11.12.2020

Es kommt auf jeden Einzelnen an

Mitarbeitende binden

Es kommt auf jeden Einzelnen an

Mitarbeitende binden

Viele Personalauswahlverfahren wurden in Zeiten entwickelt, als das Arbeitskräfteangebot größer war - jetzt kommt es darauf an, Verfahren anzupassen und vorhandene Möglichkeiten zu nutzen.  |  © Julien Eichinger - fotolia.com
Viele Personalauswahlverfahren wurden in Zeiten entwickelt, als das Arbeitskräfteangebot größer war - jetzt kommt es darauf an, Verfahren anzupassen und vorhandene Möglichkeiten zu nutzen. | © Julien Eichinger - fotolia.com

Wir befinden uns in einer sich massiv verändernden Arbeitswelt, die durch hohe Komplexität und Unsicherheit geprägt ist. Zu den sich verändernden Rahmenbedingungen gehören:

  • Der demografische Wandel mit dem Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials und einem zunehmenden Wettbewerb um Fach- und Führungskräfte.
  • Der rasante technologische Fortschritt, der Leistungserstellungsprozesse und menschliche Arbeit verändert oder gar ersetzt, neue Bürgerbedürfnisse weckt und zu neuen Arbeitsanforderungen führt.
  • Veränderte Werte und Erwartungen von Mitarbeitenden an den Arbeitgeber und gleichzeitig eine veränderte Nachfrage nach Kompetenzen und lebenslangem Lernen.
  • Die Diskussion um neue Arbeitsmodelle und die Zunahme mobiler Arbeit, die vielfach eine andere Kultur bedingen.

Personalmanagement ist gefordert

Um all diese Veränderungen positiv zu gestalten, ist das Personalmanagement als strategischer Partner der Verwaltungsspitze mehr denn je gefordert. Dabei steht es vor der Herausforderung, trotz wachsender Personalknappheit durch hohe altersbedingte und sonstige Fluktuation sowie einem zunehmendem Bewerbermarkt das passende Personal zum Erhalt der Leistungsfähigkeit der Kommune zu stellen. Die Kommune braucht Mitarbeitende unterschiedlicher Generationen, die motiviert, gesund und möglichst lange erwerbsfähig bleiben.

In diesem Zusammenhang wächst die Erkenntnis, dass Kommunen als attraktive Arbeitgeber sowohl neue Mitarbeitende gewinnen als auch die Beschäftigten insgesamt dauerhaft binden müssen. Je größer die Bindung langjähriger und neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Arbeitgeber Kommune ist, desto besser werden die Potenziale aller Mitarbeitenden genutzt und damit die aktuellen und künftigen Herausforderungen bewältigt.


Daher legt die KGSt (Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement) folgendes weites Verständnis von Mitarbeitendenbindung zugrunde:

  • Die Identifikation der Mitarbeitenden mit den Werten ihres Arbeitgebers Kommune im Sinne einer tiefen Verbundenheit (Commitment).
  • Die Bereitschaft und Fähigkeit der Mitarbeitenden, ihre Kompetenzen und Potenziale zum Erhalt und zur Steigerung der Leistungsfähigkeit einer wirksamen Kommune einzusetzen.
  • Die Verbundenheit mit der Führungskraft.
  • Die Verbundenheit mit dem Team bzw. den Kolleginnen und Kollegen.
  • Die Verantwortung und Begeisterung für die konkrete Aufgabe bzw. Tätigkeit.

©Heike Krutoff, KGSt®

 

Arbeitgeber müssen wissen, was ihren Mitarbeitenden wichtig ist, welche Erwartungen sie haben und welche Werte sie leiten. Studien zeigen, dass die Erwartungen der Mitarbeitenden sehr individuell und abhängig von der jeweiligen Lebensphase sind.

Attraktivität öffentlicher Arbeitgeber

Die Studie der Zeppelin Universität zur Attraktivität von öffentlichen Arbeitgebern (vgl. Vogel, R.; Keppeler, F.; Papenfuß, U. (2018)) zeigt, dass „weichen Faktoren“ wie dem Sozialgefüge am Arbeitsplatz und der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben nach den Studienergebnissen eine höhere Bedeutung beigemessen wird als „harten Faktoren“ wie Bezahlung, Aufstiegschancen und Einflussmöglichkeiten. Die höchste Priorität hat das Gruppenklima am Arbeitsplatz. Fast genauso wichtig sind Führungskräfte, die auf die Belange der Mitarbeitenden Rücksicht nehmen. Die Arbeit soll Freude bereiten, sich mit dem Privatleben gut vereinbaren lassen und genügend Zeit für Familie und Freizeit bieten. Aber auch die sogenannte Public Service Motivation, d. h. die Motivation für das Gemeinwohl zu arbeiten, trägt maßgeblich zur Mitarbeitendenbindung im öffentlichen Dienst bei. Hier können Maßnahmen zur Personalgewinnung ansetzen. Wichtig ist aber auch, dass diese Leistung der Mitarbeitenden gerade in Krisenzeiten Respekt und Anerkennung erfährt.

Eine erfolgreiche Mitarbeitendenbindung entsteht vor allem durch eine sinnstiftende Organisationskultur, eine werteorientierte Führung, eine individuelle Personalentwicklung sowie eine attraktive Arbeitsgestaltung.

KGSt®-Bericht 4/2020, S. 14.

 

Für eine sinnstiftende Organisationskultur spielen Aspekte wie „Wohlfühlkultur“, Arbeitsklima, „Arbeitsfreude bzw. Spaß an der Arbeit“, Vertrauens- und Fehlerkultur, Gestaltungsspielräume von Mitarbeitenden oder die Frage nach dem Sinn der Arbeit eine wesentliche Rolle, um Mitarbeitende zu binden. Immer mehr Organisationen stellen sich daher die Sinnfrage nach dem Motto „Arbeit mit Sinn und Freude erbringt Spitzenleistung“.

„Mitarbeiter verlassen keine Unternehmen, sondern Chefs“, dieses Sprichwort verdeutlicht, dass Führungskräfte für die Bindung ihrer Mitarbeitenden entscheidend sein können, denn sie gestalten maßgeblich die Organisationskultur, vermitteln Sinn, geben Perspektiven und gestalten einen partnerschaftlichen Kontrakt mit den Mitarbeitenden. Partnerschaftliche Kontrakte sind verbunden mit einer hohen Bereitschaft, sich freiwillig zu engagieren und Dinge zu tun, die über das Maß „der geschuldeten Arbeitsleistung mit mittlerer Qualität und Güte“ hinausgehen. Um ein werteorientiertes Führungsverständnis zu stärken, sollten wesentliche Schlüsselkompetenzen von Führungskräften durch entsprechende Maßnahmen der Personalentwicklung gefördert werden. Nur so können Führungskräfte ihre Mitarbeitenden durch eine individuelle und lebensphasenorientierte Personalentwicklung an den Arbeitgeber Kommune binden, Perspektiven aufzuzeigen und die Arbeitsfähigkeit erhalten.

Bei der Bindung durch eine attraktive Arbeitsgestaltung geht es um die optimale Arbeitsumgebung sowie um eine flexible Arbeitszeit- und -ortgestaltung. Gerade das mobile Arbeiten hat durch die Pandemie einen enormen Schub erhalten mit positiven Auswirkungen auf die Organisationskultur.

Ein Blick in die kommunale Praxis zeigt, dass „das Rad nicht neu erfunden werden muss“, sondern bereits bewährte Maßnahmen eine gute Basis sein können.

Beispiel der Stadt Aachen

Die Stadt Aachen hat bereits 2018 eine ganzheitliche Strategie zur nachhaltigen Personalgewinnung und Personalbindung entwickelt. Sobald der Arbeitsvertrag unterschrieben ist, startet „der Weg der MitarbeiterInnen“ mit einer umfangreichen Einarbeitungsphase. Dazu gehören folgende Bausteine: Willkommensmappe, Einarbeitungsleitfaden, Einarbeitungspatin, Begrüßungsveranstaltung, digitale Broschüre „Arbeiten bei der Stadt Aachen von A-Z“, Eintrittsinterviews, Einarbeitung neuer Führungskräfte.

In der Phase der „Mitarbeiterbindung“ stellt Aachen neben einem sicheren Arbeitsplatz vor allem weitere Vorteile heraus wie die familienfreundliche Arbeitsgestaltung durch Work-Life-Balance. Dazu gehört die Väterzeit, ein zusätzlicher Sonderurlaub für Väter, ein Betriebskindergarten und Leistungen des Familienservicebüros. Mit der Zielrichtung „Familie 4.0.“ soll innerhalb der eigenen Mitarbeiterschaft ein neues Verständnis für Familie und Gleichberechtigung hergestellt werden.

Aber auch Arbeitssicherheit und Gesundheitsmanagement mit zahlreichen Gesundheitsprogrammen, aktiven Pausen, Lunch and Learn-Veranstaltungen, (sozialpsychologischen) Beratungsangeboten, Beratung für pflegende Angehörige sowie einem Sicherheitskonzept zur Gewaltprävention tragen zur Mitarbeitendenbindung bei.

Das Handlungsfeld „Kommunikation und Kooperation“ enthält neue Austauschformate, welche die bereichsübergreifende Kommunikation und Zusammenarbeit sowie den Informationsfluss verbessern. Wichtiges Ziel ist ebenfalls der Aufbau einer Fehler- und Vertrauenskultur.

Der Stadt Aachen ist eine ergebnisorientierte Führung wichtig. Die sozialen und fachlichen Erwartungen an ihre Führungskräfte sind in ihren Leitlinien zur Führung und Zusammenarbeit verankert. Führungsnachwuchsprogramme, jährliche Mitarbeitergespräche, Führungsfeedback, Kollegiale Beratung und Führungsnetzwerke sind nur einige Bausteine zur Stärkung der Führungskompetenz.

Eine strategische Personalentwicklung mit einer Vielzahl an Bausteinen dient dem Erhalt und der Förderung der Leistungspotenziale ihrer Mitarbeitenden.

Das Konzept der Stadt Aachen schließt mit der Phase des „Austritts aus dem Unternehmen“. Neben der Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung über die Regelaltersgrenze hinaus, Verabschiedungsveranstaltungen usw. erfolgt ein Austrittsinterview. Die Stadt möchte wissen, warum sie Mitarbeitende verlassen, und daraus neue Ansätze und Maßnahmen für ihre Personalgewinnung und -bindung ableiten.

Die Stadt Aachen hat erkannt „Es kommt auf jeden Einzelnen an, um die Leistungsfähigkeit der Kommune sichern“ und stellt sich mit dem begonnenen Weg zu noch mehr Mitarbeitendenbindung zukunftsorientiert auf.

©Stadt Aachen

 

Mehr Infos und viele weitere kommunale Praxisbeispiele in einem Maßnahmenkatalog enthält der KGSt®-Bericht 4/2020 „Mitarbeitende binden: Gestaltungsfelder und Maßnahmen“, www.kgst.de.

 

Heike Krutoff

Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt), Köln
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