11.04.2022

Europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik

Treffen der Eurogruppe im März 2021

Europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik

Treffen der Eurogruppe im März 2021

Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Hessen« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Hessen« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Kernthemen bei dem virtuellen Treffen der Eurogruppe im März 2021 waren die Diskussionen zu den sektoralen Auswirkungen durch die COVID-19-Pandemie sowie zur Frage einer angemessenen fiskalischen Ausrichtung.

 Die Eurogruppe widmete sich der Debatte um die sektoralen Auswirkungen und strukturellen Veränderungen durch die COVID-19-Pandemie. Die Europäische Kommission (EK) berichtete, dass bestimmte Sektoren wie kontaktnahe Dienstleistungen und der Tourismus ungleich stärker betroffen seien als andere Sektoren. Bestehende Trends des sektoralen Wandels wie die Änderung globaler Lieferketten würden durch die Pandemie verstärkt; außerdem werde die grüne und digitale Transformation beschleunigt, was den Dienstleistungssektor vor neue Herausforderungen stelle.

Das Aufbauinstrument der EU, die „Next Generation EU“, sei für diese Herausforderungen konzipiert, aber auch zur Unterstützung aktivierender Arbeitsmarktpolitiken. Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) sprach sich dafür aus, insbesondere solvente kleine mittelständische Unternehmen in den Blick zu nehmen, bei Unterstützungsmaßnahmen jedoch auch den Strukturwandel, Marktbereinigungsmechanismen und Insolvenzverfahren zu berücksichtigen.


Gesundheitskrise noch nicht unter Kontrolle

Eine Reihe von Mitgliedstaaten würdigten zwar die effektive Krisenantwort der EU auf die COVID-19-Pandemie hinsichtlich der Vermeidung von Unternehmensinsolvenzen und Arbeitslosigkeit, insbesondere durch gemeinsame Instrumente wie dem Europäischen Instrument zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage, wobei die Gesundheitskrise noch nicht unter Kontrolle sei. Der Vorsitzende resümierte, dass sich die wirtschaftliche Erholung insbesondere bei stark betroffenen Sektoren verzögern und daher asymmetrisch in derWirtschafts- und Währungsunion verlaufen werde. Insofern sei eine kluge Förderpolitik unter Berücksichtigung der grünen und digitalen Transformation von gemeinsamem Interesse für eine nachhaltige Erholung.

Ferner tauschte sich die Eurogruppe über den Stand der fiskalpolitischen Maßnahmen zur Unterstützung in der Krise und über Prinzipien zur weiteren finanzpolitischen Koordinierung aus. Die EK betonte, die starke fiskalpolitische Antwort und die möglichen Liquiditätshilfen i. R. d. Beihilferechts hätten eine Verschärfung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie in Europa erfolgreich verhindert. Dies sei auch möglich gewesen durch die Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel. Dennoch bestehe nach wie vor erhöhte Unsicherheit. Daher sprach sich die EK gegen eine verfrühte Rücknahme fiskalischer Unterstützungsmaßnahmen und für eine agile Fiskalpolitik in Abhängigkeit von pandemischen Entwicklungen aus. Sobald die Gesundheitsrisiken nachließen, solle die Haushaltspolitik in den Mitgliedstaaten aber differenziert auf Maßnahmen umschwenken, die im Zusammenspiel mit der Aufbau- und Resilienzfazilität eine robuste und tragfähige Erholung fördern. Hinsichtlich der Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumspakts warb die EK für eine Deaktivierung der allgemeinen Ausweichklausel erst mit Erreichen des Vorkrisenniveaus des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der EU.

Die Präsidentin der EZB unterstützte diese Empfehlungen und prognostizierte dem Euroraum für dieses Jahr eine leicht verzögerte wirtschaftliche Erholung. Im Jahr 2021 könne das Wachstum des BIP 4 % erreichen, nachdem die Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr um 7 % geschrumpft sei. Für dieses Jahr erwarte die EZB nun auch ein Anziehen der Inflationsraten auf 1,5 %; doch insgesamt sei der langfristige Inflationspfad weiterhin gedämpft.

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) rückte Tragfähigkeitsaspekte der öffentlichen Finanzen in den Mittelpunkt seiner Intervention. Granulare und differenzierte Empfehlungen seien bei der finanzpolitischen Koordinierung notwendig. Auch erfolgte die Verständigung der Eurogruppe auf eine gemeinsame Erklärung zur europäischen Fiskalstrategie in der Pandemie. Sie erklärte, dass eine unterstützende fiskalische Ausrichtung für 2021 und 2022 unter Ausnutzung der Aufbau- und RRF-Mittel angezeigt sei. Zudem nehme sie die vorläufige Einschätzung der EK zur Fortdauer der Deaktivierung der allgemeinen Ausweichklausel auch 2022 zur Kenntnis. Weitere Fördermaßnahmen sollten schnell, temporär und zielgerichtet erfolgen. Herausforderungen der höheren Schuldenstände müssten angegangen werden, wenn die wirtschaftliche Erholung auf dem Weg sei.

Zu den Wechselkursentwicklungen: Nach der Aufwertung in den Monaten bis August 2020 hatte sich der Eurowechselkurs zum US-Dollar größtenteils stabilisiert. Dabei profitierte der Euro zunächst von der gestiegenen globalen Risikoaversion im Zuge der Corona-Krise und entsprechender Nachfrage zulasten von Schwellenländern. Die EZB stimmte der EK zu und ergänzte, dass zukünftige wirtschaftliche Entwicklungen in den USA auch Ausstrahlungseffekte auf die Wechselkursentwicklungen haben könnten.

Bausteine zur Stärkung der internationalen Rolle des Euros

Der Vorsitzende der Eurogruppe beabsichtigt, in eigener Verantwortung als Präsident ein Schreiben an den Eurogipfel zu richten, welches sechs Bausteine zur Stärkung der internationalen Rolle des Euros hervorheben soll:

1) Solide Wirtschafts- und Währungsunion als zentraler Grundbaustein, insbesondere Banken- und Kapitalmarktunion;

2) Gute Wirtschaftspolitik für die Erholung, Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere die RRF, grüner und digitaler Wandel, Emission in Euro denominierter Anleihen durch die EU;

3) Resilienz, Effizienz und Integration der Finanz- und Zahlungsmärkte;

4) Digitalisierung, insbesondere digitaler Euro;

5) Attraktivität der EU-Finanzmärkte für nachhaltige Finanzierungsformen, insbesondere Vorreiterrolle in grünen Anleihemärkten und

6) Erweiterung des Euroraums.

 

Bundesministerium für Finanzen.

Entnommen aus Fundstelle Hessen, 13/2021, Rn. 156.

 

Bernd Klee

Dezernent für Finanzen, Personal und Kommunales im Landkreistag Baden-Württemberg
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