04.12.2020

Entnahme von Lebensmitteln aus verschlossenen Abfallcontainern ist strafbar

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.08.2020

Entnahme von Lebensmitteln aus verschlossenen Abfallcontainern ist strafbar

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.08.2020

Die Feststellung, ob die Entnahme von Lebensmitteln aus einem Abfallbehälter eine strafbare Wegnahme einer »fremden Sache« darstellt, obliegt grundsätzlich den Strafgerichten.  ©TATIANA-stock.adobe.com
Die Feststellung, ob die Entnahme von Lebensmitteln aus einem Abfallbehälter eine strafbare Wegnahme einer »fremden Sache« darstellt, obliegt grundsätzlich den Strafgerichten. ©TATIANA-stock.adobe.com

Lebensmittel in einem verschlossenen Abfallcontainer eines Supermarkts sind Eigentum des Supermarktbetreibers. Daher ist das unerlaubte Entwenden aus dem Container strafrechtlich als Diebstahl zu bewerten (BVerfG). Der Umstand, dass auch wirtschaftlich wertlose Gegenstände unter die Strafvorschrift des Diebstahls fallen, sei als gesetzgeberischer Wille hinzunehmen.

Eine Frau hatte verschiedene Lebensmittel aus einem verschlossenen Abfallcontainer eines Supermarkts entwendet. Der Abfallcontainer befand sich in der Anlieferzone des Supermarkts und stand dort zur kostenpflichtigen Abholung durch den Abfallentsorger bereit. In dem Container wurden Lebensmittel entsorgt, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen war oder die wegen ihres äußeren Erscheinungsbilds (etwa Beschädigung) nicht mehr verkauft werden konnten. Das Amtsgericht verwarnte die Täterin wegen Diebstahls; auch das Bayerische Oberste Landesgericht teilte die Auffassung des Amtsgerichts, wonach die Lebensmittel nicht zur freien Verfügung gestanden hatten, sondern noch dem Supermarkt gehörten. Somit liege ein Diebstahl vor. Daraufhin legte die Frau Verfassungsbeschwerde ein, die jedoch das Bundesverfassungsgericht1 als unbegründet verwarf.

Rechtlicher Hintergrund

Für die Frage, ob die Handlung der Frau als Diebstahl (§ 242 Abs. 1 StGB) zu bewerten war, war entscheidend, ob es sich bei den Lebensmitteln um »fremde Sachen« gehandelt hatte. Mit anderen Worten: Gehörten die im Abfallcontainer befindlichen Lebensmittel noch dem Supermarkt oder waren sie durch das Hineinwerfen herrenlos. In diesem Fall würde kein Diebstahl vorliegen. Das Bundesverfassungsgericht war ebenso wie die Strafgerichte der Auffassung, dass es sich bei den Lebensmitteln noch um fremde Sachen gehandelt hatte, sodass eine Verurteilung wegen Diebstahls rechtmäßig war.


Keine Eigentumsaufgabe

Die Feststellung, ob die Entnahme von Lebensmitteln aus einem Abfallbehälter eine strafbare Wegnahme einer »fremden Sache« darstellt, obliegt grundsätzlich den Strafgerichten. Diese haben anhand des konkreten Sachverhalts zu entscheiden, ob die Abfälle durch eine Eigentumsaufgabe seitens des Lebensmittelmarkts herrenlos geworden sind oder ob die Abfälle im Eigentum des Supermarkts verblieben waren.

Im vorliegenden Fall hatten die Gerichte richtigerweise darauf abgestellt, dass sich der Abfallcontainer in der Anlieferzone des Supermarkts und damit auf dessen eigenem Gelände befunden habe und zudem verschlossen gewesen sei. Im Übrigen hätten die Abfälle zur Übergabe an ein spezialisiertes und vom Supermarkt bezahltes Entsorgungsunternehmen bereitgestanden. Aufgrund dieser Umstände sei auf den Willen des Supermarkts zu schließen, weiterhin Eigentümer der Abfälle bleiben zu wollen.

Der Umstand, dass auch wirtschaftlich wertlose Gegenstände unter die Strafvorschrift des Diebstahls fallen, sei als gesetzgeberischer Wille hinzunehmen. Im Übrigen wollte der Supermarkt als Eigentümer der Lebensmittel diese bewusst einer Vernichtung durch den Abfallentsorger zuführen, um etwaige Haftungsrisiken eines Verzehrs der teils abgelaufenen und möglicherweise auch verdorbenen Ware auszuschließen. Bereits das Interesse des Supermarktbetreibers, etwaige rechtliche Streitigkeiten und Prozessrisiken bei Inverkehrbringen der Waren aus dem Container auszuschließen, rechtfertige es anzunehmen, dass der Supermarktbetreiber das Eigentum an den weggeworfenen Lebensmitteln nicht aufgegeben habe. Aspekte, wie Verschwendung von Lebensmittel, die zwar sozial und wirtschaftlich nachvollziehbar seien, könnten jedoch – so das Bundesverfassungsgericht abschließend – die Straflosigkeit des »Containerns« nicht begründen.

 

1 Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05. August 2020 – 2 BvR 1985/19 – besprochen in RdW 2020, Rn. 365

 

Klaus Krohn

Lektor im Fachbereich Steuerrecht, Richard Boorberg Verlag
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