08.02.2023

Bewohnerparken als Teil städtischer Mobilitätswende

Regelungshebel Parkgebühren (Teil 2)

Bewohnerparken als Teil städtischer Mobilitätswende

Regelungshebel Parkgebühren (Teil 2)

Die Flächendeckende Ausweisung des Bewohnerparkens ist immer noch uneinheitlich und wenig nachhaltig geregelt  |  © bilanol - stock.adobe.com
Die Flächendeckende Ausweisung des Bewohnerparkens ist immer noch uneinheitlich und wenig nachhaltig geregelt | © bilanol - stock.adobe.com

Der erste Teil dieser Serie hat gezeigt, wie eng die Räume für Kommunen wegen der Verortung des Problems in das Straßenverkehrsrecht noch sind, durch flächendeckende Ausweisung des Bewohnerparkens den Autoverkehr einschränkend zu regeln. Mit der Bestimmung der Höhe der Gebühren für Bewohnerparkausweise haben besonders die Städte nun wenigstens insoweit die Hände am regulativen Steuer, um die Mobilität in Richtung autofreiere Nachhaltigkeit zu lenken. Eine erste Gerichtsentscheidung gibt die Richtung vor. Fortsetzung des ersten Teils

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Bund lässt Ländern freie Bahn für Gebührenregelung

Lange waren die Gebühren für Bewohnerparkausweise bundeseinheitlich auf höchstens 30,70 € pro Jahr gedeckelt. Im internationalen Vergleich fast lächerlich gering: in Amsterdam kostet ein Parkausweis für Bewohner bis zu 570 € pro Jahr und in Stockholm werden bis zu 1.100 schwedische Kronen pro Monat, umgerechnet 1.260 € pro Jahr erhoben. Für die Erhebung von Gebühren besitzt der Bund nach Art. 71 Abs. 1 Nr. 22 Grundgesetz (GG) die konkurrierende Gesetzgebung. Mit Einführung des § 6a Abs. 5a Straßenverkehrsgesetz (StVG) durch Gesetz vom 29.06.2020 (BGBl. I S. 1528) zum 04.07.2020 (BGBl. I S. 1528) hat der Bund indes die Zuständigkeit auf die Länder übertragen (Baden-Württemberg, Niedersachsen, Hamburg, Hessen, Thüringen und Nordrhein-Westfalen haben hiervon bereits Gebrauch gemacht). Diese haben somit die Möglichkeit, die Bestimmung über die Höhe der Gebühr selbst vorzunehmen oder aber in die Hände der Kommunen zu geben.


In den Gebührenordnungen kann nach dem Bundesgesetz auch die Bedeutung der Parkmöglichkeiten, deren wirtschaftlicher Wert oder der sonstige Nutzen der Parkmöglichkeiten für die Bewohner (neben den Verwaltungskosten) bei der Bemessung der Gebührenhöhe angemessen berücksichtigt sowie ein Höchstsatz festgelegt werden (§ 6a Abs. 5a Satz 3 StVG). Die Ermächtigung zum Erlass von Gebührenordnungen nach § 6a Abs. 5a Satz 2 und 5 StVG wurde im Streitfall (s.u.) per Landesverordnung auf die örtlichen Straßenverkehrsbehörden übertragen, wobei die Kommunen die Gebührenordnung per Satzung zu erlassen haben.

Diese gesetzlichen Bestimmungen machen damit zwar den Weg frei für Gebührenerhöhungen, setzen aber bewusst kaum inhaltliche Markierungen, damit – so der Gesetzgeber – ein „ortsangemessener Gestaltungsspielraum“ besteht (BT-Drs. 19/19132; S. 12). Die Ausgestaltung bleibt somit unterm Strich beiden anderen Staatsgewalten überlassen. In einem ersten umfassenden Urteil vom 13.07.2022 – 2 S 808/22) hat der VGH Mannheim erste wichtige judikative Leitplanken für eine rechtmäßige Bemessung der Bewohnerparkgebühr gezogen.

VGH Mannheim setzt mit neuem Urteil erste Leitplanken

Das Gericht wies die Normenkontrollklage eines Anwohners gegen eine von der beklagten Stadt Freiburg Ende 2021 erlassene Satzung für Bewohnerparken rechtskräftig als unbegründet zurück. Die Stadt Freiburg hat für die Bewohnerparkgebühren – gestaffelt nach der Länge des Fahrzeuges – einen Rahmen von 240 € (unter 4,21 m) bis 480 € (über 4,7 m) jährlich festgesetzt. Bezieher von Transferleistungen (Bürgergeld, Wohngeld usw.) zahlen auf Antrag nur 25 % dieser Kosten. Menschen mit Behinderungen zahlen reduzierte Gebühren bzw. sind teils ganz befreit.

Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Rechtsgrundlage des 6a Abs. 5a StVG mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Gesetzesvorbehalt aus Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang steht. Der sog. Wesentlichkeitsgrundsatz, nach dem das Parlament wichtige grundrechtlich relevante Fragen gesetzlich bestimmen muss, sei nicht verletzt. Der Bundesgesetzgeber habe die Gebührenbemessung für die zum Erlass von Gebührenordnungen ermächtigten Länder und der Kommunen durch Landesdelegation in § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG noch ausreichend vorgezeichnet.

Die Gebührensatzhöhe werde ferner insbesondere durch das Äquivalenzprinzip als gebührenrechtliche Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 3 GG), welches einfachgesetzlich durch das Merkmal der „Angemessenheit“ in § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG ausgestaltet sei, hinreichend begrenzt.

Gebührenhöhe- und staffelung auf angemessener Strecke

Für die Beurteilung der Frage, ob das Äquivalenzprinzip verletzt sei, komme es nicht darauf an, ob und mit welcher Steigerungsrate eine Gebühr im Vergleich zur Vorgängerregelung erhöht wurde. Maßgeblich sei vielmehr allein, ob die nach dem geltenden Recht festgesetzte Gebühr in einem Missverhältnis zu dem mit ihr abgegoltenen Vorteil steht. Die Erhöhung der Gebühren um den bis zu 16-fachen Betrag im Vergleich zur vorherigen Regelung sei nicht entscheidend. Es komme darauf an, ob die öffentliche Gebühr erheblich über der vergleichbaren Leistung eines Privaten liege.

Die monatlichen Mietkosten etwa in privaten Parkhäusern beliefen sich aber wesentlich höher auf mindestens einen zweifachen bis zum zehnfachen Betrag im Jahr. Dabei hat das Gericht auch berücksichtigt, dass die Kunden in Parkhäusern ggf. auch überdachte und überwachte Stellplätze nutzen können, was bei einem Bewohnerparkausweis nicht möglich ist. Demgegenüber würden Bewohnerparkgebühren nur von der Pflicht zur Zahlung von den allgemeinen Parkgebühren befreien. Angesichts dieser Unterschiede spricht nach Auffassung des Senats viel dafür, dass kein Missverhältnis zwischen Gebühr und öffentlicher Leistung vorliegt.

Ferner sei die Gebühr auch nicht im Vergleich zu den allgemeinen Parkgebühren (je nach Zone von 2.340 € bis 4.680 € jährlich) überzogen. Weitere anerkannte Vergleichskriterien sind die Kosten für die Herstellung eines Parkplatzes und der Verkaufswert nach dem Bodenrichtwert (siehe: Berücksichtigungsfähige Aspekte bei der Festlegung von Bewohnerparkgebühren, Wissenschaft. Dienste Deutscher Bundestag, WD 7-3000 – 014/22).

Die Gebührenstaffelung bei der Festlegung der Fahrzeuglängen bewertet das Gericht als sachgerecht. Demnach basiert die Staffelung auf statistischen Daten zur Länge privater Kraftfahrzeuge in Freiburg und differenziere damit sachlich nach der in Anspruch genommenen Parkfläche. Dieser Ansatz sieht nach der groben Ermittlung der monatlichen Bewirtschaftungs- und Personalkosten einen festen Sockelbetrag vor, der für alle Gruppen gilt. Darüber hinaus sind ausgehend von einem monatlichen Betrag von vier Euro für eine Erhöhung der Gebühr auf jeder Stufe je zehn Euro vorgesehen. Hierin sieht das Gericht einen methodisch-systematischen Ansatz. Ferner sei die Staffelung der Bewohnerparkgebühr nach der Größe des Fahrzeugs und damit nach der in Anspruch genommenen Parkfläche nicht zu beanstanden, auch weil damit klimaschutz- und gesundheitspolitische Ziele verfolgt würden.

Die Regelung zu Ermäßigungen und Befreiungen liegen unter Berücksichtigung des Sozialstaatsprinzips und des allgemeinen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gebührengesetzgebers, führt der VGH Mannheim weiter aus. Damit sollen wirtschaftliche Belastungen von finanziell weniger leistungsfähigen Personen abgemildert werden. Dies beruht unter anderem auf dem Gedanken, Nachteile für Schwerbehinderte auszugleichen, die besonders auf Parkmöglichkeiten in der Nähe ihrer Wohnungen angewiesen. Der Bundesgesetzgeber habe zudem in der Begründung ausdrücklich hingewiesen, dass die örtlichen Gebührenregelungen der „unterschiedlichen Leistungsfähigkeit von Anwohner Rechnung tragen“ könne (BT-Drs. 19/19132, S. 10). Soziale Härtefallregelung sind im Sinne des Sozialstaatsgebots also eingepreist.

Bekämpfung des Klimawandels als Richtungsanzeiger

Der Gebührengesetzgeber dürfe, so der VGH schließlich, bei der Bemessung der Bewohnerparkgebühr auch Lenkungsziele verfolgen. Zulässige Lenkungszwecke seien die Erreichung des staatlichen Klimaschutzziels des Art. 20a GG und der Schutz von Grundrechten vor den Gefahren des Klimawandels durch eine Reduktion des Kfz-Verkehrs und die Verringerung des hierdurch bedingten CO₂-Ausstoßes. Der Senat verweist dabei ausdrücklich auf den wegweisenden Klimabeschluss des BVerfG (Beschl. vom 24.03.2021 – 1 BvR 2656/18 u. a.).

Die Parkraumbewirtschaftung trage insofern dazu bei, den Parksuchverkehr zu verringern und die Verkehrsmittelwahl zu beeinflussen. Durch Erhöhung der Gebühren würde Berufs- und Ausbildungspendlern sowie Besuchern der Innenstadt ein Anreiz geboten, andere Verkehrsmittel wie den ÖPNV und das Fahrrad zu nutzen. Der Umstieg auf den ÖPNV dürfte mit der bundesweiten Einführung des 49-Euro-Tickets noch attraktiver werden, auch wenn Ausbau und Service des ÖPNV optimierungsbedürftig sind. Die vermehrten Einnahmen des Bewohnerparkens könnten dazu und zur Entwicklung der Radnetze bestens gezielt genutzt werden.

Motor für eine ökologische Transformation

Das Gericht hat mit der Entscheidung zur Bestimmung der Höhe der Parkgebühren erfreulicherweise der Notwendigkeit einer ökologischen Transformation unserer Gesellschaft deutlich Rechnung getragen. Die Erforderlichkeit der Reduzierung der CO₂-Immissionen durch den Autoverkehr mit einem Anteil von 79 % beim Individualverkehr steht angesichts des Klimawandels außer Frage. Die Konzepte des Straßenrechts und des Straßenverkehrsrechts müssen sich noch besser an den Erfordernissen der Zukunft anpassen.

Die Einrichtung des Bewohnerparkens ist für die Kommunen gesetzlich weiter zu erleichtern. Die Gebühren sollten dabei indes in den Städten kräftig erhöht werden, bestenfalls höher als die monatlichen Kosten für ein 49-Euro-Ticket, um den Umstieg auf den ÖPNV attraktiver zu machen. Wir sollten uns endgültig von der Vorstellung verabschieden, es wäre möglich und wünschenswert, auf dem begrenzten Straßenraum insbesondere dem Autoverkehr genügend Raum zu verschaffen

Es gilt daher, den knappen Raum gerecht aufzuteilen, denn die Mobilität folgt der Infrastruktur auf dem Fuße. Ferner die nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer vor Gefahren besser zu schützen, die Städte vor zu viel Verkehr, Verkehrsgefahren und verkehrlichen Umweltbelastungen zu bewahren und deshalb Radverkehr und ÖPNV konsequent den Vorrang einzuräumen. Die muss in Urteilen, aber auch in den maßgebenden Gesetzen klar zum Ausdruck gebracht werden Das Urteil des VGH Mannheim ist für das Bewohnerparken ein erster Meilenstein. Ohne einen solchen Paradigmenwechsel nicht nur auf judikativer, sondern auch auf legislativer Ebene ist auch eine klimafreundliche Parkraumbewirtschaftung als wichtiges Element einer nachhaltigen Mobilität nicht zu erreichen.

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Die Serie: Bewohnerparken als Teil städtischer Mobilitätswende

 

 

 

 

Franz Dillmann

Leiter des Bürgeramtes Köln-Rodenkirchen
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