15.05.2012

Bewährtes Instrument im Energiekonzept

Fernwärmevorrangsatzungen tragen zur Sicherung des Klimaschutzes bei

Bewährtes Instrument im Energiekonzept

Fernwärmevorrangsatzungen tragen zur Sicherung des Klimaschutzes bei

Fernwärmerohre vor der Verlegung mit den noch aufgerollten Kupferdrähten in der gelben Wärmedämmung. | © Heiko Abler - Fotolia
Fernwärmerohre vor der Verlegung mit den noch aufgerollten Kupferdrähten in der gelben Wärmedämmung. | © Heiko Abler - Fotolia

Den Kommunen kommt bei der Umsetzung der Energiewende eine tragende Rolle zu. Hierbei zeichnen sich gute kommunale Energiekonzepte dadurch aus, dass ihr Fokus nicht nur auf erneuerbare Energien gerichtet, sondern ein ganzheitliches Modell angestrebt wird. Neben konzeptionellen und technischen Neuerungen sollten allerdings auch bereits seit langem bewährte Instrumente nicht aus den Augen gelassen werden. Eines dieser Instrumente ist die Regelung eines Fernwärmevorranggebietes in (Teilen) der Gemeinde.

Fernwärme im Energiekonzept

Das Interesse an Klimaschutz und Ressourcenschonung ist in der letzten Zeit deutlich gestiegen. Zur Sicherung des Klimaschutzes kann auch Fernwärme ihren Teil beitragen. Denn: Fernwärme wird zumeist in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt, was bedeutet, dass Strom und Fernwärme gleichzeitig produziert werden. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt auf der Hand. Der eingesetzte Brennstoff wird optimal genutzt, weshalb es sich hierbei mithin um ein effizientes und Ressourcen sparendes Prinzip der Wärmeerzeugung handelt. Mit der Schaffung des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes (EEWärmeG) hat der Gesetzgeber das erklärte Ziel des Klimaschutzes noch einmal verstärkt. Durch dieses Gesetz werden Eigentümer von Gebäuden verpflichtet, einen Teil des Wärmeenergiebedarfs durch anteilige Nutzung von erneuerbaren Energien zu decken. Dieser Pflicht kann auch mittels einer in KWK-Anlagen erzeugten Fernwärme Genüge getan werden.

Es muss gewährleistet werden, dass nachhaltig und langfristig das Ziel des Klimaschutzes erreicht wird. Eine optimale Ausnutzung umweltfreundlich erzeugter Fernwärme ist aber nur dann möglich, wenn sich möglichst viele oder sogar alle Kunden an die Fernwärmeversorgung anschließen. Wichtige Bausteine für nachhaltige, umwelt- und ressourcenschonende Energiekonzepte können daher auch Fernwärmevorrangsatzungen sein, nach denen in einem bestimmten Bebauungsgebiet ein Anschlusszwang an die Fernwärmeversorgung deklariert wird. Denn durch solche Satzungen wird gewährleistet, dass die erzeugte Fernwärme tatsächlich auch optimal und vollständig genutzt wird.


Die Rechtsgrundlagen

Zum Erlass einer Satzung bedarf es zunächst einer Rechtsgrundlage. Im Bundesrecht ist eine entsprechende Rechtsgrundlage für Fernwärmevorrangsatzungen nicht zu finden. Man könnte hier zwar auf den ersten Blick meinen, die am 01.01.2009 in Kraft getretene Regelung in § 16 EEWärmeG liefere selbst eine Rechtsgrundlage für eine Satzungsbefugnis. Dort ist aber nur geregelt, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände von einer Bestimmung nach Landesrecht, die sie zur Begründung eines Anschluss- und Benutzungszwangs an ein Netz der öffentlichen Fernwärme- oder Fernkälteversorgung ermächtigt, auch zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes Gebrauch machen können. Eine eigene Rechtsgrundlage stellt diese Regelung nicht dar. Im 1. Referentenentwurf war eine unmittelbare Ermächtigungsgrundlage noch enthalten. Diese wurde jedoch wegen der – wohl begründeten – Befürchtung der Kompetenzüberschreitung des Bundes im Regierungsentwurf beseitigt.

Die einzelnen Länder haben aber eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage geschaffen. Diese findet sich regelmäßig in den Gemeinde- bzw. Kommunalordnungen, die für die Statuierung einer Fernwärmevorrangsatzung zumeist ein öffentliches Bedürfnis, ein dringendes öffentliches Bedürfnis oder Gründe des öffentlichen Wohls verlangen. In einzelnen Bundesländern sind hierbei noch weitere Besonderheiten zu beachten, etwa kann in Bayern ein Anschluss- und Benutzungszwang an die Fernwärmeversorgung nur für Neubauten oder in Sanierungsgebieten begründet werden. Sind positive Effekte, wie eine geringere örtliche Schadstoffbelastung in der Luft, im Gebiet der Fernwärmevorrangsatzung durch die Einführung des Anschluss- und Benutzungszwanges zu erwarten, ist das öffentliche Wohl oder Bedürfnis durch die erhöhte Lebensqualität ohne Frage zu bejahen. Hierzu wird die Kommune im Rahmen des Satzungsgebungsprozesses Untersuchungen anstellen und dokumentieren müssen.

Nicht ganz so einfach stellt sich die Rechtslage dar, wenn nur überörtliche Ziele verfolgt werden und lokal keine positiven Effekte messbar sind. Nur in einigen Bundesländern wird der Umweltschutz explizit als geeigneter Belang angeführt. Insoweit dürften dann keine Probleme auftreten. In den Bundesländern, wo eine solche Regelung nicht existiert, wird man auf § 16 EEWärmeG zurückgreifen können. Auch wenn dieser selbst keine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Satzung ist, so wird in diesem jedoch zulässigerweise eine Ausgestaltung der von den Bundesländern getroffenen Satzungsermächtigung gesehen. Mithin kann eine Fernwärmsatzung auch aus Gründen des überörtlichen Klima- und Ressourcenschutzes durchgeführt werden.

Ausnahmetatbestände zum Anschluss- und Benutzungszwang

Jede Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs stellt für den Bürger einen gewissen Eingriff dar. Tangiert werden Eigentumsrechte und die allgemeine Handlungsfreiheit. Fernwärmevorrangsatzungen sollten und müssen daher Ausnahmetatbestände beinhalten. Dies ergibt sich schon aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Landesrechtlich spezifiziert werden derartige Ausnahmetatbestände nur teilweise. Einige Landesgesetzgeber stellen Ausnahmen in das pflichtgemäße Ermessen der Gemeinden. Im Landesgesetz heißt es dann schlichtweg, dass die Satzung Ausnahmen beinhalten kann. In anderen Bundesländer werden die Ausnahmen deutlicher geregelt. So sind bzw. können Ausnahmen vorgesehen werden für Grundstücke mit emissionsfreien Heizeinrichtungen (Bayern), bei Gebäuden mit besonders niedrigem Energiebedarf (Berlin), für Grundstücke mit Heizungsanlagen, die einen immissionsfreien Betrieb gewährleisten (Schleswig-Holstein), wenn auf Grundstücken Anlagen betrieben werden, die einen höheren Umweltstandard aufweisen als die von der Gemeinde vorgesehene Einrichtung oder wenn in den Gebäuden der Wärmebedarf überwiegend mit regenerativen Energien gedeckt wird (beides Brandenburg). Diese Ausnahmetatbestände können eine Grundlage für Ausnahmen in Fernwärmesatzungen sein. Wichtig ist insbesondere, dass Befreiungen für emissionsfreie Energien – wie Solarenergie oder Geothermie – oder für die Nutzung regenerativer Energien vorgesehen werden. Letztlich bedarf es hier immer einer individuellen Prüfung anhand des jeweiligen Einzelfalls und des ganz konkreten Ziels der Satzung. Der Grundsatz der Befreiung für emissionsfreie Energien kann dabei nur so weit reichen, wie die Funktionsfähigkeit und die Rentabilität der Fernwärmeversorgung noch gewährleistet sind.

Weitere Ausgestaltung der Satzung

Liegen die formellen Voraussetzungen zur Festlegung einer Fernwärmevorrangsatzung vor, stehen der Gemeinde durch die ihr in Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes zugesicherte Selbstverwaltungsgarantie eine Fülle von Gestaltungsmöglichkeiten zu. Im Rahmen ihrer Organisationshoheit kann sie das Benutzungsverhältnis auch privatrechtlich regeln. Bei diesem sogenannten Betreibermodell ist allerdings sicherzustellen, dass durch Statuierung von Einwirkungs- und Kontrollrechten gewährleistet wird, dass die Gemeinde hinreichend Einfluss auf den Betreiber nehmen kann. Die Versorgung muss im gleichen Umfang gesichert sein, als wenn sie durch die öffentliche Hand selbst erfolgen würde. Es ist auch immer anzuraten, einen hinreichend langen Übergangszeitraum für die Wirksamkeit der Satzung zu wählen, so dass Gebäude mit Bestandsheizungen nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit die Heizung umstellen müssen.

Fazit

Bei der Erstellung eines regionalen Energiekonzepts bieten Fernwärmevorrangsatzungen ein flexibles Planungsinstrument, das den unterschiedlichen strukturellen und räumlichen, aber auch den ökonomischen Rahmenbedingungen gerecht werden kann. Im Rahmen von kommunalen Energieprogrammen kann die sinnvolle Nutzung von Fernwärme daher ein durchaus zentraler Baustein sein, deren Nutzen und Wirken auf jeden Fall untersucht werden sollte. Die Kommunen verfügen hier über ein sehr wirksames und bewährtes Steuerungsinstrument.

Hinweis der Redaktion: Treffen Sie Vertreter unseres Strategischen Partners auf dem PUBLICUS-Kongress 2012 „Blickpunkt Kommune – Chancen und Risiken in Zeiten der Krise“ am 21. Mai im Haus der Geschichte in Stuttgart. Nähere Informationen zu Themen und Referenten unter www.publicus-boorberg.de

 

Anja Beermann

Rechtsanwältin Becker Büttner Held, Berlin
 

Stefan Wollschläger

Partner, Rechtsanwalt Becker Büttner Held, Berlin
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