1 RN 68). Hierdurch wird klar, dass der „klassische“ Raucherclub keine geschlossene Gesellschaft darstellt. Denn solche Clubs werden von den Wirten oder den Spielhallenbetreibern zu dem Zwecke gegründet, nicht nur Stammgäste, sondern auch andere Gäste als Vereinsmitglieder aufzunehmen (vgl. Ebert, NVwZ 2010, 26 ff.). So kann es nicht überraschen, dass bisher keine veröffentlichte Gerichtsentscheidung vorliegt, die einen Raucherverein als geschlossene Gesellschaft einstuft.

Vereinsinterne Zusammenkünfte als geschlossene Gesellschaften

Indes muss dies nicht so bleiben. Wie oben dargestellt, kann auch ein Raucherverein eine geschlossene Gesellschaft sein. Das Treffen jedes Vereins oder einer sonstigen Vereinigung zu einem bestimmten Zeitpunkt ist problemlos eine geschlossene Gesellschaft, wenn zu diesem Treffen personengebundene Einladungen versandt werden. Gleiches gilt für eine Skat- oder Schafkopfrunde, wenn die Mitspieler von vornherein feststehen und nicht austauschbar sind. Solche Zusammenkünfte sind – worauf es allein ankommt – nur bestimmten Personen zugänglich. Allein fraglich ist, ob dies ausnahmslos gilt oder aber bei der Personenanzahl eine Höchstgrenze zu ziehen ist, da der Begriff einer geschlossenen Gesellschaft einer Massenveranstaltung eher widerspricht (so auch die Vollzugshinweise des bayerischen Umwelt- und Gesundheitsministeriums: „Bei echten geschlossenen Gesellschaften ist der Kreis der Teilnehmer in der Regel von vornherein auf eine meist kleine Anzahl feststehender, namentlich geladener Personen begrenzt.“). Angelehnt an die oben erwähnte Gerichtsentscheidung des BayObLG kann aber durchaus auch noch in einer Veranstaltung mit 100 Personen eine geschlossene Gesellschaft gesehen werden.

Schwieriger stellt sich die Frage bei regelmäßigen Treffen. Bei Vereinen ist zunächst erforderlich, dass dessen Mitglieder nicht nur der Art nach bestimmt, sondern nach Zahl und Einzelperson ausreichend erfassbar und überwachbar sind (vgl. E. des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11.02.1991, Az. 8 TH 2696/90). Hinzukommen muss aber noch eine Begrenzung der Mitgliederzahl und eingeschränkte Wechselmöglichkeiten der Mitglieder. Über die Einzelheiten kann trefflich gestritten werden. Aus Sicht des Verfassers läge aber eine geschlossene Gesellschaft vor, wenn sich ein Verein mit 50 Mitgliedern einmal pro Monat in einer Gaststätte trifft, ein neues Mitglied nur aufgenommen wird, wenn ein altes Mitglied ausscheidet, ein solcher Wechsel nur monatlich möglich ist und die Mitglieder genau erfasst sind. Denn diese Eckpunkte umfassen alle von der Rechtsprechung bisher vorgegebenen Voraussetzungen zur Bejahung des Anwendungsfalls einer echten geschlossenen Gesellschaft.

Fazit

Eine Umgehung des Nichtraucherschutzes durch die Hintertür der geschlossenen Gesellschaft ist auch in den Bundesländern möglich, die ein „absolutes“ Rauchverbot eingeführt haben. Allerdings werden an das Vorliegen einer sogenannten „echten“ geschlossenen Gesellschaft strenge Anforderungen gestellt. Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob es sich für kommerzielle Vereine oder Vereinigungen „lohnt“, dieses Schlupfloch auszunutzen und Rauchervereine zu gründen, die nur für bestimmte Personen zugänglich sind. Festzustellen ist aber, dass mit der Einführung des Ausnahmetatbestandes der „echten geschlossenen Gesellschaft“ der „Raucherclub“ nicht per se verboten ist.

 

Rolf Merk

Rechtsanwalt, Rechts- und Grundsatzreferent der FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag, München
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