20.02.2023

Keine Anwendung der „Doppelhausrechtsprechung“ im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplans

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.10.2021 – 7 B 1373/21

Keine Anwendung der „Doppelhausrechtsprechung“ im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplans

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.10.2021 – 7 B 1373/21

Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV

Das Verwaltungsgericht (VG) hatte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Baugenehmigung vom 29.05.2019 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass das geplante Bauvorhaben die klageführenden Nachbarn nach summarischer Prüfung nicht in eigenen Rechten verletze.

Das Vorhaben sei planungsrechtlich nach § 30 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) anhand des vorhandenen qualifizierten Bebauungsplans zu beurteilen. Danach könnten die Nachbarn insbesondere nicht geltend machen, ihr Haus verliere durch die genehmigte Errichtung des Mehrfamilienhauses mit fünf Wohneinheiten auf dem benachbarten Grundstück die Eigenschaft als Doppelhaus.

Dem Bebauungsplan könne nicht entnommen werden, dass auf den Vorhabengrundstücken lediglich ein Doppelhaus zulässig sein solle. Er enthalte vielmehr keine Festsetzung zur Bauweise auf dem Vorhabengrundstück und dem Grundstück der Nachbarn und insbesondere, anders als etwa in einem anderen Planbereich des Baugebiets, keine Festsetzung, wonach auf diesen Grundstücken nur die offene Bauweise mit Einzelhäusern, Doppelhäusern oder Hausgruppen gem. § 22 Abs. 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO) bzw. eine Bebauung mit einem Doppelhaus zulässig sein solle.


Klageführende Nachbarn verwiesen auf „Schicksalsgemeinschaft“

In der Fallkonstellation eines durch einen qualifizierten Bebauungsplan i. S. v. § 30 Abs. 1 BauGB überplanten Gebiets ohne Festsetzung der Bauweise seien die Grundsätze der „Doppelhausrechtsprechung“ des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) nicht anzuwenden. Maßstab für die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens im Gebiet eines rechtswirksamen qualifizierten Bebauungsplans seien allein die in dem Plan vorhandenen Festsetzungen, die in dem für die Zulässigkeitsbeurteilung maßgeblichen Zeitpunkt rechtswirksam vorhanden gewesen seien.

Mit der gegen diese Entscheidung des VG gerichteten Beschwerde hatten die Nachbarn beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) ohne Erfolg geltend gemacht, die „Doppelhausrechtsprechung“ des BVerwG sei auf den Bebauungsplan anzuwenden, weil auch dessen Festsetzungen – Baugrenzen ohne Festsetzung einer geschlossenen Bauweise –, dazu führten, dass eine gemeinsame Grenzbebauung nur dann möglich sei, wenn dies in Abstimmung mit dem jeweils angrenzenden Grundstücksnachbarn erfolge, mit dieser Abstimmung entstehe eine „Schicksalsgemeinschaft“, dafür sei nicht Voraussetzung, dass der Bebauungsplan ausdrücklich eine offene Bauweise festsetze. Dieser Argumentation konnte das OVG nach der hier allein möglichen und gebotenen summarischen Beurteilung nicht folgen.

Anwendung der sog. „Doppelhausrechtsprechung“ nur dann, wenn die Festsetzung einer offenen Bauweise durch einen Bebauungsplan vorliegt

Die Anwendung der „Doppelhausrechtsprechung“ des BVerwG auf bestehende Doppelhäuser kommt dann in Betracht, wenn die Festsetzung einer offenen Bauweise durch einen Bebauungsplan vorliegt. Fehlt ein Bebauungsplan, kommt die Anwendung in Betracht, wenn eine entsprechende faktische offene Bauweise in der maßgeblichen städtebaulichen Umgebung vorhanden ist. Liegt ein Bebauungsplan vor, der keine Festsetzung zur Bauweise trifft und die Voraussetzungen eines qualifizierten Bebauungsplans i. S. d. § 30 Abs. 1 BauGB erfüllt, kommt danach die Anwendung der „Doppelhausrechtsprechung“ nicht in Betracht, da im Bereich des qualifizierten Bebauungsplans gem. § 30 Abs. 1 BauGB allein der Plan abschließend die planungsrechtlichen Voraussetzungen der Bebaubarkeit festlegt. Entgegen der Auffassung der Nachbarn reicht es demgegenüber auch nicht für eine Anwendung der „Doppelhausrechtsprechung“ aus, wenn vor Erlass eines Bebauungsplans ein Doppelhaus im Rechtssinne bestanden hat.

Soweit die Nachbarn mit ihrer Beschwerde meinen, der Bebauungsplan sei wegen eines Abwägungsfehlers unwirksam, sodass deshalb jedenfalls eine Anwendung der „Doppelhausrechtsprechung“ über § 34 BauGB in Betracht komme, folgte das OVG dem nicht. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren geht es grundsätzlich davon aus, dass ein Bebauungsplan wirksam ist, soweit er nicht an offensichtlichen Mängeln leidet. Solche offensichtlichen Mängel waren hier nicht zu erkennen.

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.10.2021 – 7 B 1373/21 –.

 

Entnommen aus der Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz, 24/2022, Rn. 282.

 
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