04.12.2023

Die Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG

Personenkreis der Berechtigten

Die Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG

Personenkreis der Berechtigten

Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV

Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) regelt abschließend die materiellen Leistungen an asylsuchende sowie geduldete Ausländer und Kriegsflüchtlinge. Mit der Einführung des AsylbLG wurde das Ziel verfolgt, die Leistungen für den Lebensunterhalt von Asylbewerbern außerhalb des alten Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) zu regeln und das Leistungsrecht im Wesentlichem dem Ausländer- und Asylrecht anzupassen (hierzu: Kellner, in: Zeitler (Hrsg.), Hypertextkommentar zum AsylblLG (HTKAsylbLG), Stand 23.04.2022, § 1 AsylbLG – Überblick Rn. 2).

1. Ziele sind die Fürsorge sowie die Vermeidung von „Pull-Effekten“

Das AsylbLG verfolgt damit einerseits fürsorgerische Gesichtspunkte und die Sicherstellung des menschenwürdigen Existenzminimums für asylsuchende und geduldete Ausländer und Kriegsflüchtlinge. Andererseits soll es seiner spezifischen Zielrichtung nach eine „Abschreckungswirkung“ entfalten und Pull-Effekte – also Anreize für Ausländer, nach Deutschland zu kommen – verringern (vgl. BVerfG-K, Beschl. v. 12.05.2021 – 1 BvR 2682/17). Personen, die nach dem AsylbLG leistungsberechtigt sind, stehen keine Leistungen nach dem SGB II bzw. dem SGB XII zu.

2. Der leistungsberechtigte Personenkreis ist abschließend bestimmt

Die Norm des § 1 AsylbLG regelt den Kreis der Leistungsberechtigten abschließend. Dabei statuiert § 1 Abs. 1 AsylbLG drei Voraussetzungen, die gleichzeitig erfüllt sein müssen: Es handelt sich um Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die einen Aufenthaltsstatus nach Nr. 1 bis 7 innehaben. Das AsylbLG erfasst damit nicht nur Asylbewerberinnen und Asylbewerber, sondern einen heterogenen Personenkreis von Menschen, die sich typischerweise nur vorübergehend – also ohne Verfestigung ihres ausländerrechtlichen Status – im Bundesgebiet aufhalten (BT-Drs. 13/2746, S. 11).


3. Leistungsberechtigt sind näher beschriebene Ausländer

Der Leistungsberechtigte muss Ausländer sein. Das AsylbLG beinhaltet keine eigene Definition des Begriffs, sodass auf die Begrifflichkeiten des Aufenthaltsrechts und des Verfassungsrechts zurückzugreifen ist. Nach § 2 Abs. 1 AufenthG ist Ausländer jeder, der nicht Deutscher i. S. d. Art. 116 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ist. Keine Ausländer sind Mehrstaater, die auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Unstreitig findet das Gesetz auf sog. Drittausländer Anwendung.

4. Umstritten ist, ob das AsylbLG auch auf Unionsbürger anzuwenden ist

Da Unionsbürger auch Ausländer i. S. d. § 1 Abs. 1 AsylbLG sind, wird teilweise vertreten, dass auch Unionsbürger den Bestimmungen des AsylbLG unterfallen, wenn der Verlust des Freizügigkeitsrechts festgestellt worden ist (vgl. LSG Berlin- Brandenburg, Beschl. v. 16.09.2019 – L 31 AS 1627/19 B ER). Nach einer Ansicht haben Unionsbürger einen Anspruch auf Duldung für die Dauer des Verfahrens vor dem VG. Sie sollen damit einen Anspruch auf Leistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG haben, wenn eine Klage gegen die Verlustfeststellung erhoben worden ist und die Klage Suspensiveffekt nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO entfaltet (LSG NRW, Beschl. v. 16.03.2020 – L 19 AS 2035/19 B ER). Nach anderer Auffassung soll das AsylbLG infolge einer teleologischen Reduktion auf Unionsbürger nicht anwendbar sein. Sinn und Zweck des AsylbLG, seine Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen sprechen gegen eine Anwendung auf Unionsbürger, deren Aufenthaltsrecht allein europarechtlich geprägt ist (LSG NRW, Beschl. v. 30.05.2019 – L 20 AY 15/19 B ER; Kellner, HTKAsylbLG, § 1 AsybLG Rn. 8).

5. Tatsächlicher Aufenthalt im Bundesgebiet

Der Ausländer muss einen tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben. Die Annahme eines tatsächlichen Aufenthalts setzt lediglich die physische Anwesenheit voraus. Ein Leistungsbezug aus dem Ausland ist ausgeschlossen. Keine Voraussetzung ist die Begründung eines Lebensmittelpunkts oder eine Wohnsitznahme. Nicht relevant ist es auch, wie lange der Aufenthalt gegeben ist und ob er rechtmäßig, rechtswidrig oder rechtsmissbräuchlich ist. Auch ein flüchtiger oder besuchsweiser Aufenthalt im Bundesgebiet sollte ausreichen. Dies betrifft insbesondere Ausländer, denen entweder ein Schengen-Visum zur Durchreise oder für Aufenthalte bis zu drei Monaten gewährt worden ist (§ 6 Abs. 1 AufenthG). Denn das AsylbLG regelt gerade die Leistungsansprüche der Menschen, die sich typischerweise bzw. absehbar nur vorübergehend im Bundesgebiet aufhalten (BT-Drs. 13/ 2746, S. 11).

6. Aufenthaltsrechtlicher Status

Bei dem nach dem AsylbLG leistungsberechtigten Personenkreis handelt es sich um Menschen mit unverfestigtem Aufenthaltsstatus, die anknüpfend an ausländerrechtliche und asylrechtliche Vorschriften in Gruppen eingeteilt werden. Die vorausgegangenen ausländerrechtlichen Bescheide und Titel haben Tatbestandswirkung. Das bedeutet, dass die Sozialleistungsbehörden aufenthaltsrechtliche Statusentscheidungen zu beachten haben; eine eigene ausländerrechtliche Sachprüfung ist nicht vorgesehen (vgl. BSG, Urt. v. 27.02.2020 – B 7 AY 1/17 R).

7. Aufenthaltsgestattung

Einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, ist zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet ab Ausstellung des Ankunftsnachweises (Aufenthaltsgestattung, § 55 Asylgesetz – AsylG). Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG sind Inhaber einer Aufenthaltsgestattung leistungsberechtigt, und zwar unabhängig von ihrem Herkunftsland. Nach § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylG entsteht die Aufenthaltsgestattung in den Fällen, in denen kein Ankunftsnachweis ausgestellt wird mit der Stellung des Asylantrags. Dies ist insbesondere bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern der Fall, die sich nicht in eine Erstaufnahmeeinrichtung zu begeben haben.

8. Asylgesuch

Leistungsberechtigt sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1a AsylbLG auch Personen, die ein Asylgesuch geäußert haben und nicht die in den Nrn. 1, 2 bis 5 und 7 genannten Voraussetzungen erfüllen. Mit dieser Vorschrift sollte eine Leistungslücke für den Zeitraum zwischen Stellung des Asylgesuchs und Ausstellung des Ankunftsnachweises gem. § 63a Abs. 1 AsylG geschlossen werden. Diese ergab sich aus einer Neuregelung des § 55 AsylG, aufgrund derer Aufenthaltsgestattung nicht mit Stellung des Asylgesuchs, sondern erst mit Ausstellung des Ankunftsnachweises entstand (BT-Drs. 19/10052, S. 17 f.). § 1 Abs. 1 Nr. 1a AsylbLG erfasst damit primär die Fälle, in denen ein Asylgesuch geäußert, aber noch kein Ankunftsnachweis ausgestellt wurde. In diesem Zusammenhang ist die im AsylbLG enthaltene Sonderregelung zu beachten. Dieser zufolge enthält dieser Personenkreis grundsätzlich erst eingeschränkte Leistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG, wenn ein Ankunftsnachweis nach § 63a AsylG ausgestellt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt sind grundsätzlich nur Leistungen entsprechend § 1a Abs. 1 AsylbLG vorgesehen. Hierdurch soll ein Anreiz gesetzt werden, sich möglichst schnell registrieren zu lassen (vgl. BT-Drs. 18/7538, S. 9).

[…]

 

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz, 8/2023, Rn. 78.

 

Dr. Martin Kellner

Richter am Sozialgericht Freiburg i. Br.
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