04.11.2022

Die elektronische Übermittlung kommunaler Abgabenbescheide

Kommunen vor Herausforderungen (Teil 1)

Die elektronische Übermittlung kommunaler Abgabenbescheide

Kommunen vor Herausforderungen (Teil 1)

Übermittlung durch einfache E-Mail genügt nicht. | © Robert Kneschke - stock.adobe.co
Übermittlung durch einfache E-Mail genügt nicht. | © Robert Kneschke - stock.adobe.co

Im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung stehen auch Kommunen vor der Herausforderung, Verwaltungsleistungen digital zur Verfügung zu stellen. Das entspricht einerseits der zunehmenden Erwartung von Bürgern und kann andererseits Abläufe vereinfachen und beschleunigen.

Geht es dabei nicht nur um informelle Schreiben, sondern um Gebühren- und Beitragsbescheide, stellt sich die Frage, auf welche Weise auch diese rechtssicher in elektronischer Form erstellt und versandt werden können. Eine einheitliche Regelung gibt es hierzu nicht, was angesichts der Bedeutung elektronischer Kommunikationswege verwundert. Vielmehr finden sich mehrere unübersichtliche und schrittweise geschaffene Regelungen. Hinzu kommt, dass sich in der Praxis weder die qualifizierte elektronische Signatur noch die De-Mail-Nachricht durchsetzen konnte, was die Praxistauglichkeit einzelner Rechtsgrundlagen infrage stellt. Welche Möglichkeiten sich gleichwohl in rechtlicher als auch in technischer Hinsicht anbieten und welche Rolle das bis Ende 2022 umzusetzende Onlinezugangsgesetz spielt, soll der folgende Beitrag darstellen.

I. Ausflug in die Abgabenordnung

Kommunen setzen Gebühren und Beiträge gemäß dem baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz (KAG) fest. Das KAG selbst enthält allerdings weder Regelungen zum Festsetzungsverfahren noch Formvorschriften. Stattdessen verweist § 3 Abs. 1 KAG auf bestimmte Normen der Abgabenordnung (AO), die sinngemäß anzuwenden sind. Dieselbe Regelungstechnik findesich auch in den anderen Bundesländern, wobei der Verweis auf die AO unterschiedlich umfangreich ausfällt.[1]


§ 3 Abs. 4 KAG stellt klar, dass sämtliche Vorschriften in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden sind.[2] Änderungen der AO durch den Bundesgesetzgeber wirken sich daher unmittelbar auf das Landesrecht aus. Die weitreichende Anwendbarkeit der AO führt nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG dazu, dass das Landesverwaltungsverfahrensgesetz grundsätzlich nicht anwendbar ist.[3]

Diese Verweisungstechnik hält das KAG zwar relativ schlank, trägt ansonsten aber nicht zur Übersichtlichkeit bei. Denn die für den vorliegenden Beitrag relevanten Vorschriften finden sich an ganz unterschiedlichen Stellen der AO. Dazu zählen vorrangig §§ 87 a, 122, 122 a, 157 AO. Diese unsystematische Anordnung wird in der Kommentarliteratur – angesichts der herausragenden Bedeutung elektronischer Kommunikation zu Recht – als „misslungen“ bezeichnet.[4] Die folgenden Abschnitte sollen dazu beitragen, schrittweise für Klarheit zu sorgen.

II. Schriftform und elektronische Form

Gemäß § 157 Abs. 1 Satz 1 AO sind Abgabenbescheide[5] schriftlich oder elektronisch zu erteilen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Bei diesem sehr einfachen Grundsatz bleibt es allerdings nicht, denn an zahlreichen Stellen ist „anderes bestimmt“.

Anforderungen an die elektronische Kommunikation regelt § § 87 a AO. Gemäß § 87 a Abs. 1 Satz 1 AO ist die Übermittlung elektronischer Dokumente zulässig, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet.[6] Übermittelt die Behörde Daten, die dem Steuergeheimnis unterliegen, sind diese Daten gemäß § 87 a Abs. 1 Satz 3 AO grundsätzlich mit einem geeigneten Verfahren zu verschlüsseln.

§ 87 a Abs. 4 Satz 1 AO erlaubt, dass eine durch Gesetz für Verwaltungsakte angeordnete Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden kann, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

Vorgaben für diese „elektronische Form“ enthalten § 87 a Abs. 4 Satz 2 und 3 AO. Danach muss das Dokument entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein oder mittels einer De-Mail-Nachricht nach § 5 Abs. 5 des De-Mail-Gesetzes versendet werden. In der Praxis konnten sich allerdings weder die qualifizierte elektronische Signatur noch die De-Mail-Nachricht durchsetzen, sodass die von § 87 a Abs. 4 AO zugelassene Ersetzung der Schriftform durch die elektronische Form weitgehend leerläuft. An dieser Stelle öffnet das KAG jedoch eine weitere Tür.

§ 87a AO wird nämlich durch § 3 Abs.1 Nr. 3a) KAG dahingehend modifiziert, dass die Schriftform auch durch sonstige sichere Verfahren nach § 3 a Abs. 2 Satz 4 Nr. 4 LVwVfG ersetzt werden kann.[7] Anwendbar sind dadurch weitere elektronische Verfahren, die zukünftig von der Bundesregierung in einer Rechtsverordnung festgelegt werden. Der Verweis auf § 3 a Abs. 2 Satz 4 Nr. 4 LVwVfG wurde durch eine Gesetzesänderung im Jahr 2020 ins KAG aufgenommen, um den Kommunen zu ermöglichen, flexibel von neuen Verfahren Gebrauch zu machen.[8] Damit bleibt die Erweiterung der Schriftformersetzung auch offen für zukünftige technologische Entwicklungen und europäische Lösungen. Durch den IT-Planungsrat[9] wird eine Abstimmung von Bund und Ländern bei der Zulassung neuer sicherer Verfahren gewährleistet.[10] Soweit ersichtlich, sind weitere zulässige Verfahren bisher aber noch nicht festgelegt worden.

§ 87 a Abs. 7 und 8 AO enthalten schließlich unter Bezugnahme auf §§ 122, 122 a AO weitere Vorgaben für die elektronische Kommunikation in Abhängigkeit von dem Weg der Übermittlung und Bekanntgabe. Diese beiden Absätze wurden durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens[11] mit Wirkung zum 01.01.2017 eingefügt und sind damit die jüngste Ergänzung dieses umfangreichen Normenkatalogs.

III. Übermittlung durch einfache E-Mail genügt nicht

Bis zum Inkrafttreten von § 87 a Abs. 7 und 8 AO war umstritten, ob ein Abgabenbescheid wirksam durch „einfache“ E-Mail (also insbesondere ohne qualifizierte elektronische Signatur) übermittelt werden konnte. So vertrat das Finanzgericht Köln zu einem Sachverhalt aus dem Jahr 2016 die Auffassung, § 87 a Abs. 4 AO sei auf Abgabenbescheide nicht ohne Weiteres anwendbar.[12] Denn gemäß § 157 Abs. 1 AO könnten Bescheide wahlweise „schriftlich oder elektronisch“ erteilt werden. § 87 a Abs. 4 AO setze demgegenüber eine „durch Gesetz […] angeordnete Schriftform“ voraus, was hier nicht der Fall sei.[13]

Folglich waren aus Sicht des FG Köln die Anforderungen des § 87 a Abs. 4 AO nicht zu beachten, sondern es sei ein „einfacher“ elektronischer Versand etwa per E-Mail möglich. Dieser Auffassung wurde in der Kommentarliteratur teilweise zugestimmt, teilweise widersprochen. Eine gefestigte Rechtsprechung hat sich dazu nicht gebildet.[14]

Diese recht spitzfindige Streitfrage ist inzwischen aber überholt und die Auffassung des FG Köln jedenfalls auf Sachverhalte seit dem Jahr 2017 nicht anwendbar. Denn durch das StVerfModG[15] wurden die Absätze 7 und 8 in § 87 a AO eingefügt, die in jedem Fall zusätzliche Anforderungen an die Übermittlung und Bekanntgabe von elektronisch erlassenen Verwaltungsakten stellen. Diesen Anforderungen genügt eine einfache E-Mail zweifellos nicht.[16]

IV. Zulässige Varianten einer elektronischen Übermittlung und Bekanntgabe

Aus den oben dargestellten Regelungen der §§ 87 a, 157 Abs. 1 AO ergeben sich zwei Möglichkeiten zur elektronischen Übermittlung und Bekanntgabe von Abgabenbescheiden: die bereits erwähnte Übermittlung durch ein sicheres Verfahren sowie eine Bereitstellung zum Abruf.

  1. Sicheres elektronisches Verfahren, § 87 a Abs. 7 i. V. m. § 122 Abs. 2 a AO

122 Abs. 2 a AO regelt, dass ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben gilt, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs zu beweisen. Bestehen keine solchen Zweifel, tritt allerdings die gesetzliche Zugangsfiktion ein, ohne dass es auf eine tatsächliche Kenntnisnahme durch den Adressaten ankommt.[17] Die Fiktion der Bekanntgabe setzt damit auch Rechtsbehelfsfristen in Gang. Diese elektronische Bekanntgabe setzt gemäß § 87 a Abs. 7 AO jedoch die Verwendung eines „sicheren Verfahrens“ voraus, das die übermittelnde Stelle authentifiziert und die Vertraulichkeit und Integrität des Datensatzes gewährleistet. Als Beispiele für solche sicheren Verfahren nennt das Gesetz „insbesondere“ wiederum die beiden schon erwähnten Varianten. Erforderlich ist also entweder die Versendung per E-Mail mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nebst Verschlüsselung mit einem geeigneten Verfahren oder die Versendung mittels De-Mail-Nachricht.

Die Formulierung „insbesondere“ zeigt allerdings, dass diese Aufzählung nicht abschließend ist, sondern andere „sichere Verfahren“ verwendet werden können. Entsprechend den Ausführungen oben unter II. zu § 3 a Abs. 2 Satz 4 Nr. 4 LVwVfG bleibt in erster Linie abzuwarten, ob und welche weiteren Verfahren die Bundesregierung durch Rechtsverordnung festlegen wird. Solange dies nicht der Fall ist und weder die qualifizierte elektronische Signatur noch die De-Mail-Nachricht Verbreitung finden, dürfte diese Variante der elektronischen Bekanntgabe praktisch leerlaufen. Positiv ist aber freilich, dass das Gesetz in diesem Bereich hohe Sicherheitsanforderungen stellt und für künftige Entwicklungen offen ist.

  1. Bereitstellung zum Datenabruf, § 87 a Abs. 8 i. V. m. § 122 a AO

Gemäß § 122 a Abs. 1 AO können Abgabenbescheide mit Einwilligung des Adressaten bekannt gegeben werden, indem sie zum Datenabruf durch „Datenfernübertragung“ bereitgestellt werden. Die ausdrücklich erforderliche Einwilligung des Adressaten oder seines Bevollmächtigten ist gemäß § 122 a Abs. 2 AO jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerruflich.

Die Bereitstellung zum Datenabruf wird regelmäßig durch Upload einer PDF-Datei in ein Online-Portal erfolgen.[18] §87 a Abs. 8 Satz 1 AO verlangt dabei wiederum die Verwendung eines sicheren Verfahrens, das die für die Datenbereitstellung verantwortliche Stelle authentifiziert und die Vertraulichkeit und Integrität des Datensatzes gewährleistet. Die zum Abruf berechtigte Person hat sich ihrerseits zu authentifizieren, wofür sich der elektronische Personalausweis[19] anbietet.[20]

Auch bei der Bereitstellung zum Datenabruf tritt gemäß § 122 a Abs. 4 AO die Fiktion ein, dass ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt am dritten Tag nach Absendung einer elektronischen Benachrichtigung an den Adressaten als bekannt gegeben gilt. In diesem Fall kommt es also für den Beginn von Rechtsbehelfsfristen wiederum nicht darauf an, ob der Adressat die Datei tatsächlich abgerufen hat. Bestreitet der Adressat allerdings, dass ihm eine Benachrichtigung über die Bereitstellung zugegangen sei, liegt die Beweislast für den Zugang bei der Behörde. Falls dieser Beweis nicht geführt werden kann, ist doch der Zeitpunkt des tatsächlichen Datenabrufs maßgeblich. Angesichts dieser komplexen Regelungen liegen Streitigkeiten über den Zeitpunkt des Zugangs durchaus nahe.[21]

[1] Sauthoff, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 65. Lieferung, § 12 Rn. 1.

[2] Sog. dynamische Verweisung, Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in Baden-Württemberg, 78. Lieferung, § 3 Rn. 52; Sauthoff (Fn. 1), § 12 Rn. 2.

[3] Baer, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 80 Rn. 18; Faiß (Fn. 2), § 3 Rn. 2.

[4] Rätke, in: Klein, AO, 15. Aufl., § 87 a Rn. 3.

[5] Die AO spricht von „Steuerbescheiden“. Da ihre Regelungen gemäß § 3 Abs. 1 KAG „sinngemäß“ anzuwenden sind, gibt dieser Beitrag jeweils die Terminologie des KAG wieder.

[6] Behörden des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände etc. sind nach § 2 Abs. 1 EGovG BW verpflichtet, einen Zugang für die elektronische Kommunikation zu eröffnen.

[7] Insoweit liegt eine teilweise Rückausnahme zu der in Fn. 3 erwähnten Nichtanwendbarkeit des LVwVfG vor.

[8] Landtag BW, LT-Drs. 16/9087 v. 20.10.2020, S. 20, abrufbar unter https://www.landtagbw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen/9000/16_9087_D.pdf.

[9] Vgl. unter V. 1.

[10] Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl., § 3 a Rn. 31.

[11] StVerfModG v. 18.07.2016, BGBl. I S. 1679.

[12] FG Köln, Urt. v. 13.12.2017–2K 837/17 – juris, Rn. 52.

[13] Zustimmend Rüsken, in: Klein, AO, 15. Aufl., § 157 Rn. 2 a.

[14] In diese Richtung lässt sich aber auch BFH, Urt. v. 13.05.2015 – III R 26/14 – juris verstehen.

[15] Vgl. Fn. 10.

[16] Rätke (Fn. 4), § 87 a Rn. 35.

[17] Die Regelung entspricht im Wesentlichen § 41 Abs. 2 LVwVfG bei Übermittlung eines Verwaltungsakts per Post.

[18] Zu den entsprechenden Auswirkungen des Onlinezugangsgesetzes sogleich unter V.

[19] § 18 Personalausweisgesetz.

[20] Alternativ eine eID-Karte (§ 12 eID-Karte-Gesetz) bei Unionsbürgern bzw. Angehörigen des EWR oder ein elektronischer Aufenthaltstitel (§ 78 Abs. 5, Abs. 1 Aufenthaltsgesetz).

[21] Vgl. auch AO-Anwendungserlass (AEAO) zu § 122 a AO, Nr. 2.

 

Alexander Häcker

Rechtsanwalt, Menold Bezler Rechtsanwälte Partnerschaft, Stuttgart
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