20.02.2023

Karrierewege in der Berliner Justiz

Berufsfelder von Richtern und Staatsanwälten im Land Berlin

Karrierewege in der Berliner Justiz

Berufsfelder von Richtern und Staatsanwälten im Land Berlin

Derzeit sind knapp 1.900 Richter und Staatsanwälte in den elf Berliner Amtsgerichten. © Kammergericht Berlin
Derzeit sind knapp 1.900 Richter und Staatsanwälte in den elf Berliner Amtsgerichten. © Kammergericht Berlin

Referendare gewinnen während des juristischen Vorbereitungsdienstes erste Einblicke in die verschiedenen juristischen Berufe in der Justiz, der öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege. Die Erfahrungen, die sie in der Stationsausbildung sammeln, sind maßgeblich für die Berufsentscheidung, die nach der zweiten juristischen Staatsprüfung zu treffen ist.

Gegenüber den großen Kanzleien, die mit üppig bezahlten Nebentätigkeiten, Glasfronten und Dachterrassenempfän-gen um qualifizierten Nachwuchs werben, tritt die weniger glamouröse Justiz häufig in den Hintergrund. Es lohnt sich aber gleichwohl, das Angebot der Justiz genauer in den Blick zu nehmen.

Verantwortung und Sinnhaftigkeit

Berufliche Zufriedenheit hängt, glaubt man den dazu veröffentlichen Umfragen, weit weniger von der Höhe des Gehalts ab als von anderen Faktoren: Sinnhaftigkeit der Tätigkeit, hohe persönliche Verantwortung und Selbstwirksamkeit werden gerade von vielen jungen Leuten als weit wichtiger erachtet. Wer eine Tätigkeit anstrebt, die diese Voraussetzungen eines erfüllten Berufslebens in hohem Maße ermöglicht, für den ist das Berufsbild des Richters oder Staatsanwalts eine interessante Option.
Als Richter trifft man – als Teil eines Spruchkörpers oder als Einzelrichter – vom ersten Tag an eigenverantwortlich Entscheidungen, die große Auswirkungen auf das Leben anderer Menschen haben. Dabei ist man unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Diese infolge des Gewaltenteilungs- und Rechtsstaatsprinzips stark abgesicherte richterliche Unabhängigkeit verbietet jede Art von Einflussnahme auf richterliche Entscheidungen durch Behörden – etwa Gerichtsvorstände, Justizministerien oder die Dienstaufsicht.


Auch persönlich sind Richter unabhängig, also nach ihrer Ernennung auf Lebenszeit grundsätzlich unkündbar und können nach ihrer Probezeit auch nur noch mit ihrer Zustimmung versetzt werden. Richter leiten mündliche Verhandlungen, führen und beenden Rechtsstreitigkeiten und Strafverfahren, befrieden damit Konflikte, die für die Betroffenen eine große Belastung darstellen, setzen den Strafanspruch des Staates durch und haben noch viele weitere verantwortungsvolle Aufgaben. Dabei steht im Vordergrund, dass man keine Akten verwaltet, sondern Schicksale von Menschen verhandelt, die einen – juristisch und menschlich – immer wieder vor neue Herausforderungen stellen. Staatsanwälte betreuen Strafverfahren von Beginn der Ermittlungen bis zur Vollstreckung einer möglichen Strafe. Sie haben maßgeblichen Einfluss auf das Verfahren, da sie im Rahmen der Ermittlungstätigkeit den Prozessstoff generieren. Der Tätigkeitsbereich ist sehr abwechslungsreich und durch die enge Zusammenarbeit mit Polizei, Kollegen, Strafverteidigern und dem Gericht geprägt.

Auch in der Hauptverhandlung nimmt die Staatsanwaltschaft eine verantwortungsvolle Rolle ein. Der Umgang mit Angeklagten, Zeugen und Geschädigten und dem eigenen Anspruch auf Durchsetzung einer tat- und schuldangemessenen Strafe sind nur einige Aspekte, die den Beruf so vielseitig und spannend machen. Richter und Staatsanwälte bilden das Fundament unseres Rechtsstaates; die persönliche Integrität und die Qualität der eigenen Arbeit dient unmittelbar der Legitimität der Justiz. Bei diesen Berufen liegt also die Bedeutung des eigenen Wirkens auf der Hand.

Vielfältigkeit der Tätigkeit und Entwicklungsmöglichkeiten

Langweilig muss es im höheren Justizdienst niemandem werden! Es gibt vielfältige Möglichkeiten, den Aufgabenbereich zu wechseln, Spezialisierungen zu erwerben und Tätigkeiten in der Justizverwaltung zu übernehmen. Wechsel innerhalb der eigenen Gerichtsbarkeit sind auf gleicher Besoldungsstufe leicht durchführbar. Auch Abordnungen sind in unterschiedlicher Gestalt möglich und üblich, z.B. an Bundes- oder Landesbehörden, Obergerichte oder im Einzelfall auch an europäische Behörden und Gerichte.
Der höhere Justizdienst eröffnet jederzeit die Möglichkeit, den Aufgabenbereich zu verändern, ohne den Arbeitgeber zu wechseln. Damit stehen entsprechend der jeweiligen Begabung, Motivation und aktuellen Lebenssituation optimale Entwicklungsmöglichkeiten zur Verfügung. Zudem gibt es vielfältige Fortbildungsangebote wie Inhouse-Veranstaltungen, landeseigene Fortbildungen, die Angebote der Richterakademien in Trier und Wustrau oder das European Judicial Training Network und internationale Austauschbesuche.
Die Beförderung in die Gehaltsgruppe R 2 (etwa als Richter am Kammergericht, Vorsitzender Richter am Landgericht, Weiterer aufsichtsführender Richter am Amtsgericht oder Oberstaatsanwalt) setzt eine erfolgreiche Erprobung voraus, etwa beim Kammergericht oder der Generalstaatsanwaltschaft.

Sicherheit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Auch in der Justiz kann die Arbeitsbelastung zuweilen hoch sein, insbesondere in den Phasen der Einarbeitung. Nachtschichten und Wochenendarbeit sind aber die Ausnahme. Auch kann die Arbeitszeit flexibel eingeteilt werden und zu Hause wurde schon viel gearbeitet, als der Begriff „Homeoffice“ noch nicht in aller Munde war.
Dabei kommt Richtern und Staatsanwälten die fortschreitende Digitalisierung zugute, die in Berlin weitgehend zu einer Ausstattung mit mobilen Endgeräten und VPN-Tunnel geführt hat. Nicht nur deshalb gelten die Justizberufe als familienfreundlich. Maßgeblich ist vor allem, dass auch bei einer Teilzeittätigkeit der Arbeitsinhalt unverändert bleibt und nur das Pensum reduziert wird. Deshalb mindert eine Teilzeitbeschäftigung die Karrierechancen auch nicht.
Die Absicherung im Alter und die Beständigkeit des Arbeitsplatzes gewinnt insbesondere in Krisensituationen, wie wir sie gerade mit der Corona-Pandemie erleben, erheblich an Bedeutung. Insgesamt ist die Justiz eine gute Karriereentscheidung für Menschen, die vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten und einen abwechslungsreichen Berufsweg anstreben, gleichzeitig aber nicht auf Sicherheit und Beständigkeit des Arbeitsplatzes verzichten möchten.

Berliner Besonderheiten

Derzeit sind knapp 1.900 Richter und Staatsanwälte in den elf Berliner Amtsgerichten, den drei Standorten des Landgerichts Berlin, dem Kammergericht, den Strafverfolgungsbehörden, dem Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht und dem Sozialgericht tätig. Proberichter werden kontinuierlich eingestellt. Um ihnen den Berufseinstieg zu erleichtern, gibt es beispielsweise Stammtische und spezielle Fortbildungen für Proberichter. Gleichzeitig können diese aber auch auf die Unterstützung und den Rat erfahrener Kollegen zurückgreifen.
Berlin als Stadtstaat hat zudem den Vorteil gegenüber allen Flächenstaaten, dass berufliche Veränderungen durch Wechsel des Gerichts oder Abordnungen nicht mit einem Wohnortwechsel verbunden sein müssen und keine langen Fahrzeiten anfallen.

Der proberichterliche Dienst in Berlin

Im Rahmen des in der Regel dreijährigen Probedienstes erfolgt ein Einsatz bei verschiedenen Gerichten oder der Staatsanwaltschaft. Die Verantwortung für die Richterinnen und Richter auf Probe obliegt in Berlin dem Präsidenten des Kammergerichts. Die Zuweisung zu regelmäßig drei verschiedenen Stellen erfolgt insbesondere bei der ersten Station auf Basis der jeweils aktuellen Personalbedarfe. Verwendungswünsche werden aber, soweit irgend möglich, berücksichtigt.
Innerhalb der Probezeit werden Richter und Staatsanwälte eng betreut. Sie erhalten Mentoren, Fortbildungsangebote und Feedbackgespräche. Am Ende einer jeden Station, regelmäßig also alle 12 Monate, erfolgen Beurteilungen. In aller Regel verläuft die Probezeit erfolgreich und mündet in der Feststellung zur Eignung für das Richteramt durch den Richterwahlausschuss oder – je nach Verwendungswunsch – in der Ernennung zur Staatsanwältin oder zum Staatsanwalt auf Lebenszeit.

Fazit

Die Vor- und Nachteile einer Tätigkeit in der Justiz im Vergleich zu anderen Optionen muss jeder für sich selbst abwägen. Dabei sollte aber bedacht werden: Es ist nicht alles Gold, was glänzt und das Angebot der Justiz glänzt vielleicht nicht so hell, hat aber Inhalte, die ein ganzes Berufsleben lang tragen.

 

Entnommen aus dem Wirtschaftsführer für junge Juristen.

 

Antje Klamt

Richterin, Kammergericht Berlin
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