Ein „reichsbürgertypisches“ Verhalten rechtfertigt die Amtsenthebung
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 14.03.2023 – 3 LD 7/22
Ein „reichsbürgertypisches“ Verhalten rechtfertigt die Amtsenthebung
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 14.03.2023 – 3 LD 7/22
Wegen seines „reichsbürgertypischen“ Verhaltens im Rechtsverkehr ist ein Kriminalhauptkommissar aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) hat eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Hannover bestätigt. In dem Verhalten des Beamten liege ein schweres Dienstvergehen, das den Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme rechtfertige. Er habe u. a. die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland geleugnet.
Existenz und Legitimation der Bundesrepublik geleugnet
Durch das Leugnen der rechtlichen Existenz der Bundesrepublik im Sinne der sog. Reichsbürgerideologie hat er nach Darlegung des OVG schuldhaft gegen seine Verfassungstreuepflicht gem. § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verstoßen. So habe er bei dem für ihn zuständigen Landkreis die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises beantragt und dabei als Geburtsstaat „Preußen“ angegeben. Nachdem er den Ausweis über seine deutsche Staatsangehörigkeit erhalten hatte, habe er seinen Personalausweis mit dem Hinweis abgegeben, diesen nicht mehr zu benötigen. Ferner teilte er dem Landkreis mit, dass bei dem erhaltenen Staatsangehörigkeitsausweis der Hinweis auf „§ 4 Abs. 1 (Ru)StaG, Stand: 1913“ als die aus seiner Sicht maßgebliche gesetzliche Grundlage fehle.
Mit diesem „reichsbürgertypischen“ Verhalten hat der Beamte im Rechtsverkehr gegenüber staatlichen Behörden objektiv zum Ausdruck gebracht, vom Fortbestehen des Staats/Königreichs Preußen auszugehen und damit die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland in Abrede gestellt, wie dies gemeinsames Charakteristikum des Personenkreises der „Reichsbürger“ ist.
Verbreitung von Verschwörungstheorien
Außerdem hat der Beamte nach Darlegung des OVG während seiner Freizeit in öffentlichen Redebeiträgen und gegenüber Bekannten, aber auch während des Dienstes gegenüber Kollegen und Bürgern, Verschwörungstheorien verbreitet. So habe er etwa darüber berichtet, dass es eine Oberschicht von Reichen und Schönen gebe, die aus dem Blut von Kindern ein „Junggebliebenelixier“ gewönnen, dass es getarnte Militäraktionen auf deutschem Boden oder „geheime Bunker“ gebe, in denen Migranten „ausgebildet“ würden, um „irgendwann gegen das deutsche Volk aufzubegehren“, und dass die Corona- Impfungen dem Implantieren von Chips dienten, damit der Multimilliardär Bill Gates die totale Kontrolle über die Weltbevölkerung erlangen könne.
Durch dieses Verhalten hat er laut OVG schuldhaft gegen seine beamtenrechtliche Pflicht verstoßen, dass sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordert (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG).
Staatliche Institutionen und Organe verunglimpft
Die betreffenden Meinungsäußerungen verlassen nach Ansicht des OVG in ihrem jeweiligen Kontext den Bereich sachlicher Kritik und damit die Grenze dessen, was im Interesse eines störungsfreien Dienstbetriebs noch hingenommen werden kann. Dies gelte gleichermaßen für seine in öffentlichen Redebeiträgen geäußerten Ansichten wie bspw., dass staatliches Handeln im Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen mit dem Handeln während des NS-Regimes gleichzusetzen sei, dass sich Polizisten wie „gekaufte Söldner“ verhalten hätten, dass es in der Bundesrepublik Deutschland keine Demokratie und keinen Rechtsstaat mehr gebe, sowie, dass Wahlen und Gerichtsentscheidungen „wunschgemäß verändert“ würden. In dieser Verunglimpfung staatlicher Institutionen und Organe ist eine weitere schuldhafte Verletzung seiner beamtenrechtlichen Wohlverhaltenspflicht zu sehen, so das OVG weiter.
Position als Kriminalbeamter ausgenutzt
Das von dem Kriminalhauptkommissar begangene einheitliche Dienstvergehen wiegt nach Ansicht des OVG schwer und rechtfertigt seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Denn er habe wiederholt seine Kernpflichten als Beamter verletzt, indem er sich aktiv gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne des GG gewandt habe, zu deren Wahrung und Verteidigung er sich als Beamter gerade verpflichtet hatte. Hinzu kommt, dass er als Kriminalbeamter gegenüber der Öffentlichkeit in besonders augenfälliger Weise die Staatsgewalt repräsentiere, seine Äußerungen im Rahmen öffentlicher Auftritte gerade darauf angelegt gewesen sind, einen hohen Verbreitungsgrad zu erlangen und er dabei seine dienstliche Position als Kriminalbeamter betont hat, um seinen Behauptungen ein stärkeres Gewicht zu verleihen, so das OVG abschließend. Die Entscheidung ist nach Darlegung des OVG mit ihrer Verkündung rechtskräftig geworden.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 14.03.2023 – 3 LD 7/22 –.
Entnommen aus Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz 19/2023, Rn. 201.