20.02.2023

Reichweite des Berücksichtigungsgebotes im Bundes-Klimaschutzgesetz

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 04.05.2022 – 9 A 7.21

Reichweite des Berücksichtigungsgebotes im Bundes-Klimaschutzgesetz

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 04.05.2022 – 9 A 7.21

Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat sich mit der Reichweite des allgemeinen Berücksichtigungsgebotes in § 13 des Bundes-Klimaschutzgesetzes auseinandergesetzt. Anlass hierfür war die Klage einer Umweltvereinigung gegen einen Planfeststellungsbeschluss für die Nordverlängerung der Bundesautobahn A 14.

Zum Sachverhalt

Eine anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigung klagte erstinstanzlich vor dem BVerwG gegen den Planfeststellungsbeschluss des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt für den Neubau der Bundesautobahn A 14 zwischen Osterburg und Seehausen. Der streitgegenständliche, ca. 17 km lange Autobahnabschnitt ist Teil der geplanten Nordverlängerung der A 14, die die Länder Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern verbinden und die Lücke im Autobahnnetz zwischen Magdeburg und dem Kreuz Schwerin schließen soll. Das rund 155 km lange Gesamtvorhaben ist in weiten Teilen bereits im Bau oder unter Verkehr. Das BVerwG hat sich in dem Verfahren mit der Reichweite des Berücksichtigungsgebotes im Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) auseinandergesetzt und die Klage im Ergebnis abgewiesen.

Kein Abwägungsmangel in Bezug auf den Klimaschutz

Das BVerwG kommt zu dem Ergebnis, dass die materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den Planstellungsbeschluss zwar berücksichtigungsfähig sind, aber weder die Planrechtfertigung des Vorhabens noch dessen Vereinbarkeit mit den Anforderungen des Wasser- oder Naturschutzrechts infrage stellen. Der Planfeststellungsbeschluss leidet zudem nach Auffassung des BVerwG nicht unter einem Abwägungsmangel in Bezug auf den Klimaschutz.


Die Planfeststellungsbehörde hat laut BVerwG bei ihrer Abwägungsentscheidung nach § 17 Abs. 1 Satz 4 Bundesfernstraßengesetz die Aspekte des globalen Klimaschutzes und der Klimaverträglichkeit berücksichtigen müssen. Dies ergibt sich aus Art. 20 a GG in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG. Diese Bestimmung verpflichtet die Träger öffentlicher Aufgaben dazu, bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck des KSG und die zu seiner Erfüllung festgelegten Klimaschutzziele zu berücksichtigen. Damit findet – so das BVerwG – das Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG auch im Rahmen des Fachplanungsrechts für Bundesfernstraßen Anwendung.

Die Regelungen in § 13 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 KSG betreffen demgegenüber nur Maßnahmen und Entscheidungen im direkten Zusammenhang mit Investitions- und Beschaffungsvorgängen und gelten nicht für einen Planfeststellungsbeschluss. Das Berücksichtigungsgebot verlangt laut BVerwG von der Planfeststellungsbehörde, mit einem – bezogen auf die konkrete Planungssituation – vertretbaren Aufwand zu ermitteln, welche CO2-relevanten Auswirkungen das Vorhaben hat und welche Folgen sich daraus für die Klimaschutzziele des KSG ergeben. Die Anforderungen dürfen dabei nicht überspannt werden, jedoch ist nach Auffassung des Gerichts die Berücksichtigungspflicht durchaus sektorübergreifend im Sinne einer Gesamtbilanz zu verstehen.

Auch der Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft nach § 3 a KSG ist in den Blick zu nehmen, wenn Klimasenken durch das Vorhaben beeinträchtigt oder zerstört werden. Es ist – so das BVerwG – zwar nicht geboten, dass die Verwaltung in aufwändige Ermittlungen zu klimarelevanten Auswirkungen einsteigt, sie darf aber auch nicht die Augen vor erkennbaren Klimafolgen verschließen. Eine nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG gebotene Berücksichtigung der Klimaschutzbelange ist nach Feststellung des Gerichts in dem streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss vom 14.12.2020 unterblieben, sodass der Beschluss zunächst an einem Abwägungsdefizit gelitten hat.

Dieser Mangel ist jedoch behoben worden, weil das beklagte Landesverwaltungsamt während des gerichtlichen Verfahrens die Abwägung in Bezug auf das Klima nachgeholt und die Begründung des Planfeststellungsbeschlusses mit Beschluss vom 24.02.2022 insoweit ergänzt hat. Diese Ergänzung lässt laut BVerwG im Ergebnis weder formelle noch materielle Fehler erkennen. Einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung hat es nicht bedurft.

Für die Bewertung des Ergebnisses im Rahmen der Abwägungsentscheidung gilt – so das Gericht – , dass § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG zwar eine Berücksichtigungspflicht, aber keine gesteigerte Beachtenspflicht formuliert und nicht im Sinne eines Optimierungsgebots zu verstehen ist. Dafür spricht nach Auffassung des BVerwG bereits ein Vergleich des Wortlauts der Vorschrift mit dem des § 13 Abs. 2 KSG, in dem der Vorrang bestimmter Maßnahmen bei der Abwägung ausdrücklich bestimmt ist. Dem Klimaschutzgebot kommt – trotz seiner verfassungsrechtlichen Bedeutung – kein Vorrang gegenüber anderen Belangen zu; ein solcher Vorrang lässt sich laut dem BVerwG weder aus Art. 20 a GG noch aus § 13 KSG ableiten. Aus der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zum Klimaschutz ergibt sich nach Feststellung des BVerwG nichts anderes.

Art. 20 a GG genießt danach keinen unbedingten Vorrang gegenüber anderen Belangen, sondern ist im Konfliktfall in einen Ausgleich mit anderen Verfassungsrechtsgütern und Verfassungsprinzipien zu bringen, wobei das relative Gewicht des Klimaschutzgebots in der Abwägung bei fortschreitendem Klimawandel weiter zunimmt.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 04.05.2022 – 9 A 7.21 –.

 

Entnommen aus der Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz, 24/2022, Rn. 279.

 

Dr. Daniela Franke

Geschäftsführende Direktorin, Landkreistag Rheinland-Pfalz
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