15.05.2012

Die Dienstleistungskonzession

Der Königsweg für Rettungsdienst-Vergaben?

Die Dienstleistungskonzession

Der Königsweg für Rettungsdienst-Vergaben?

Rettungsdienstliche Beauftragungen im Konzessionsmodell unterliegen momentan nicht dem Vergaberecht. | © pitb_1 - Fotolia
Rettungsdienstliche Beauftragungen im Konzessionsmodell unterliegen momentan nicht dem Vergaberecht. | © pitb_1 - Fotolia

Nach den Erfahrungen mit Rettungsdienst-Ausschreibungen in den letzten Jahren wird von manchen Beteiligten ein „Ausweg aus dem Vergaberecht“ gesucht. Dieser Ausweg scheint mancherorts die Beauftragung über eine Dienstleistungskonzession zu sein. Der Beitrag zeigt, welche Vor- und Nachteile das Konzessionsmodell aufweist.

Konzessionsmodell und Submissionsmodell

Wenn die öffentliche Hand Rettungsdienstleistungen nicht selbst erbringt (z.B. durch kommunale Einrichtungen), greift sie auf Dritte zurück. Die Dritten sind entweder aus dem Kreis der freigemeinnützigen Hilfsorganisationen (ASB, DRK, JUH, MHD etc.) oder sonstige private Rettungsdienstleister, vom kleinen mittelständischen Betrieb bis hin zum internationalen Konzern mit deutscher Tochter (z.B. Falck).

Im Submissionsmodell (grob eingeteilt: Die Nordländer in Deutschland) werden die Dienstleister direkt von der öffentlichen Hand bezahlt. Diese refinanziert sich bei den Kostenträgern (gesetzliche Krankenversicherungen, Privatzahler) und trägt das Risiko, dass sie nicht alle angefallenen Kosten erstattet bekommt. Die Leistungserbringer tragen dieses Risiko nicht. Für die „Südländer“ gilt: Der EuGH hat mittlerweile bestätigt, dass der Rettungsdienst in Bayern nach dem Konzessionsmodell organisiert ist. Die EU-Vergaberichtlinien sind damit nicht anwendbar. Für andere Bundesländer gibt es hierzu noch keine Entscheidungen. Es muss hier je nach Beauftragungsmodell geprüft werden, ob wirklich ein Konzessionsmodell vorliegt.


Erfahrungen mit der VOL-Vergabe

Seit Ende 2008 ist klargestellt, dass bei Vergaben im Submissionsmodell die Regeln des Vergaberechts Anwendung finden (GWB, VOL/A). Bei den bisher erfolgten Ausschreibungen gab es teilweise bittere Erfahrungen für alle Beteiligten:

  • Es gab kaum ein Verfahren ohne Nachprüfungsanträge. Diese gingen i.d.R. bis zum jeweiligen Oberlandesgericht, teilweise auch darüber hinaus. Dadurch wurden die Verfahren verzögert und verteuert.
  • Bieter mussten mit der VOL/A Bekanntschaft machen. Teilweise führten kleine Formfehler („Kästchen im Preisblatt wurde nicht ausgefüllt, statt ‚0 EUR’ einzutragen“) zum Ausschluss von Angeboten etablierter Hilfsorganisationen.
  • Die Einbindung von Leistungen des Bevölkerungsschutzes über den Regelrettungsdienst hinaus gelingt oft nicht zufriedenstellend.
  • Die Angst der Mitarbeiter vor dem Verlust des Arbeitsplatzes im Zuge von Ausschreibungen belastet die Arbeitsatmosphäre.
  • Die Presseberichterstattung ist oft negativ.
  • Die Strukturen des erweiterten Rettungsdienstes und Bevölkerungsschutzes insgesamt werden bislang kaum wirksam berücksichtigt. Wenn vom Auftraggeber z.B. nur noch eine reine Erklärung vom Bieterunternehmen abgefordert wird, es sei „bereit, im Katastrophenschutz mitzuwirken“, ist dies ersichtlich ohne größeren Nutzen.

Bei den Auftraggebern und deren Beratern wird gerne der „sicherste Weg“ genommen. Dies führt dazu, dass Spielräume ungenutzt bleiben und vorhandene leistungsfähige Strukturen gefährdet werden.

Möglichkeiten im Konzessionsmodell

Wenn die Aufträge von grenzüberschreitendem Interesse sind (allein die Auftragsvolumina im Rettungsdienst deuten regelhaft darauf hin), sind bei Konzessionsvergaben die Grundregeln der Transparenz und Nichtdiskriminierung aus dem Europarecht anzuwenden. Dies bedeutet: Der Bieterkreis darf nicht ohne Not begrenzt werden. Unternehmen dürfen nicht willkürlich benachteiligt werden, die Chancengleichheit muss gewahrt werden. Ebenso müssen das Verfahren und die „Spielregeln“, also insbesondere die Eignungs- und Zuschlagskriterien, klar sein und auch kommuniziert sowie konsequent eingehalten werden.

Im Endeffekt hat man zwar nicht die engeren Regeln des EU-Vergaberechts zu beachten. Dennoch wird es zu einer Vorgehensweise kommen, welche dem durch EU-Recht geregelten Verfahren sehr weit ähnelt.

Im Konzessionsmodell gibt es allerdings eine geringere Regelungsdichte. Das bedeutet, es gibt keine so detaillierten Vorgaben wie in GWB und VOL/A. Ebenfalls gibt es zu dieser Thematik bislang wenig Rechtsprechung. Dies kann von Vorteil sein, weil der Auftraggeber dadurch einen größeren Spielraum hat. Das Handeln der öffentlichen Hand wird weniger kontrolliert. So ist denkbar, dass der Katastrophenschutz unproblematischer in eine Beauftragung einbezogen werden kann.

Jede Medaille hat zwei Seiten: Die an der Konzession interessierten Unternehmen haben zwar Rechtsschutzmöglichkeiten (Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist bei Dienstleistungskonzessionen dann zuständig, wenn es sich um öffentlich-rechtliche Verträge handelt – bei Leistungen des Rettungsdienstes ist dies durchweg der Fall.). Diese sind aber nicht so ausgeprägt wie bei EU-weiten Ausschreibungen. Dies liegt vor allem daran, dass Regelungen sich erst noch herausbilden müssen. Ebenso fehlt die Erfahrung. Beides führt zu geringerer Rechtssicherheit.

Ist die Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien im Konzessionsmodell möglich?

Ein Dauerbrenner der letzten Jahre bei VOL/A-Vergaben ist das „Verbot der Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien“. Was ist damit gemeint? Aufgrund von EU-Richtlinien gibt es die Vorgabe, dass bei einer Ausschreibung zunächst die Unternehmenseignung geprüft werden muss. Danach erst wird die Wirtschaftlichkeit der Angebote bei denjenigen Bietern überprüft, welche die „Eignungshürde“ übersprungen haben. Wenn nun der Preis alleiniges Zuschlagskriterium ist, muss der Bieter den Zuschlag erhalten, der billiger ist. Man darf eine bessere Eignung eines nur um wenige Euro teureren Bieters nicht mehr berücksichtigen. Solche Ergebnisse leuchten dem gesunden Menschenverstand nicht auf den ersten Blick ein. Die Vorgabe „strikte Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien“ ist logisch zwar nicht zwingend, aber vom Vergaberecht (mit beachtlichen Gründen) so momentan vorgeschrieben. Denkbar wäre, dass man bei nur marginalen Unterschieden beim Preis den erfahreneren/leistungsfähigeren Bieter bevorzugt. Ebenso denkbar ist, dass man eine höhere Personaldecke oder eine größere Kapitalausstattung positiv im Rahmen der Zuschlagsentscheidung wertet, weil eine bessere Eignung schlussendlich dem Auftraggeber nützt.

Diese Möglichkeiten gibt es im Kartellvergaberecht bislang nicht, auch wenn es dort gewisse Grauzonen gibt, die man sich zu Nutze machen kann, damit „der Preis nicht alles“ ist (lesenswert zur Wertung von Umsetzungskonzepten: OLG Celle, 13 Verg 9/11, B. v. 12.01.2012).

Bei Vergaben im Konzessionsmodell erscheint es möglich, diese strenge Trennung aufzugeben, da die Trennung nur auf den Vorgaben der EU-Richtlinien basiert und diese bei der Vergabe von Konzessionen nicht anwendbar sind. Es gibt bislang kaum Entscheidungen zu dieser Thematik.

Wirtschaftliche Hintergründe

Wesentliches Merkmal der Konzession ist, dass der öffentliche Auftraggeber alle Betriebsrisiken, welche er sonst selbst zu tragen hätte, dem Konzessionär übertragen muss. Für den Rettungsdienst gibt es im Sozialgesetzbuch und den Landesrettungsdienstgesetzen Kostenerstattungsregeln, welche das Betriebsrisiko geringer halten als bei einer Konzession, die „komplett dem Nachfragemarkt ausgesetzt“ ist. Dennoch gibt es verbleibende Risiken im Bereich der Haftung, der Insolvenz von Sozialversicherungsträgern oder Privatzahlern u.v.m.

Diese Risiken werden von manchen Leistungserbringern als erheblich eingeschätzt. Nicht verkennen darf man auch die Unwägbarkeiten von Kostenverhandlungen. Die Sozialversicherungsträger haben über Jahrzehnte bundesweit spezialisiertes Wissen angesammelt, das sie in die Waagschale werfen können. Rettungsdienstleister im Submissionsmodell haben dieses Know-How in der Regel nicht. So besteht die Gefahr, dass sie in den Verhandlungen die schwächere Position haben.

Vor diesem Hintergrund ist in manchen Bundesländern ein „Dreiermodell“ vorhanden oder in Planung: Die Kostenverhandlungen sollen durch Auftraggeber, Krankenkassen und die Rettungsdienstleister (Konzessionäre) gemeinsam durchgeführt werden. Dieses Modell birgt allerdings das Risiko, dass es evtl. von der Rechtsprechung als „verkapptes Submissionmodell“ gewertet wird. Dies hätte zur Folge, dass die erhofften Erleichterungen bei der Konzessionsvergabe nicht zum Tragen kommen und die Beauftragung wieder dem Vergaberecht unterfällt.

Nicht zu unterschätzen ist auch, dass Verwaltungen, die bislang im Submissionsmodell einen umfangreichen Apparat aufgebaut haben (Personal, Ressourcen, Kontrollmöglichkeiten), meist einen Wechsel zum Konzessionsmodell scheuen, weil mit der Beschränkung auf eine rein überwachende Tätigkeit auch Einfluss verlorengeht.

Entwicklungen im Rahmen der Konzessionsvergabe

Auf EU-Ebene bewegt sich etwas: Die Kommission hat im Dezember 2011 einen Vorschlag zur Regelung der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen vorgelegt. Es ist möglich, dass Konzessionsvergaben ab einem Auftragswert von 5 Mio. Euro zukünftig dem EU-Vergaberecht unterfallen. Deutschland leistet momentan Widerstand.

Resümee

Die „Flucht in die Dienstleistungskonzession“ (wo überhaupt möglich) sollte gut überdacht werden. Sie ist nicht das Allheilmittel für gefühlte Defizite des Kartellvergaberechts.

Hinweis der Redaktion: Treffen Sie Vertreter unseres Strategischen Partners auf dem PUBLICUS-Kongress 2012 „Blickpunkt Kommune – Chancen und Risiken in Zeiten der Krise“ am 21. Mai im Haus der Geschichte in Stuttgart. Nähere Informationen zu Themen und Referenten unter www.publicus-boorberg.de

 

René M. Kieselmann

Rechtsanwalt SKW Schwarz Rechtsanwälte, Berlin
 

Ermbrecht Rindtorff

Rechtsanwalt, Steuerberater SKW Schwarz Rechtsanwälte, Berlin
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