15.05.2012

Bürgerdarlehen stärken Unabhängigkeit

Finanzierungsalternativen für Kommunen und öffentliche Unternehmen

Bürgerdarlehen stärken Unabhängigkeit

Finanzierungsalternativen für Kommunen und öffentliche Unternehmen

Fremdfinanzierung in Bewegung: Bürgerdarlehen und Anleiheemission als Alternativen für Kommunen. | © Franjo - Fotolia
Fremdfinanzierung in Bewegung: Bürgerdarlehen und Anleiheemission als Alternativen für Kommunen. | © Franjo - Fotolia

Steigender Finanzierungsbedarf von Kommunen, der Rückzug einiger Kreditinstitute aus der Kommunalfinanzierung und strengere Regularien für Banken bei der Kreditvergabe durch Basel III könnten sich in absehbarer Zeit negativ auf die traditionelle Kreditfinanzierung von Gemeinden und kommunalen Unternehmen auswirken. Anlass für Bürgermeister, Kämmerer und Geschäftsführer kommunaler Unternehmen, sich Gedanken über Finanzierungsalternativen zu machen.

Hintergrund

Der Finanzierungsbedarf der deutschen Kommunen hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. So waren im Jahr 2006 33 Mrd. Euro und im ersten Halbjahr 2011 bereits 44 Mrd. Euro an kurz- und mittelfristigen Liquiditätskrediten (Kassenkrediten) offen. Angesichts des geschätzten kommunalen Investitionsbedarfs für die Jahre 2006 bis 2020 in Höhe von 704 Mrd. Euro dürfte sich diese Entwicklung auch in Zukunft weiter fortsetzen.

Die Fremdfinanzierung der Gemeinden und öffentlichen Unternehmen ist derzeit durch kurz- und mittelfristige Bankkredite geprägt. Da im Zuge der Finanzmarktkrise einige Kreditinstitute gezwungen waren, sich aus der Kommunalfinanzierung zurückzuziehen und mit Basel III für Banken verschärfte Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen bei der Kreditvergabe gelten werden, befürchten viele Kämmerer und Geschäftsführer von öffentlichen Unternehmen in absehbarer Zeit eine Verknappung des Angebots sowie eine Erhöhung der Margen bei Kommunalkrediten. Sie sollten daher in Erwägung ziehen, ihre Finanzierungsstruktur sowohl durch alternative Finanzierungsmodelle als auch im Hinblick auf den Kreis der Fremdkapitalgeber zu diversifizieren.


Schuldscheindarlehen

Für mittelfristige Finanzierungsbedürfnisse kann sich zunächst die Aufnahme eines Schuldscheindarlehens anbieten, durch das der Kreis der Fremdkapitalgeber über Banken hinaus auf Versicherungen, Pensionskassen und sonstige Kapitalsammelstellen ausgeweitet werden kann. Solche Darlehen werden zu einheitlichen, mit dem Arrangeur (zumeist einem Kreditinstitut) ausverhandelten Konditionen ausschließlich von institutionellen Investoren vergeben und werden als typisches Buy-and-hold-Instrument nicht öffentlich gehandelt.

Einbindung der Bürger in Projektfinanzierungen

Die Aufnahme von Schuldscheindarlehen bringt zwar bereits eine gewisse Verbreiterung des Fremdkapitalgeberkreises auf Versicherungen und sonstige Kapitalsammelstellen mit sich. Für bürgernahe Finanzierungszwecke ist es für Kommunen und kommunale Unternehmen jedoch vielfach wünschenswert, auch die Gemeindebürger in die Finanzierung von Projekten mit einzubinden. Durch eine solche „Bürgerfinanzierung“ kann nicht nur eine öffentliche Diskussion über die Angemessenheit von Investitionsaufwand und Nutzen angestoßen und so die Identifikation der Bürger mit dem Investitionsvorhaben gefördert werden, sondern zudem eine weit reichende Diversifikation des Kreises der Fremdkapitalgeber und damit eine größere Unabhängigkeit von institutionellen Finanzierungspartnern erreicht werden.

Bürgerfinanzierungen lassen sich durch die Aufnahme von Bürgerdarlehen sowie durch die Emission von Anleihen realisieren, wobei sich Erstere vor allem für kleinere und Letztere primär für größere Finanzierungsvolumina eignen.

Aufnahme von Bürgerdarlehen

Bei einem Bürgerdarlehen nimmt eine Kommune oder ein kommunales Unternehmen Darlehen – in der Regel mit einer festen Laufzeit und für eine feste Verzinsung – bei einer Vielzahl von Gemeindebürgern auf. Von dieser Finanzierungsform haben bislang zum Beispiel die Gemeinden Quickborn und Willich mit Darlehen in der Gesamthöhe von 1 Mio. Euro bzw. 0,5 Mio. Euro sowie die Stadt Bamberg mit Darlehen zur Finanzierung einer Photovoltaikanlage in der Gesamthöhe von 1,5 Mio. Euro Gebrauch gemacht.

Da die gewerbsmäßige Annahme fremder Publikumsgelder als Einlagen nach dem Kreditwesengesetz der Beantragung einer Bankerlaubnis bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bedarf und die Beantragung einer solchen Erlaubnis aufgrund der strengen Folgepflichten, die mit ihrer Erteilung verbunden sind, für Kommunen und kommunale Unternehmen praktisch nicht gangbar ist, ist bei der rechtlichen Ausgestaltung solcher Finanzierungen Vorsicht angebracht:

Für kommunale Unternehmen bietet es sich zur Vermeidung einer Bankerlaubnispflicht an, eine sog. Nachrangklausel in die Darlehensverträge aufzunehmen. Diese bewirkt, dass der Darlehensrückzahlungsanspruch der Bürger im Falle einer Insolvenz des darlehensnehmenden Unternehmens nachrangig zu den Ansprüchen der anderen Gläubiger bedient wird. Da es sich bei einer solchen Ausgestaltung nicht um „unbedingt rückzahlbare“ Beträge im Sinne des Kreditwesengesetzes handelt, muss keine Bankerlaubnis beantragt werden.

Eine Nachrangklausel erhöht zwar tendenziell das Risiko der Kreditgeber und kann daher zu einem geringfügigen Zinsaufschlag führen. Sie erschwert jedoch die Vermarktung der Darlehen an die Gemeindebürger in der Regel nicht nennenswert, da die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines kommunalen Unternehmens nach den bisherigen Erfahrungen nicht als realistisches Szenario eingestuft wird.

Werden die Darlehen durch eine Gemeinde aufgenommen, so kann die Bankerlaubnispflicht nicht durch Aufnahme einer Nachrangklausel vermieden werden. Der Grund hierfür ist, dass Nachrangklauseln nur in der Insolvenz des Darlehensnehmers eingreifen, Gemeinden gemäß § 12 der Insolvenzordnung jedoch nicht insolvenzfähig sind. Ein sicherer Weg zur Vermeidung einer Bankerlaubnispflicht ist in diesen Fällen die Zwischenschaltung eines Kreditinstituts bei der Aufnahme der Bürgerdarlehen. Dabei sammelt das Kreditinstitut in einem ersten Schritt Einlagen bei den Gemeindebürgern ein (es verfügt über die hierfür erforderliche Bankerlaubnis) und gewährt in einem zweiten Schritt ein Darlehen in Höhe des Gesamtbetrags der von den Bürgern zur Verfügung gestellten Einlagen an die Gemeinde.

In einem weiteren Schritt verkauft das Kreditinstitut Teilbeträge des Kommunaldarlehens in der Höhe der jeweiligen Einlagen an die einzelnen Gemeindebürger und verrechnet seine Kaufpreisansprüche mit den Einlageschulden gegenüber den Bürgern. Im weiteren Verlauf beschränkt sich die Funktion der Bank auf eine Zahlstellen- und Treuhänderfunktion, d.h. sie verwaltet die Darlehensforderungen und überweist Zins- und Tilgungsleistungen der Gemeinde an die Bürger.

Aus Anlegersicht ist bei dieser Anlageform jedoch zu berücksichtigen, dass keine Möglichkeit zum öffentlichen Handel der Darlehensforderungen besteht und es somit während der Festlaufzeit der Bürgerdarlehen an der Fungibilität der Anlage fehlt.

Anleiheemission als Finanzierungsalternative

Bei größeren Finanzierungsvolumina ab rund 10 Mio. Euro und mittel- bis langfristigem Kapitalbedarf bietet sich für Gemeinden und öffentliche Unternehmen die Emission einer Anleihe an.

In der jüngeren Vergangenheit nutzten diese Möglichkeit u.a. die Städte Hannover mit einem Volumen von 105 Mio. Euro und Essen mit einem Volumen von 200 Mio. Euro sowie die Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft Saarbrücken mbH (VVS) mit einem Volumen von 10 Mio. Euro. Die Laufzeiten dieser Anleihen lagen bei fünf Jahren (Essen) und zehn Jahren (Hannover und VVS); die Zinssätze lagen bei 2,625 % p.a. (Essen), 3,645 % p.a. (Hannover) und 4 % p.a. (VVS). Ein Vorteil von Anleihen besteht aus Anlegersicht vor allem darin, dass die wertpapiermäßig verbrieften Darlehensforderungen der Kapitalgeber (insbesondere der Privatinvestoren) bei Zulassung der Anleihe zum Börsenhandel oder ihrer Einbeziehung in den Freiverkehr einer Wertpapierbörse öffentlich gehandelt werden können.

Die dadurch erzielte Fungibilität der Anlage erleichtert aus Sicht der Gemeinden und öffentlichen Unternehmen die Platzierbarkeit auch größerer Anleihevolumina. Überdies kann die Prospektveröffentlichung und Vermarktung der Anleihe sogar einen Imagegewinn zur Folge haben, insbesondere wenn die Anleiheemission ein öffentlichkeitswirksames Projekt finanziert.

Die Veröffentlichung eines von der BaFin gebilligten Wertpapierprospekts ist nach dem Gesetz entbehrlich, wenn es sich bei dem Emittenten um eine Gebietskörperschaft handelt. Grund für diese gesetzliche Ausnahme (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 Wertpapierprospektgesetz) ist, dass der Gesetzgeber von einer positiven Bonität dieser Emittenten ausgeht, sodass der Gedanke des Anlegerschutzes keine Prospektveröffentlichung fordert. Auch die Zulassung der Anleihe zum Handel im regulierten Markt führt bei Kommunalanleihen nicht zu einer Prospektpflicht (§ 32 Abs. 3 Nr. 2 Börsengesetz i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 Wertpapierprospektgesetz).

Für kommunale Unternehmen als Emittenten enthält das Wertpapierprospektgesetz dagegen keine entsprechende Privilegierung. Eine Prospektpflicht entfällt daher nur, wenn die Anleihe weder zum Börsenhandel im regulierten Markt zugelassen noch bei ihrer Platzierung einem allgemeinen Anlegerpublikum zum Erwerb angeboten wird.

Kommunale Unternehmen können die Prospektpflicht somit nur vermeiden, wenn sie die Anleihe lediglich bei institutionellen Investoren platzieren und die Anleihe nur zum Handel im Freiverkehr einer Börse (und nicht in den EU-regulierten Markt) einbezogen wird.

Da dies jedoch die Platzierung nicht unerheblich erschwert, ist die Anleiheemission kommunaler Unternehmen in der Regel mit der Erstellung eines Prospekts verbunden. Die Anlageform der Anleihe ist für private und institutionelle Kapitalgeber attraktiv, die eine vergleichsweise risikoarme Anlageform suchen: Kommunalanleihen tragen ein mit Staatsanleihen vergleichbar geringes Risiko, wobei die Verzinsung in der Regel im Vergleich zu Staatsanleihen geringfügig höher liegt.

Bei der Entscheidung über eine Anleiheemission müssen die im Vergleich zum üblichen Bankkredit anfallenden zusätzlichen Transaktionskosten berücksichtigt werden. Diese sind bei kommunalen Anleihen niedriger als bei Anleiheemissionen kommunaler Unternehmen, da nur bei Letzteren in der Regel ein Wertpapierprospekt erstellt und von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht geprüft, gebilligt und veröffentlicht werden muss. Ein externes Rating ist für die Emission einer Kommunalanleihe ebenfalls nicht erforderlich.

Fazit:

Für Gemeinden und kommunale Unternehmen bieten die Finanzierungsmodelle „Bürgerdarlehen“ und „Anleiheemission“ die Möglichkeit, die Abhängigkeit von Kreditinstituten als Fremdkapitalgeber zu verringern und die Gemeindebürger aktiv in die Finanzierung von Projekten einzubinden. Bei größeren Finanzierungsvolumina bietet sich in der Regel eine Anleiheemission an; bei kleineren Projekten ist meist ein Bürgerdarlehen vorzugswürdig.

Hinweis der Redaktion: Treffen Sie die Autoren Roman Becker und Uwe Metzinger bei ihrem vertiefenden Vortrag zu diesem Thema auf dem PUBLICUS-Kongress „Blickpunkt Kommune – Chancen und Risiken in Zeiten der Krise“ am 21. Mai im Haus der Geschichte in Stuttgart. Nähere Informationen zu Themen und Referenten unter www.publicus-boorberg.de

 

Roman A. Becker

Rechtsanwalt, Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart
 

Uwe Metzinger

Direktor, Leiter Abteilung Kundenbetreuung öffentliche Hand LBBW, Karlsruhe
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